Kapitel 6

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Da ich inzwischen fast fertig bin, ich muss nur noch kurz das Kleid glattstreichen, das unter der Umarmung etwas gelitten hat, machen wir uns wenig später auf den Weg. Im Flur wartet Peter auf uns.

„Lord Rasmus, schön, dass Ihr auf mich gewartet habt", grüße ich ihn.

„Das ist doch selbstverständlich, Lady Serena", kontert er.

An seinem Schmunzeln kann ich erkennen, wie belustigt er von unserem förmlichen Umgang ist. Zusammen folgen wir Lili, die uns zum Speisesaal führt. Als wir eintreten kommt ein Mädchen auf meine Zofe zu und faucht sie an.

„Ihr seid zu spät!"

„Entschuldigt, Mylady, aber ich habe nach der langen Reise etwas getrödelt, meine Zofe trägt keine Schuld daran", springe ich Lili zur Seite. „Darf ich mich vorstellen, ich bin Lady Serena. Erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen."

Die 15-jährige schaut mich mit großen Augen an. Mein Eingreifen hat ihr offenbar die Stimme verschlagen. Innerlich muss ich lachen, äußerlich bleibe ich ruhig und gelassen.

„Ich bin Lady Brunhilde, die Schwester von Lady Samantha und Graf Kunibert."

Sie reicht mir die Hand und ich nehme sie ganz leicht in die Hand, um sie sachte zu schütteln. So viel weiß ich, dass man die Hand einer Dame nicht mit Kraft zusammendrückt.

„Meinen Bruder kennt Ihr ja schon", meint sie. „Darf ich Euch Lady Samantha vorstellen."

„Lady Samantha, es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen. Wir werden auf dem Weg in die Hauptstadt ja noch einige Zeit zusammen verbringen."

„Ich bin hoch erfreut, dass Ihr dabei seid, Lady Serena. Ich hatte schon befürchtet, ich müsste alleine mit den Rittern reisen", meint die Braut des Königs. Dann aber legt sie erschrocken die Hand auf den Mund. „Oh ich vergaß, dass es für Euch kein erfreulicher Anlass ist, der Euch hierherführt. Schließlich habt Ihr Eure Familie verloren."

„Es war schrecklich!", hauche ich und spiele Trauer vor. Ich schaffe es sogar, eine kleine Träne hervorzudrücken.

Samantha ist mir auf Anhieb sympathischer als ihre jüngere Schwester. Sie hat zwar auch dieses adelige Gehabe und ich frage mich, wie sie sich auf der Reise wohl schlagen wird, wenn sie unter freiem Himmel schlafen muss, aber ich bin froh darüber, dass ich nicht zusammen mit ihrer Schwester reisen muss.

„Ich danke Euch dafür, dass Ihr mir zwei Kleider zur Verfügung gestellt habt. Ich musste mir wegen des Überfalls der Räuber einfach das nächstbeste Kleid überwerfen, das ich greifen konnte. Ich habe auch nur das mit, was ich am Leibe trug."

„Das muss fürchterlich sein", zeigt Samantha Mitgefühl.

Am Ende werde ich noch den Eltern vorgestellt. Graf Hilbert von Aarenberg und seine Frau Lady Liliana schätze ich auf Mitte 40. Sie zeigen gerne, dass sie von adeliger Herkunft sind. Vor allem er prahlt den ganzen Abend über, wie gut er die Ländereien verwaltet.

Eigentlich verläuft das Abendessen ganz angenehm. Die Speisen sind köstlich und es wird über die unterschiedlichsten Dinge geplaudert. Vor allem werden Tratsch und Geschichten ausgetauscht. Es sprechen vorwiegend der Graf, sein Sohn und Peter. Ich halte mich, wie es sich für eine Lady gehört, zurück und antworte nur, wenn ich gefragt werde. Das ist mir auch sehr recht, da ich sowieso oft keinen blassen Schimmer davon habe, von wem gerade die Rede ist.

Am Ende des Essens, als wir den Speisesaal verlassen wollen, zieht mich der junge Graf zur Seite. Geschickt drängt er mich beim Verlassen des Raumes in eine Ecke, in der sich sonst keiner aufhält.

„Ich komme später zu dir und wir haben etwas Spaß zusammen", raunt er mir ins Ohr.

„Wofür haltet Ihr mich?", antworte ich empört, aber ebenfalls nur so laut, dass außer ihm keiner etwas mitbekommt.

Legenda Major - Gerneratio proximaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt