Nackt

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„Has someone taken your faith?
It's real, the pain you feel
The life, the love you'd die to heal
The hope that starts the broken hearts
Your trust, you must confess..." *

Gespannt, aber auch etwas besorgt darüber, was sie ihm nun erzählen würde, sieht Steven sie an. Um ihr ein gutes Gefühl zu geben und sie zu ermutigen, streichelt er ihr über den nackten Rücken.
„Also, ... als ich bei meiner Familie war..."
Sie beginnt, ihm von den bisher verschwiegenen Ereignissen während ihres Heimatbesuchs zu erzählen: wie sie von Dominik bedrängt und von Maxim gerettet wurde und daraufhin in Erwägung gezogen hat, sich wieder auf ihn einzulassen, bis sie herausgefunden hat, dass Dominik von ihm persönlich engagiert war.

„Ey, das ist n Scherz, oder? Dieser miese Wichser ist echt unglaublich! Hätte ich das gewusst... ich wäre sofort zu dir gefahren und...Nein, wäre ich nicht, ich war zu bekifft und zu besoffen! Warte...deshalb hast du mich mitten in der Nacht angerufen!", dämmert es Steven und ärgert sich, dass er in dieser Situation nicht für sie da war.
„Ja... aber du hättest von Braunschweig aus ja so oder so nichts machen können. Egal jetzt. Ich will mich nicht mehr über ihn aufregen. Das ist endgültig vorbei. Weiß auch echt nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Ich will das alles endlich hinter mir lassen. Ich hasse es, dass das alles immer noch mein Leben und meine Handlungen beeinflusst."
„Das sucht man sich leider manchmal nicht aus."
„Jedenfalls wollte ich, dass du das weißt ... so jetzt weißt du wie kaputt ich bin," lacht sie kurz verzweifelt auf.
„Ach, Süße, wir machen dich wieder heil...", sagt er mit einem kleinen Lächeln und streichelt zärtlich über ihre Wange. „Außerdem Kenne ich das selbst auch sehr gut, wenn die Vergangenheit einen nicht loslässt und man jemandem hinterher trauert, obwohl ... das totaler Bullshit ist."
„Ja, ...man trauert eigentlich nur der schönen Zeit hinterher, den guten Gefühlen."
„Yo, nicht der Person."
Ihre Hand nehmend küsst er ihren Handrücken sowie ihre Finger. Sie rutscht etwas höher, sodass ihr Gesicht seinem näher ist. Sie sind sich so nah, dass sie jedes Detail registriert: seine dunkelbraunen Augen mit den dunklen Wimpern, die ersten kleinen Fältchen auf seiner Haut, seine Grübchen, die sich unter seinem Bart erahnen lassen, wenn er lächelt...
Als ihre Lippen seine berühren, erwidert er den Kuss sofort.
Warum fühlt es sich plötzlich so unglaublich schön an, ihn zu küssen?? Die schützende Mauer, die sie fein säuberlich um sich gebaut hat, hat längst zu bröckeln begonnen.

Draußen beginnt es zu dämmern und die Vögel zwitschern sich gegenseitig einen guten Morgen, als ihnen eng aneinander gekuschelt die Augen zufallen.
Es fühlt sich jetzt gerade gut und richtig an in seiner Nähe zu sein. Alles weitere werden wir sehen. Einfach den Moment genießen und alles auf mich zukommen lassen... einfach alles auf mich zukommen lassen...
Bevor sie Haut an Haut einschlafen, flüstert Steven: „Bitte nenn mich nie wieder Sudden, okay?"
„Versprochen....," murmelt sie im Halbschlaf. „Singst du mir noch was vor zum Einschlafen?"
„Mhhm ... okay... wasn?" Steven erinnert sich, dass sie von ihrem Lieblingssong als Kind erzählt hat und beginnt leise den Refrain zu singen: „Ohne dich schlaf' ich heut' Nacht nicht ein. Ohne dich fahr' ich heut' Nacht nicht heim. Ohne dich komm ich heut' nicht zur Ruh'. Das was ich will bist duuu."

Einige Stunden später ...

Durch zärtliche Küsse in ihrem Nacken erwacht Luisa. Ein Gefühl, das sie fast vergessen hat, durchströmt sie und bringt sie zum Lächeln - Geborgenheit? Seine Berührungen genießend schmiegt sie sich noch näher an ihn.
„Guten Morgen," sagt Steven melodisch nahe ihres Ohres.
„Morgen," murmelt sie verschlafen.
Zum ersten Mal hat sie richtig tief neben ihm geschlafen.
„Weißt du was?"
„Was?"
„Wir können den ganzen Tag nur chill'n und nichts tun. Keine Termine, keine Verabredungen."
„Ja, muss nur morgen früh wieder in Hamburg sein, hab' n wichtiges Meeting ... hab' meinen Laptop nicht hier," erwidert sie gähnend.
„Also ... noch ganz ... viel Zeit ... für andere Sachen...", raunt er zwischen zarten Küssen auf ihre Schulter. Spielerisch beißt er in ihr Ohrläppchen, wodurch sie anfängt zu quieken vor Lachen.
Dann fällt sein Blick auf ihren Hals und seine Augenbrauen schießen in die Höhe.
„Oh, sorry übrigens," versucht er ein Lachen zu unterdrücken.
Schlagartig öffnet sie ihre Augen und fasst sich automatisch an den Hals. Als sie 1 und 1 zusammenzählt, weitet sich ihr Blick.
„Nein!"
„Doch," lacht er.
Sie schnappt sich ihr iPhone vom Couchtisch, um sich das Dilemma im Selfiemodus der Kamera anzuschauen.
„Ach du Scheiße!"
Jetzt ist sie wach.

Sie verbringen also den ganzen Tag in der Horizontalen – nackt. Neben dem Offensichtlichen haben sie ganz viel Zeit zum Reden. Vor allem Luisa fällt es nach der letzten Nacht und in unbekleidetem Zustand deutlich leichter, sich ihm zu öffnen und sich auch im übertragenen Sinne nackig zu machen.

Einander zugewandt liegen sie auf der Seite und betrachten sich gegenseitig lächelnd. Während Steven mit ihren Haaren spielt, malt Luisa mit ihrem Zeigefinger unsichtbare Kreise und Linien auf seinen Oberkörper.
„Du guckst plötzlich so ernst. Alles okay?", fragt er.
„Weißt du ... ich kann sehr gut nachvollziehen, wie Pia sich fühlt..."
„Äh ... du meinst unglücklich verliebt sein?", fragt Steven ahnungslos.
„Ja, das auch, aber das meine ich nicht... da ist noch etwas anderes ... was ich dir anvertrauen möchte..."
„Ja, du kannst mir alles sagen."
„Ich habe das bisher niemandem erzählt. Nicht meiner Schwester, nicht Kim oder sonst wem...niemandem! ... okay bis auf den Therapeuten, bei dem ich kurzzeitig in Behandlung war."
Steven nickt nachdenklich.
„Ich ...", beginnt sie zögernd. Jetzt sag es einfach!
Steven streicht ihr eine Haarsträhne hinter das rechte Ohr: „ Hey, alles gut, du musst nicht jetzt drüber reden."
Doch bevor sie einen Rückzieher macht, spricht sie zügig weiter: „Ich weiß, wie es ist, wenn ... man ein Baby verliert!"
„Fuck... Wie..?" Mit großen Augen sieht er sie an und kann kaum glauben, was sie soeben ausgesprochen hat.
Sie schluckt und fährt gefasst fort: „Als ich Maxim und Isabel in unserem Schlafzimmer erwischt habe, ist eine Welt für mich zusammen gebrochen. Ich hatte am Morgen einen Test gemacht, der positiv war. Und dann komm ich nach Hause und will ihm davon erzählen... und dann..." Sie schluckt erneut, um die Fassung nicht zu verlieren.
„Hab dann über eine Abtreibung nachgedacht, weil ... das war für mich einfach unvorstellbar, mit ihm dann auch noch ein Kind zu bekommen. Aber scheinbar hat mich das alles so fertig gemacht... dass sich das von selbst geklärt hat. Hatte kurz danach eine Fehlgeburt."
Sprachlos durch ihre Worte zieht er sie in seine Arme und küsst sie auf die Stirn, bevor er sie fest an sich drückt.
"Luisa, das tut mir so leid!", flüstert er schließlich tröstend in ihr Haar.
"Muss es nicht," erwidert sie. „Und im Nachhinein bin ich auch irgendwie .... froh, dass es so gekommen ist..."
"Unfassbar, dass du das die ganze Zeit mit dir herumgetragen hast, ohne es jemandem zu erzählen..."
„Ja, du glaubst nicht, wie erleichtert ich gerade bin!", lächelt sie ihn seufzend an, während ihr gleichzeitig befreiende Tränen die Wangen hinunter laufen. „Oh Gott, jetzt bin ich schon wieder nur am heulen und sehe bestimmt total schrecklich aus." Errötend senkt Luisa ihren Blick. Doch kopfschüttelnd wischt Steven ihr vorsichtig die Tränen weg. „Auch verheult bist du immer noch wunderschön!"
Ein inniger Kuss lässt die Tränen und alles damit verbundene für den Moment vergessen.

Sie spürt, dass eine große Last von ihr abgefallen ist. Fühlt sie sich bei ihm sicher? Noch nicht. Dagegen fühlt sie sich in seiner Gegenwart wohl, schön, besonders, bewundert und für den Moment geborgen – ein Anfang.

Am Nachmittag ...

Als sie beschließen, duschen zu gehen, will Steven ihr den Vortritt lassen. Sie zögert zunächst, springt dann aber schnell über ihren Schatten: „Mh, ich dachte, wir duschen zusammen?"
Er ist freudig überrascht und kurz darauf stehen sie zusammen in seiner Dusche, um festzustellen, dass es ein bisschen sehr eng ist. Daher ist es ein eher lustiges Unterfangen, was Luisa sehr gelegen kommt. Wie so oft sorgt Steven mit seiner albernen Art für eine lockere Atmosphäre und nimmt ihr somit die Hemmungen vor der Intimität. Sie veranstalten regelrecht eine Schaumparty inklusive Schaumkrönchen und Gesangseinlage mit Shampoo-Flaschen als Mikrofone. Schließlich stehen sie einfach nur eng umschlungen da und genießen das heiße Wasser, das auf sie niederprasselt.

Als sie aus der Dusche steigen, um sich abzutrocknen - Luisa ist gerade dabei, sich in ein Handtuch zu wickeln - wird vor ihren Augen plötzlich alles schwarz ...

„Luisa!? Fuck...kannst du mich hören? Hey!...mach die Augen auf, Baby! Komm schon. Bitte! Guck mich an!", ruft Steven panisch, während er neben ihr auf dem gefliesten Boden kniet.

Wie ein reißender Fluss rauscht es in ihren Ohren. Sie schafft es nicht, ihre Lider komplett zu öffnen. Ein verschwommener Schatten schwebt über ihr. Aus der Ferne schnappt sie Wortfetzen auf....wieder alles schwarz.

* Foo Fighters - Best of you

No Fangirl (Sudden FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt