Romantisches Arschloch

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Dominik will Luisas Abfuhr nicht auf sich sitzen lassen und baggert noch eine Weile weiter: hält sich in ihrer Nähe auf, sucht Blickkontakt, grinst sie an. Doch sie lässt sich nicht darauf ein und versucht ihn, so gut es geht, auszublenden, bis er es schließlich aufgibt und seine Aufmerksamkeit einer anderen Frau widmet, bei der er mehr Erfolg hat.
Mit fortschreitender Nacht lässt die Qualität der Songauswahl des DJs stetig nach. Es wird vermehrt Schlager gespielt. Als Helene Fischers Atemlos erklingt, hat Luisa genug. Sie unterbricht das knutschende Paar neben sich: „Hey, mir reichts ich gehe nach Hause," ruft sie ihrer Schwester ins Ohr.
„Lurchi, du willst schon gehen? Okay,...in zehn Minuten, ja?"
Luisa weiß, dass ihre Schwester noch nicht gehen möchte.
„Bleib du doch ruhig noch. Ich schaffe es schon alleine nach Hause."
„Bist du sicher?", erkundigt sich Olivia.
„Ja, na klar! Kenne den Weg doch in- und auswendig," versichert sie.
„Okay. Ich werde wahrscheinlich mit Johnny mitgehen."
Luisa nickt wissend, da sie sich das schon längst gedacht hat.
„Viel Spaß und melde dich, wenn du mich brauchst, ok. Mein Handy ist laut."
„Ja, mach ich. Sag Bescheid, wenn du zu Hause angekommen bist."

Kurz darauf verlässt Luisa die stickige Bar. Draußen vor der Tür atmet sie die frische Nachtluft ein. Da es nun deutlich kühler ist, schlingt sie fröstelnd die Arme um ihren Oberkörper und macht sich auf den Weg zur nächsten U-Bahn-Station. Bis auf das Rauschen des Windes in den Bäumen und die klappernden Absätze ihrer silbernen Sandaletten ist es ruhig auf den Straßen. Aufgrund der lauten Musik in der Bar hat sie jetzt jedoch das typische Gefühl von Watte in den Ohren. Damit sie die Umgebungsgeräusche besser hören kann und wahrnimmt, falls sich jemand nähern sollte, streicht sie sich die Haare hinter die Ohren. Mit einem Blick über die Schulter, versichert sie sich, dass ihr niemand folgt. Obwohl sie die Strecke schon unzählige Male zurückgelegt hat, ist es immer wieder ein mulmiges Gefühl, allein durch die Dunkelheit zu laufen.

Plötzlich hört sie Schritte hinter sich. Ohne sich umzudrehen, konzentriert sie sich mit klopfendem Herzen auf ihr Gehör: Bilde ich mir das nur ein? Nein, das sind wirklich Schritte! Jetzt ganz ruhig bleiben.... Ihre rechte Hand tastet unauffällig nach dem Pfefferspray in ihrer Umhängetasche, während ihre linke Hand automatisch zu ihrem Handy wandert. Wenn man mit jemandem telefoniert, wirkt das abschreckend...Wen ruf ich um diese Uhrzeit an? Kim? Sie schläft bestimmt tief und fest. Steven? Gilt sein Angebot auch für mitten in der Nacht? Wahrscheinlich zockt er sowieso noch, oder? Nach kurzem Zögern wählt sie seinen Kontakt aus und hält sich das iPhone ans Ohr. Es klingelt...und klingelt....während die Schritte immer näher kommen und ihr Herz noch schneller schlägt.
Als die Person sie überholt und sie erkennt, dass es sich dabei um einen harmlosen jungen Mann handelt, der sich kein bisschen für sie interessiert, fällt ihr vor Erleichterung ein Stein vom Herzen.

Kurz darauf erreicht Luisa die Treppen, die zur U-Bahn-Station hinunterführen. Der Haltestellenbereich ist menschenleer. Die Anzeigetafel kündigt die nächste Bahn in 15 Minuten an. Also holt sie ihr Handy aus der Tasche, um sich die Wartezeit mit Instagram zu vertreiben. Nach etwa zwei Minuten hört sie hallende Schritte. Aus dem Augenwinkel sieht sie eine einzelne Person näherkommen und hofft, dass derjenige auch einfach nur auf die Bahn warten will.
"Hast du mal Feuer?", wird sie angesprochen.
Sie blickt vom Display auf. Ein großer durchtrainierter Typ um die 30 mit einem anzüglichen Grinsen im Gesicht steht vor ihr: Dominik! Er schiebt sich eine Zigarette zwischen die Lippen.
"Ne, sorry, ich rauche nicht mehr," antwortet sie tonlos und richtet ihren Blick wieder auf ihr Handy.
"Ach,...aufgehört? Respekt," kommentiert er ihre Antwort. Grinsend checkt er sie erneut von oben bis unten ab.
"Und was hast du heute noch vor, Süße?"
"Äh, ich wüsste nicht, dass dich das was angeht.
"Ach, komm, ich hab doch ganz nett gefragt. Wenne nichts mehr vorhast, könnte ich dir meine Hausbar zeigen. Ich hab alles da. Was trinkste am liebsten? Baileys? Oder doch lieber Sex on the beach?"
"Nein, danke. Ich bin auf dem Weg zu meinem Freund," lügt sie. Zufall? Oder woher weiß er, dass ich gerne Baileys trinke?
"Soso zu deinem Freund....na das klingt ja wohl eher nach Ausrede." Dominik kommt ihr immer näher.
"Ich glaub, du hast gar keinen Freund."
Für den Bruchteil einer Sekunde überlegt Luisa Steven erneut anzurufen, entscheidet sich jedoch dagegen. Entweder sein Akku ist leer oder er hört sein Handy nicht, weil er zu bekifft oder zu betrunken ist. Außerdem könnte er aus Braunschweig eh nichts ausrichten.
"Luisa...du und ich...das wird schön. Vertrau mir."
"Ich habe NEIN gesagt! Was ist daran so schwer zu verstehen?!", entgegnet sie ihm.
"Stell dich nicht so an. Wenn du dich so aufreizend kleidest, legst du es doch drauf an!"
Mit seiner Hand streicht er über ihren nackten Oberarm.
„HEY! Finger weg!", dröhnt plötzlich eine laute kräftige Männerstimme durch die U-Bahn-Station. Dann geht alles ganz schnell: Abrupt lässt Dominik von Luisa ab und dreht sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen ist. Sofort geht Luisa einige Schritte auf Abstand und schlingt schützend die Arme um ihren Körper.
„Du mieses Arschloch!!" Wie aus dem Nichts landet eine Faust in Dominiks Gesicht. Dieser taumelt rückwärts, während er schützend die Hände vor sein Gesicht hält.
Erst jetzt realisiert Luisa, wer ihr zu Hilfe gekommen ist: kein geringerer als Maxim.
„Alles ok?" fragt er mit besorgter Stimme an seine Ex-Freundin gewandt.
Luisa nickt nur verwirrt, denn sie hat Mühe zu verarbeiten, was gerade passiert bzw. zum Glück nicht passiert ist.
„Sieh zu, dasse wech kommst, du Hurensohn!" Fährt Maxim den Mann mit einer entsprechenden Handbewegung an.
„Wichser!" Presst dieser nur hervor.
"Los, zieh Leine! Bevor ich dich feddich mach!", droht Maxim mit vor Verachtung triefender Stimme. "Beim nächsten Mal bin ich nicht so sanft."
Dominik hält sich die blutende Nase, dreht sich um und eilt irgendwas vor sich hin nuschelnd davon.
„Hat der Penner dir wat getan?"
Maxim macht einen Schritt auf Luisa zu und berührt sie zärtlich am Arm.
Sie ist so durch den Wind, dass sie einfach nur froh ist, dass Maxim sie vor schlimmerem bewahrt hat.
Ihre Stimme zittert: „Nein, zum Glück nicht... danke! Wenn du nicht gekommen wärst, dann..." Fuck.
„Hey komma her. Jetzt bisse in Sicherheit." sagt er mit beruhigender Stimme.
Maxim nimmt sie in den Arm und sie lässt es geschehen. Sie schließt die Augen, woraufhin Tränen der Erleichterung unter ihren Liedern hervorquellen. Sein typischer Geruch, den sie fast vergessen hat, steigt ihr in die Nase und seine starken Arme geben ihr augenblicklich ein Gefühl von Sicherheit - so wie damals. Eine Weile stehen sie einfach so da, mitten in der menschenleeren U-Bahn-Station, ihr Kopf an seiner Brust und seine Arme beschützend um sie geschlungen, bis sich ihr Herzschlag wieder normalisiert.

No Fangirl (Sudden FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt