Kapitel 15

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„Bist du bereit?", erkundigt sich Lili.

„Ich hoffe es klappt", antworte ich. „Ich habe so etwas noch nie gemacht."

„Es gibt immer ein erstes Mal", versucht sie mich zu beruhigen.

„Das schon, aber andere haben die Eltern oder sonst jemand dabei, der ihnen sagen kann, was zu tun ist und worauf man achten soll. Ich bin ganz allein."

„Aber ich bin doch bei dir", meint Lili gespielt empört.

Ich nehme sie in den Arm und drücke sie fest an mich. Ja, Lili ist bei mir und ich bin ihr überaus dankbar. Sie ist wirklich eine gute Freundin.

„Du weißt, wie ich das meine", sage ich sofort. „Ich bin dir unglaublich dankbar, dass du mich unterstützt und ich hoffe, du läufst nicht schreiend davon, wenn eine Maus vor dir steht."

„Das mit der Maus will ich noch sehen", kichert sie. „Warum bist du so darauf fixiert, dass du eine Maus wirst? Es könnte ja auch schlimmer kommen."

„Ein Stinkkäfer, meinst du?", lache nun auch ich.

„Zum Beispiel. Ich kenne aber auch noch andere Beispiele", lacht sie schelmisch. „Aber langsam sollten wir es angehen."

„Das stimmt. Ich versuche es. Du solltest etwas Abstand zu mir halten."

Lili nickt nur und geht zum Rand der Lichtung. Ich hingegen bleibe in der Mitte stehen und überlege, wie ich die Verwandlung vornehmen könnte. Ich gehe zunächst in mich und suche nach meinem Energiestrang. Ich greife nach dem schwarzen Band und versuche es zu greifen. Aber es gelingt mir nicht. Schon wieder! Ich wiederhole den Versuch und bleibe hartnäckig. Trotzdem will es einfach nicht gelingen.

„Es klappt nicht!", rufe ich Lili frustriert zu.

„Stell dir einfach vor, du wärst ein Drache", ruft sie zurück.

„Ein Drache? Ausgerechnet das mächtigste Tier", sage ich.

„Mit etwas müssen wir doch anfangen. Die Maus und den Stinkkäfer lassen wir bis zum Schluss", lacht sie.

Auch mich bringt sie damit zum Lachen und die angespannte Situation lockert sofort auf. Sie ist die Beste! Deutlich gelassener versuche ich mir vorzustellen, ich wäre ein Drache. Ohne einen bestimmten Grund, stelle ich mir mit geschlossenen Augen vor, ich wäre ein großer mit schwarzen Schuppen überzogener Drache. Ich spüre zwar ein Kribbeln in mir, aber sonst passiert nichts. Ich versuche in mich hineinzufühlen und sehe, wie mein Energiestrom mächtig pulsiert. Er strotzt regelrecht vor Kraft und Energie.

Da reißt mich ein Schrei von Lili aus meinen Gedanken und aus meiner Konzentration. Was hat sie denn? Panisch öffne ich die Augen und suche meine Freundin. Halt! Was ist da passiert? Die Lichtung ist ganz klein und die Wipfel der Bäume sind auf Augenhöhe. Wenn ich mich auf die Zehenspitzen stelle, kann ich über die Baumkronen hinweg das Schloss erkennen.

Ich lasse meinen Blick nach unten schweifen und kann schließlich ganz weit weg meine Freundin entdecken. Sie steht da und starrt mit aufgerissenem Mund und Augen, die ihr fast aus den Höhlen fallen, nach oben, zu mir nach oben. Ich will etwas sagen, aber es kommt nur ein gewaltiges Brüllen aus meiner Kehle. Dabei sehe ich, wie Lili zusammenzuckt. Was war das denn bitte?

Ich versuche eine Verbindung mit ihrem Geist herzustellen und es gelingt mir. Ich kann die Verwirrung in ihr spüren, einen klaren Gedanken allerdings kann ich nicht erkennen.

Lili, was ist los?", denke ich mir.

„Serena, bist du das, die mich gerufen hat?"

„Ich habe gedacht, was los ist."

Legenda Major - Gerneratio proximaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt