Kapitel 12

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Plötzlich klopft es an der Tür und noch bevor ich etwas sagen kann, wird sie mit Schwung aufgerissen. Herein kommt Samantha. Als sie sieht, dass jemand im Badebottich steckt, nimmt sie ganz selbstverständlich an, dass ich das bin. Dabei ist Lili nur untergetaucht, um nicht entdeckt zu werden. Das war wohl eine automatische Reaktion von ihr.

„Serena, hör mal, das was mein Onkel, ach ich nenne ihn halt so, genau genommen ist er gar nicht mein Onkel ...", plappert sie drauflos.

Dabei kommt sie immer weiter auf den Badezuber zu und bemerkt nicht, dass ich vor dem Kleiderschrank hinter der Tür stehe. Lili, die es nicht mehr schafft, länger die Luft anzuhalten, kommt aus dem Wasser geschossen und saugt heftig nach Sauerstoff in die Lunge. Von meiner Position aus, kann ich beide Frauen genau beobachten. Ich würde am liebsten laut loslachen, kann mich aber gerade noch zurückhalten.

Mir entgeht nicht das geschockte Gesicht von Samantha, als sie realisiert, dass nicht ich, sondern Lili im Wasser ist. Eine kurze Zeit kann sie gar nichts sagen. Samantha sprachlos zu sehen ist nicht schlecht. Lili dagegen wartet auf ein Donnerwetter und zieht den Kopf ein.

„Was machst du im Badezuber?", fährt Samantha Lili an.

„Ich habe ihr erlaubt zu baden. Hast du etwas dagegen?", mische ich mich schnell ein.

„Sie ist eine Zofe!"

„Na und? Sie hat dieselbe Strecke zurückgelegt, wie wir, sie hat dieselben Strapazen auf sich genommen, wie wir und sie hat dem Tod genauso ins Antlitz geschaut, wie wir. Warum also sollte sie nicht auch ein Bad nehmen dürfen, wie wir?", halte ich dagegen.

Lili schaut überrascht zwischen uns hin und her. Sie scheint zwischen Hoffen und Bangen zu sein, gespannt darauf, wer von uns beiden sich durchsetzen wird.

„Wir sind von höherem Stand."

„Ach was, von höherem Stand. Als uns die Rebellen verfolgt haben, hast du dich an den Balken gehängt, genauso wie Lili auch und zusammen habt ihr erreicht, dass der Stein sich bewegt und uns vor den Verfolgern gerettet hat. Was bitte war da der höhere Stand? Was kostet es dich, wenn Lili genauso ein Bad nehmen darf, wie ich, wie du oder Rebecca."

Nachdenklich schaut mich Samantha an. Offenbar zeigen meine Worte Wirkung. Sie macht eine beschwichtigende Handbewegung in Richtung Lili, die ihr bedeuten soll, dass sie im Wasser bleiben kann. Meine Zofe entspannt sich sichtlich.

„Du hast für eine Lady manchmal sehr eigenwillige Überlegungen. Ich muss aber gestehen, sie sind nicht falsch. Ich werde hinübergehen und Rebecca fragen, ob sie auch ein Bad nehmen möchte."

„Mach das, aber was wolltest du bei uns."

„Ich wollte sagen, in einer Stunde sollen wir uns im Speisezimmer einfinden. Ein Diener wird uns hinbringen."

„Gut, dann werden wir uns bis dahin fertig ankleiden und schminken", antworte ich.

Samantha schaut noch einmal zum Badebottich und macht sich dann auf den Weg in ihr Zimmer. Lili aber schaut mich überrascht an.

„Geht Lady Samantha jetzt wirklich Rebecca fragen, ob sie baden will? Habe ich das richtig verstanden?", erkundigt sie sich.

„Das hat sie zumindest gesagt."

„Du verdirbst echt noch ihren Charakter als böse Lady", kichert sie.

„Samantha ist doch nicht so schlimm", werfe ich ein. Ich habe das Gefühl, meine Freundin verteidigen zu müssen.

„Das ist wahr. Von den beiden Schwestern ist sie mit Abstand umgänglicher als Brunhilde."

„Ich finde, es spricht für sie, dass sie sich auf Neues einlässt."

Legenda Major - Gerneratio proximaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt