Kapitel 9

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Als wir nur noch Umrisse erkennen können, machen wir uns tatsächlich auf den Weg. Keiner verabschiedet sich, wie abgemacht, damit den Feinden so wenig wie möglich an Bewegungen auffällt. Ich würde Peter noch gerne an mich drücken, aber ich will mit gutem Beispiel vorangehen.

Pascal führt die Gruppe an, dahinter folgen Lili, Rebecca und Samantha, ich bilde das Schlusslicht. Wir halten alle eine Waffe in der Hand. Ich klammere mich an mein Schwert, Pascal ebenso und die Mädchen halten einen Dolch bereit. Sollte sich uns jemand nähern, müssen wir uns verteidigen können. Samantha kann zwar mit dem Schwert umgehen, hat sie mir erzählt, wirklich kämpfen kann sie aber nicht. Deshalb hält auch sie sich krampfhaft an einem Dolch fest. Ob sie ihn auch verwenden kann, ist mir nicht klar. Darüber aber mache ich mir zunächst keine Gedanken. Damit sind Pascal und ich wohl die einzigen, die der Gruppe einen wirklichen Schutz bieten können.

Wir sind schon zehn Minuten unterwegs, als Pascal stehen bleibt. Er winkt mir zu und deutet nach vorne. Da ich nichts sehen kann, drücke ich Samantha die Zügel meines Pferdes in die Hand und eile nach vorne.

„Da ist ein feindlicher Späher", flüstert mir Pascal ins Ohr.

„Lass mich machen", weise ich ihn genauso still an.

Ich nehme den Dolch zur Hand und schleiche mich in Richtung des Schattens. Er schaut sich auffallend genau um und dürfte tatsächlich ein Späher sein. Da er normale Kleidung trägt, gehört er sicher zu den Rebellen. Ich hoffe, dass er sich verzieht, bleibe aber kampfbereit. Bisher hat er uns noch nicht entdeckt.

Als eines unserer Pferde plötzlich schnaubt, ist meine Hoffnung, dass wir unbemerkt bleiben, schlagartig vorbei. Geschmeidig wie eine Katze und flink wie ein Wiesel, schleicht er in Richtung meiner Gruppe. Da er voll auf die Stelle konzentriert ist, aus der das Geräusch kam, bemerkt er mich nicht, wie ich mich zwischen zwei eng beieinanderstehende Bäume drücke.

So leid es mir tut, ich kann nicht anders. Ich hätte sein Leben gerne geschont, aber die Sicherheit der Frauen geht vor. Innerlich hole ich noch einmal tief Luft und spanne meinen Körper voll an. Für mich ist es eine ganz neue Situation. Ich habe noch nie wirklich gekämpft. Mit Lukas war es immer nur Spiel, wenn auch sehr realitätsnahe. Das kommt mir in dieser Situation zugute.

Als er schon fast an mir vorbei ist, schießt mein Arm nach vorne, ich stelle mich lautlos hinter ihn und ziehe den Dolch von links nach rechts über seine Kehle. Ich vernehme nur ein gurgelndes Geräusch und spüre, wie eine warme Flüssigkeit über meine Hand fließt. Es handelt sich vermutlich um sein Blut. Da es aber schon sehr dunkel ist, muss ich das zum Glück nicht sehen.

Fast lautlos sackt der Körper zu Boden. Ich ziehe den nur noch leicht zuckenden Mann zwischen die beiden Bäume, von wo aus ich meinen Angriff gestartet habe. Dann mache ich mich auf den Weg zu den anderen.

„Wir können weiter", flüstere ich Pascal zu.

Er schaut mich zwar fragend an, ich sage aber nichts dazu und mache mich auf den Weg ans Ende der Gruppe. Dort nehme ich wieder die Zügel meines Pferdes von Samantha entgegen und gebe Pascal das Zeichen zum Weitergehen.

„Was war?", erkundigt sich Samantha leise.

„Ein feindlicher Späher."

„Ist er weg?"

„So kann man sagen."

Sie schaut mich etwas verwundert an. Vermutlich kommt ihr meine Formulierung etwas sonderbar vor. Ich fürchte schon, sie würde nachhaken, sie lässt es dann aber doch glücklicherweise bleiben.

Ich bin heilfroh darüber. Es war der erste Mensch, den ich getötet habe. Auch, wenn ich mir immer wieder sage, dass es hatte sein müssen, so lastet es dennoch auf meiner Seele. Ich habe das Leben eines Menschen einfach so beendet. Einfach nicht gerade, denn das war es nicht. Aber, was hätte ich sonst tun sollen?

Legenda Major - Gerneratio proximaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt