Das hier ist meine Welt

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Tief in Gedanken versunken steht Luisa unter der Dusche. Das warme Wasser prasselt angenehm auf ihren Nacken. So schön der Abend auch gewesen ist, die Entdeckung in Stevens Kleiderschrank hat einen miesen Nachgeschmack.
Es kann doch nur das sein, was ich denke oder? Ich wusste es! Das mit den Drogen ist nicht nur Show! Was mach ich jetzt? Nach Hause fahren? Bisschen spät und vielleicht etwas überzogen.
Nachdem sie sich abgetrocknet, ihren kurzen Schlafanzug aus Satin und Spitze angezogen, ihre Haare gekämmt sowie ihre Zähne geputzt hat, öffnet sie das Fenster zum Lüften.
Ok, wie spreche ich ihn am besten darauf an?

Als sie das Badezimmer verlässt, hört sie Keyboardklänge. Der Musik folgend findet sie Steven schließlich in seinem Studio. Im Türrahmen stehend beobachtet sie wie er mit dem Rücken zu ihr am Schreibtisch sitzt und auf seinem Keyboard spielt. Es ist ein ruhiger fast gefühlvoller Song mit einem albernen Text, der sie zum Schmunzeln bringt. Irgendwie mag ich seine Singstimme!

Als er sie bemerkt, unterbricht er das Musizieren und fordert sie auf, sich zu ihm zu setzen. Sie bemerkt wie sein Blick über ihren leicht bekleideten Körper gleitet und er schluckt, während sie langsam zu ihm hinüber geht. Er rollt mit dem Stuhl etwas nach hinten und klopft sich leicht auf den Oberschenkel, um anzudeuten, dass sie sich auf seinen Schoß setzen soll.
Tief Luft holend lässt sie sich zögernd auf seinen Beinen nieder. Seinen rechten Arm legt er um ihre Taille und die linke Hand wieder auf das Keyboard. Alter, reiß dich jetzt zusammen!
Ihr Herz klopft schneller als normal. Ok, stell dich nicht so an, du hast doch sogar schon nackt auf seinem Schoß gesessen. Warum ist das hier jetzt ein Problem?
„Du riechst gut," stellt er lächelnd fest.
Sie spürt, wie sie leicht errötet: „Du auch."

Er beginnt wieder zu spielen und dazu zu singen. Wieder ein langsamer Song mit einer eingängigen Melodie, aber dieses Mal mit einem tiefgründigen Text. Da es sich nicht um ein vollständiges Lied handelt, hört er mittendrin auf.
Sie nickt: „Vielleicht werde ich doch noch Fan. Das ist echt schön. Kommt das auch auf dein neues Album?"
„Ne, wahrscheinlich nicht. Das ist so ganz anders als das, was ich sonst mache. Sowas mach' ich dann nur für mich, weil ich Bock drauf hab'. Das ist wahrscheinlich auch ein Grund, warum ich schon so lange an dem Album arbeite."
„Ok, verstehe. Und wenn du nur ein paar wenige Lieder in dem Stil auf das Album packst? Der Rest kann ja so sein wie es deine Fans erwarten würden. Vielleicht gewinnst du mit neuen Liedern aber auch neue Fans. Ist doch legitim, dass Künstler sich weiterentwickeln, oder?"
„Grundsätzlich ja, aber du sagst das so einfach."
„Ja, ich weiß, gute Ratschläge an andere verteilen, kann ich immer gut.... vor allem weil ich ja soo viel Ahnung von der Musikindustrie hab...nicht. Aber warum zweifelst du denn so?"
Sie merkt, dass er anfängt mit dem Bein zu wippen.
„Du glaubst nicht, wie groß der Druck jetzt ist nach der Auflösung der Band. Ich will natürlich weiterhin so gut von der Musik leben können."
Sie nickt verständnisvoll und streichelt, ohne darüber nachzudenken, mitfühlend seinen Arm. Ihre Berührung genießend schmiegt er sich an sie, atmet den Duft ihres Shampoos ein. Dabei spürt er, wie er ruhiger wird.

Seinen rechten Arm von ihrer Taille lösend nimmt er ihre rechte Hand, um sie ebenfalls auf die Tasten zu legen.
„Spiel mit mir," flüstert er.
„Zeig mir wie."
Er wiederholt die Melodie mehrmals langsam und sie versucht ihm nachzuspielen. Da sie nicht besonders musikalisch ist, braucht sie ein paar Anläufe, um es flüssig hinzubekommen. Dann wird das Tempo auf die reguläre Geschwindigkeit des Songs erhöht. Er wippt im Takt mit.
„Sehr schön. Ok, und jetzt zusammen."
Sie nickt konzentriert.
„Du siehst süß aus, wenn du dich konzentrierst...äh ich meine du siehst immer süß aus...nein natürlich nicht immer...", stammelt er. Doch sie ist so sehr damit beschäftigt die Melodie im Gedächtnis zu behalten, dass sie nicht richtig zugehört hat.
„Was...? Sag nochmal bitte," lächelt sie.
„Lass uns spielen," lenkt er wieder auf das eigentliche Vorhaben.
„Okay, du gibst den Takt vor."
„..2..3..4."
Sanft klopft er den Takt mit seinen Fingern auf ihrem Oberschenkel. Sie spielen und er beginnt zu singen. Zu ihrer Verwunderung klappt es auf Anhieb.
„Nicht schlecht, du bist ein richtiges Naturtalent."
„Ach hör doch auf, das letzte Mal hab ich vor 20 Jahren an einem Keyboard gesessen," lacht sie. „Und glaub mir, ich war nicht gut."
„Das ist alles Übungssache. Ich mach im Handumdrehen nen Profi aus dir."
„Ne lass mal, ich höre lieber zu."
„Quatsch, bin ja selbst kein Profi. Aber das von gerade wiederholen wir auf jeden Fall."
„Ja, das ist n Deal...Danke."
„Ich hab' zu danken!"

Die Klänge des nächsten Songs kommen ihr bekannt vor.
„Warte, das kenn ich...", sagt sie und versucht sich zu erinnern. Als Steven beginnt zu singen, erkennt sie es.

„Ich wollte nie erwachsen sein
Hab' immer mich zur Wehr gesetzt
Von außen wurd' ich hart wie Stein
Und doch hat man mich oft verletzt
Irgendwo tief in mir
bin ich ein Kind geblieben
..." *

„Ohh, das ist soo schön und ich ich hab's ewig nicht gehört!"
„Tabaluga war das erste Musical, das ich gesehen habe."
„Ja, das hab ich damals auch gesehen." Auch wenn es jetzt unpassend ist, ich muss es ansprechen!
Sie dreht sich soweit zu ihm wie ihre Sitzposition es zulässt, um ihn ansehen zu können.
„Was ich übrigens noch sagen wollte... vorhin als...", sie presst ihre Lippen aufeinander und sucht nach den richtigen Worten, um ihn auf ihren Fund anzusprechen. 
„Ja, ich weiß worauf du hinauswillst...das ist aus alten Zeiten sozusagen. Ich nehme nix mehr. Alkohol und Weed sind meine einzigen Guilty pleasures," lacht er kurz auf. „Aber das weißt du ja schon."
Sie nickt nachdenklich.
„Ich bin leider sehr anfällig, was sowas angeht....deshalb lebe ich auch hier und nicht in Berlin, obwohl es für die Karriere sinnvoll gewesen wäre. Hier hab' ich meine Mama und meinen Bruder, wahre Freunde, die mich nach der wilden Tourzeit immer wieder aufgefangen haben. Naja ist halt fraglich, ob ich mich komplett nüchtern jemals getraut hätte auf den ganz großen Stages aufzutreten."
Sie runzelt die Stirn. „Du? Du hattest Bammel davor? Du bist doch so selbstbewusst und voll die Rampensau!"
„Ja schon, aber wenn da 80.000 Menschen sind, z.B. bei Rock am Ring oder Wacken, von denen nur ein kleiner Teil wegen dir da ist oder eigentlich was komplett anderes hören will, dann ist das schon krass. Dann hat auch ein Sudden mal Muffensausen vor dem Auftritt. Alkohol, Gras und .... andere Substanzen machen das dann um einiges leichter."
Sie presst ihre Lippen erneut aufeinander.
„Jetzt würde ich gerne Gedanken lesen können."
„Äh, also ich habe absolut nichts gegen Gras, da finde ich Alkohol bedenklicher. Aber ... Kommt ja eher auf die Häufigkeit an. Wenn man jetzt jeden Tag das Bedürfnis danach hat, halte ich da nichts von. Habe es auch selbst miterlebt, dass Freunde dann nicht mehr viel auf die Kette bekommen haben und solche Sachen. ... und für alles andere habe ich einfach kein Verständnis! Allein das Geld wäre mir auf Dauer echt zu schade." Aber ist ja kein Problem für diejenigen, die nicht aufs Geld achten müssen und bei denen Drogen zum Daily Business gehören!
„Also ich kiffe schon ziemlich häufig, das ist auch kein Geheimnis und jaa, Alkohol könnte auch weniger sein. Aber Koks rühr ich echt gar nicht mehr an."
„Muss ja auch jeder für sich selbst entscheiden," antwortet sie reserviert und wendet ihren Blick ab.
Jetzt hab' ich verkackt! „Aber weißt du was?"
Will ich das hören? „Ne, was denn?," fragt sie und sieht ihm wieder in die Augen.
„Seitdem ich dich kenne, ist es irgendwie viel weniger geworden. Auch mit dem Rauchen hab' ich bestimmt schon 5 x versucht aufzuhören. Aber jetzt hab' ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich es auch wirklich endgültig schaffe. Wie war das bei dir eigentlich? Du hast gesagt, du hast vor anderthalb Jahren aufgehört?", fragt Steven interessiert.

* Peter Maffay - Ich wollte nie erwachsen sein

No Fangirl (Sudden FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt