Kapitel 25

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Ich sehe meine Mutter, wie sie auf mich zukommt. Ich bin nur leicht bekleidet, muss auf einer Liege abgelegt worden sein. Um mich herum ist alles hell. Ich nehme an, ich bin in einer anderen Welt. Es gibt also doch ein Leben nach dem Tod.

„Du stirbst nicht so leicht", lacht meine Mutter. „Du bist nur schwach, weil du viel Blut verloren hast."

„Wie kann ich dich dann sehen und mit dir sprechen."

„Du befindest dich gerade in einer Zwischenwelt, in die auch ich gelangen kann, wenn ich es wirklich will."

„Schön Mutter, dass du da bist. Ich vermisse dich so sehr."

„Ich vermisse dich auch, mein kleiner Drache."

„Du wusstest es also."

„Ich habe es gespürt. Eine Macht, wie du sie in dir trägst, kann vor einer Heilerin nicht verborgen bleiben."

„Und doch hast du mir nie etwas gesagt."

„Sei mir deshalb nicht böse, mein Schatz. Du solltest eine unbeschwerte Kindheit erleben dürfen und deinen Weg machen. Ich weiß, es war als Magd nicht immer leicht, aber die Prophezeiung sollte erfüllt werden."

„Welche Prophezeiung?", frage ich irritiert.

„In der königlichen Bibliothek habe ich ein Buch gefunden, über das Reich der Mitte. In den Reimen und Versen war von Aurora, der großen Magierin die Rede, von deiner Großmutter Anastasia und von deinem schwachen Vater war auch ein Reim in dem Buch. Das war dann der Vorletzte. Der Vers ganz am Schluss konnte sich nur auf dich beziehen.

„Das große Land es liegt darnieder

Das Volk es leidet, ist zerdrückt

Doch kommt die tapfer Magd zurück

Kommt auch der Wohlstand wieder"

So stand es am Ende des Buches und mir war klar, ich musste etwas unternehmen."

„Dann bist du nicht wegen Vater gegangen?"

„Doch auch, er war zu schwach und stand mir nicht zur Seite. Selbst dich hat er verleugnet und nicht beachtet."

„Du hättest ihm doch beistehen können?"

„Dein Vater hat sich verändert. Die Einsicht, alles falsch gemacht zu haben, kam erst viel später und hat ihn gebrochen. Trotzdem hätte er auch heute nicht die Kraft, das zu bewirken, was du bereits in so kurzer Zeit auf den Weg gebracht hast. Ohne dich würde auf immer und ewig alles beim Alten bleiben. Damals jedoch hätte er nicht einmal zugegeben, einen Fehler zu machen. Ich hatte nur diese eine Wahl."

„Ich finde das traurig. Dir blieb damit das Glück verwehrt."

„So etwas darfst du gar nicht denken. Ich hatte ein wunderbares Leben, eine Tochter, die ich über alles geliebt habe und die zu einer mutigen und starken Frau herangewachsen ist, die die Welt verändern wird, zum Guten, die Großes bewirken wird und die vom Volk geliebt werden wird. Ich hätte nie getauscht und würde es auch heute nicht tun. Du warst das Beste, was mir hätte passieren können."

„Ich liebe dich auch Mutter, über alles und du fehlst mir jeden einzelnen Tag meines Lebens."

„Ich weiß, du denkst immerzu an mich und das zaubert mir jedes Mal ein Lächeln auf die Lippen. Die anderen in der Welt, in der ich lebe, beneiden mich darum."

„Wo lebst du?"

„Das zu verraten ist uns verboten. Ihr Menschen sollt unvoreingenommen in den Tod gehen können."

„Aber ich bin doch auch schon tot", werfe ich ein.

„Du bist in der Zwischenwelt und ja, jeder andere würde an so einer Verletzung sterben. Du aber bist ein Drache, du bist stark und du heilst Wunden, die für andere tödlich wären."

Legenda Major - Gerneratio proximaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt