Kapitel 26

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„Ihr macht gewaltige Fortschritte", meint Peter.

„Mit Jelena zu arbeiten ist einfach. Wir sind auf einer Wellenlänge."

„Wenn ich ehrlich bin, war ich anfangs skeptisch, ob es eine gute Idee ist, mit den Rebellen zusammenzuarbeiten. Wie ich aber inzwischen sehen kann, funktioniert es."

„Es hat natürlich mit den Personen zu tun. Jelena weiß, was sie will, hat Ideen und kann kommunizieren. Mit den Männern aus ihrer Gruppe wäre dies vermutlich schwieriger."

„Weil es Männer sind?", neckt er mich.

„Weil sie einen anderen Charakter haben", stelle ich klar.

Wir spazieren durch den Garten. Peter kümmert sich rührend um mich. Meine Genesung schreitet aber echt schnell voran. Der königliche Heiler wundert sich immer wieder, wie schnell die Wunde sich verschlossen hat und inzwischen kaum mehr eine Narbe zu sehen ist. Ich gaukle ihm dann immer vor, das würde an meinen Salben liegen. Wie soll ich dem Mann erklären, dass ich Gestaltenwandlerin bin und mich in einen Drachen verwandeln kann, dass ich deshalb besser heile und auch schwere Verletzungen besser wegstecken kann.

Ich habe meine Arbeit noch nicht voll aufgenommen. Aber ich setze mich täglich zwei Stunden mit Jelena zusammen, danach bereitet sie zusammen mit Lili die entsprechenden Erlässe vor, die ich dann nur noch unterzeichnen und mit dem königlichen Siegel versehen muss.

Der Nachmittag gehört meist der Entspannung. Der hohe Blutverlust hat mich geschwächt, aber inzwischen fühle ich mich schon wieder fit. Ich muss aber ehrlich gestehen, dass ich mich ein wenig an die freien Nachmittage gewöhnt habe, die ich dann bei Spaziergängen mit meinen Freunden oder meinem Vater verbringe.

Heute allerdings habe ich etwas vor. Ich spaziere mit Peter auf die Hecke zu, welche den Landeplatz für Drachen vom restlichen Garten abtrennt. Wir sind uns in den letzten Tagen und Wochen nähergekommen. Ich verbringe viel Zeit mit ihm und auch er scheint dies zu mögen.

„Ich möchte dir heute etwas zeigen und mit dir ein neues Land erkunden", eröffne ich ihm.

„Ein neues Land?"

„Du weißt, dass ich magische Kräfte besitze und mich in einen Drachen verwandeln kann."

„Ja, ich kann mich noch erinnern, wie du uns aus der misslichen Lage gerettet hast. Da hatte ich wohl mehr Angst vor dem gewaltigen Drachen als vor den Rebellen", lacht er.

„Heute wirst du auf dem gewaltigen Drachen fliegen", lächle ich verschmitzt.

„Fliegen?"

„So wie damals Lili in meinem Nacken saß, sollst du es heute tun."

„Und wo fliegen wir hin?"

„Zu den magischen Wesen."

„Wohin?"

„Zu den magischen Wesen", antworte ich. „Du weißt doch, dass im Westen unseres Reiches eine massive Bergkette das Land begrenzt. Dahinter ist aber nicht das Ende der Welt, dort liegt ein Land, in dem Menschen leben, die magische Fähigkeiten besitzen."

„Woher weißt du das?"

„Als ich zwischen Leben und Tod war, habe ich meine Mutter getroffen, das habe ich dir ja bereits erzählt. Sie hat mir von einem Buch berichtet, das in der Bibliothek des Schlosses verwahrt wird und von der Geschichte der Königinnen und Könige erzählt. Dort hat sie auch die Prophezeiung gefunden, die sich auf mich bezieht. In diesem Buch wird auch von diesem Land der magischen Wesen berichtet."

„Das steht in einem Buch in der Bibliothek? Warum hat dann noch nie jemand versucht, in dieses Land zu gelangen?"

„Viele halten das Buch für Geschichten, die jemand einst frei erfunden hat. Außerdem ist das Gebirge mit einem Zauber belegt, damit niemand es besteigen kann. Es gilt als sehr gefährlich, weil es nie jemand geschafft hat, die Gipfel zu besteigen. Nur, wer schon ein bestimmtes Vorwissen hat, kann aus den Prophezeiungen und den verworrenen Erzählungen Rückschlüsse ziehen."

Legenda Major - Gerneratio proximaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt