Kapitel 21

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Seite an Seite schreiten wir den langen Gang hinunter auf eine gewaltige Doppelflügeltür zu. Sie ist aus dunklem Holz und mit unzähligen und sehr realistischen Schnitzereien versehen. Ganz oben, in der Sandsteineinfassung erblicke ich einen Drachen. Überrascht bemerke ich, dass mir die steinerne Abbildung zuzwinkert.

Im ersten Moment kann ich das nicht glauben. Warum sollte mir ein Stein mit dem Auge ein Zeichen geben. Als es aber ein zweites Mal passiert, schaue ich etwas überrascht.

„Du bist ein Drache?", flüstert mir mein Vater zu.

„Wenn ich mich verwandle, dann schon. Woher weißt du das?"

Er deutet nur mit dem Kopf nach oben zum Drachen. Dabei lacht er wissend. Offenbar hat er auch gesehen, dass das Tier mir zuzwinkert.

„Du hast es gesehen?", frage ich leise.

„Alle Menschen, die Magie in sich tragen, können sehen, wenn der Drache zwinkert. Aber das war das letzte Mal der Fall, als Aurora, die Prinzessin dieses Reiches und Freundin deiner Großmutter Anastasia hier durchging."

„Was bist denn du?"

„Kein Gestaltenwandler. Da ich nur adoptiert wurde, konnte sich die Magie in mir nur schwach ausbilden. Ich beherrsche das Element Luft."

„Gibt es noch andere Magier im Land?", erkundige ich mich.

„Hinter den Bergen leben Menschen mit Magie. Auch die Enkeltochter von Aurora. Sie heißt Luna und soll vier Elemente beherrschen."

Inzwischen haben wir die gewaltige Flügeltür erreicht. Mein Vater dreht sich noch einmal zu mir um. Dann spricht er laut.

„Serena, bevor wir durch diese Tür gehen, möchte ich dir noch eines sagen. Ich bin überglücklich, dass du zu mir gekommen bist und ich bin dir unsagbar dankbar, dass du mir verziehen hast. Ich bürde dir eine große Last auf, aber dieses Tor hat bewiesen, dass du mächtig bist und es schaffen wirst, dass alles wieder ins Lot kommt."

„Ich bin auch froh, dass ich dich getroffen habe. Lange Zeit wusste ich nichts von dir und war dann unglaublich enttäuscht, dass du mich nicht als Tochter akzeptieren wolltest..."

„Ich war dumm und von den Gepflogenheiten geblendet. Damals galt ein Sohn mehr als eine Tochter."

„Das ist heute noch der Fall", sage ich. „Aber ich habe dich kennengelernt. Ich werde dir nicht alles verzeihen, nicht sofort und nicht alles, aber ich glaube, du bist kein schlechter Mensch."

Einer spontanen Eingebung folgend umarme ich meinen Vater. Er schaut mich zunächst etwas verdutzt an, erwidert dann aber meine Geste.

„Ich liebe dich über alles, Serena. Das musst du mir glauben", sagt er leise an meinem Ohr.

„Ich liebe dich auch, Vater."

Damit lasse ich von ihm ab und wir stellen uns nebeneinander vor das Tor. Zwei Diener öffnen es auf einen Wink meines Vaters hin. Eine Fanfare ertönt.

„König Gerald Simons betritt den Saal", verkündet ein Rufer.

„Warum Simons, war das nicht der Name des früheren Geschlechts, das über das Reich der Mitte regierte?", frage ich leise meinen Vater.

„Ich habe diesen Namen angenommen, aus Respekt vor dem alten Geschlecht und vor allem wegen Aurora, meiner Patentante."

„Aha", kann ich da nur sagen. „Dann bin ich auch Serena Simons, wenn ich deine Tochter bin."

„Wenn du es so möchtest, würde ich mich freuen, dass du meinen Namen annimmst."

„Wird mir nicht viel anderes übrigbleiben", grinse ich.

Legenda Major - Gerneratio proximaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt