Kapitel 20

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Als ich am Morgen zusammen mit Lili zum Frühstück gehe, bin ich noch immer etwas übermüdet. Ich habe mit Lili noch lange Zeit über meinen Vater und das Königreich gesprochen. Sie war tief beeindruckt, dass sie an einem so wichtigen Gespräch hatte teilnehmen dürfen. Dabei war ich ihr mehr als dankbar, dass sie mich nicht allein gelassen hat.

Als wir eintreten, will Lili zum Platz gehen, an dem sie gestern beim Abendessen als Zofe Platz nehmen musste. Ich aber nehme sie beim Arm und ziehe sie hinter mir her. Mit einem großen Fragezeichen in den Augen folgt sie mir nur widerwillig.

Ich aber gehe zielstrebig auf den Tisch des Königs zu. Dort sitzt bereits mein Vater und kaut lustlos an einem Brötchen.

„Eure Majestät", grüße ich. Dabei mache ich eine angedeutete Verbeugung.

Für mich ist dies schon viel, für die Etikette am Hof vermutlich eine Respektlosigkeit. Lili hingegen macht einen tiefen Knicks und verharrt einen Moment darin. Danach lässt sie sich von mir zu unseren Plätzen ziehen.

Wir konnten uns noch gar nicht auf die Stühle setzen, da steht auch schon Lady Eleonora neben mir. An ihrem entsetzten Blick kann ich bereits erkennen, dass es Ärger geben wird. Lili sieht es offenbar ähnlich und schenkt mir ein belustigtes Lächeln.

„Lady Serena, so geht das nicht!", fährt mich die Organisationschefin des königlichen Haushaltes tadelnd an. „Man hat dem König die nötige Reverenz zu erweisen und außerdem hat eine Zofe nichts an diesem Tisch zu suchen und die Einteilung der Sitzordnung obliegt immer noch mir."

Sie ist sehr aufgebracht. Ich hingegen lächle sie nur freundlich an. Das bringt sie natürlich noch mehr in Rage. Dass eine einfache Lady vom Lande sich ein solches Benehmen am Hof des Königs leistet und dann auch noch lächelt, als ob nichts wäre, das schlägt wohl dem Fass den Boden aus. Sie öffnet schon den Mund für eine passende Erwiderung, da bremst sie mein Vater aus.

„Meine Damen und Herren, Lady Serena ist nicht ein beliebiger Besuch, sie ist Prinzessin Serena aus dem Reich der Mitte, die verschollene Prinzessin."

Im Saal herrscht augenblicklich eine fast schon gespenstische Ruhe. Alle schauen mich an und ich spüre die Blicke förmlich auf der Haut. Ich verbeuge mich in alle Richtungen, wie zur Begrüßung und setze mich dann hin. Lili gebe ich ein Zeichen, sich neben mich zu setzen.

„Oh, das wusste ich nicht", meint Lady Eleonora. „Verzeiht mir, Eure Hoheit."

„Wo bleibt die Reverenz?", bellt Lili sie an. Sie kann sich das Lachen nur mit äußerster Mühe verkneifen.

Die Hofdame wird knallrot und vollführt die vom Protokoll vorgeschriebene Ehrerbietung übertrieben deutlich. Lili schaut mich an und wir müssen beide loslachen.

Mein Vater schaut zu uns herüber und auch über sein Gesicht huscht ein belustigter Ausdruck. Die übrigen Gäste verhalten sich unterschiedlich. Während die einen sich schockiert geben, lachen andere hinter vorgehaltener Hand. Ich beobachte genau und merke mir, wer zu welchem Lager gehört.

In dem Moment kommt Samantha mit Rebecca zur Tür herein. Als sie Lili am Tisch des Königs sitzen sieht, schaut sie überrascht. Bevor sie etwas sagen kann, stehe ich auf und winke ihr zu.

„Samantha, kommt doch beide herüber. Hier am Tisch ist Platz genug."

„Auch Rebecca?"

„Auch deine Freundin Rebecca", sage ich bewusst.

Samantha und Rebecca schauen sich überrascht an und bekommen einen leicht roten Schimmer im Gesicht. Dann eilen sie zu uns an den Tisch und beeilen sich, sich hinzusetzen. Samantha beugt sich über Lili hinweg zu mir.

Legenda Major - Gerneratio proximaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt