Du siehst all die Kondome...

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Langsam öffnet sie ihre schweren Augenlider und fährt sich mit der Hand über das Gesicht. Boah, mein Kopf!  In dem Zimmer ist es halbdunkel, da die Vorhänge zugezogen sind. Mist! Wo bin ich? Ein leises Schnarchen veranlasst sie dazu, sich auf die andere Seite zu drehen. Neben ihr im Bett liegt, soweit sie erkennen kann, ein nackter Mann - halb zugedeckt, friedlich schlafend. Sudden. Wie bin ich hier mit IHM gelandet?  Sie versucht sich an den letzten Abend zu erinnern, mit mäßigem Erfolg: Kim - das letzte Trailerpark Konzert - Backstage Bereich - Alkohol. Das war's, Filmriss. Übelkeit verspürt sie glücklicherweise nicht. Aber diese Kopfschmerzen bringen mich um! Sie hebt die Decke an, um zu schauen, ob sie ebenfalls nackt ist.

Ein Blick auf ihre Armbanduhr zeigt 9:10 Uhr und eine neue Sprachnachricht von Kim, ihrer guten Freundin.
Sie hasst Sprachnachrichten. Entweder sie schafft es nicht, sich das Handy schnell genug ans Ohr zu halten, oder die Lautstärke ist plötzlich so hoch, dass trotzdem jeder mithören kann. Das Risiko, dass er auch nur einen Ton mitbekommen und aufwachen würde, ist zu groß.

Sie lässt Ihren Blick durchs Zimmer schweifen. Auf dem Nachttisch liegt eine Packung Kondome. Kleidungsstücke sind auf dem Boden verteilt. Oh man, wir hatten Sex und ich kann mich nicht erinnern!  Vorsichtig und so leise wie möglich schlüpft sie aus dem Bett. Hoffentlich wird er nicht wach! Unangenehm! Schnell sucht sie ihre Sachen zusammen, zieht sich an und schleicht zur Tür. Ein letztes Mal dreht sie sich um, der Schwarzhaarige schläft nach wie vor. Mit einem leisen Klicken fällt die Tür des Hotelzimmers ins Schloss. Schnell weg hier!

Kaum ist sie draußen auf dem Flur hört sie sich die Sprachnachricht von Kim an, die sie um 03:34 Uhr erhalten hatte:

„Heeey Lulu, ich hoffe, ihr Süßen habt ganz viel Spaaaß... du weißt schon, was ich meine. Wir werden uns jetzt auch vergnügen," kichert sie betrunken. „Wir sehen uns dann morgen. Ruf mich an, wenn du mich brauchst ... Tschüssli Müsli hahaha..."

Ach Kim! Schmunzelnd macht sie sich auf den Weg zum Aufzug.
Was ist bloß in der Zeit von 22 bis 3:34 Uhr passiert, dass ich freiwillig mit diesem selbstverliebten Assi mitgegangen bin?! Bevor sie sich weitere Gedanken machen kann, erscheint „Kim ruft an" auf ihrem Display.  Sie nimmt den Anruf an. „Hey na...." „Naa, wo bist du? Ich stehe hier in der Lobby..." „Alles klar, bin gleich unten...ja, tschau, hehe."

Als sie im Aufzug ihre Erscheinung im Spiegelbild sieht, erschrickt sie kurz. Hektisch versucht sie die verschmierte Mascara mit den Fingern wegzuwischen, was natürlich nur mäßig gut funktioniert. Immerhin schafft sie es ihre leicht zerzausten, von Natur aus dunkelbraunen, durch Highlights aufgehellten, Haare etwas zu glätten.

Unten angekommen sieht sie Kim am Eingang des Hotels warten. Grinsend geht sie auf die zarte Blondine zu und die beiden Frauen fallen sich lachend in die Arme.
„Erzähl, wie wars???"
„Boah Kim, ich kann mich an nichts erinnern! Ich hab' total den Filmriss! Lass uns was frühstücken gehen und dann erzählst du mir von deiner heißen Nacht...Moment mal, wo steht eigentlich mein Auto?"
„Dein Auto steht noch an der Waldbühne, wir wurden hierher mitgenommen. Ich war zwar auch gut betrunken, aber ich glaube ich kann mich noch an alles erinnern...und ich muss sagen, es war schon ziemlich geil," grinst Kim vielsagend.

Nachdem sie sich orientiert haben, entscheiden sie sich zu Fuß zu gehen.
Etwa eine halbe Stunde später sitzen die beiden in einem Café und genehmigen sich erstmal Aspirin und Elektrolyte – wer ab einem gewissen Alter noch feiern will, muss vorbereitet sein. Kaffee und ein deftiges Katerfrühstück folgen.

Währenddessen im Hotelzimmer...

Er wacht mit pochenden Kopfschmerzen auf. Oh Fuck! Alles dreht sich! Wie von Bibor gestochen, sprintet er ins Bad und übergibt sich in die Kloschüssel. Fuck, Fuck, Fuck! Ich wollte mich doch nicht mehr so abschießen! Das muss aufhören! Ein Bild nach dem anderen blitzt vor seinem inneren Auge auf. Das letzte Konzert – Fans im Backstagebereich – Alkohol – sie abweisend – mehr Alkohol – mehr als nur Alkohol - sie nicht mehr so abweisend – ihre Augen - ihr Lächeln ... Shit, hab ich sie flachgelegt? Ich kann mich nicht erinnern! Wie armselig bin ich eigentlich mit meinen 33 Jahren?! Ein weiteres Mal beugt er sich über den weißen Porzellanthron bis sein Magen komplett leer ist. Schweißgebadet und zitternd sitzt er auf dem Boden an die kalten Fliesen gelehnt und schließt die Augen, in der Hoffnung, dass das Schwindelgefühl nachlassen würde. Fuck, der Kater am nächsten Tag wird immer schlimmer mit dem Alter­­!

No Fangirl (Sudden FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt