K A P I T E L 04
Der Fremde grinzte mich frech an. Blonde Locken hingen ihm wirr in die Stirn und Sommersprossen zierten sein gesamtes Gesicht. Seine grünen Augen blitzten mir neckisch entgegen.
"Na, was machen wir hier interessantes? Die Luft anstarren?"
Er zwinkerte mir zu und stellte sich neben mich.
"Ich bin Killian", eine Reihe weißer Zähne, die auch ebenso gut einer Werbung für Zahnpasta entsprungen sein könnten, grinsten mir entgegen.
"Mercy", argwöhnisch rümpfte ich die Nase und überlegte, inwiefern der fremde Lykaner eine Bedrohung für das Rudel oder mich darstellen könnte, kam aber zu dem Entschluss, dass von ihm keine Gefahr ausgehen konnte, da er es sonst gar nicht unbemerkt an den Patrouillen hierher geschafft haben könnte.
"Also sollen wir weiter hier rumstehen oder in die Sporthalle gehen?"
Ich warf einen leidenden Blick in Richtung Sporthalle. Dorthin, woher dieser wundervolle Duft kam.
Cara kratzte an ihrem Käfig und ich musste all meine Selbstbeherrschung aufbringen, um die Kontrolle zu verlieren. Sie war viel stärker als früher, oder lag das nur daran, dass sie unbedingt dahin wollte, wo sie unseren vermeintlichen Gefährten vermutete? Ein Ort, an den ich auf keinen Fall wollte, auch, wenn Sport normalerweise mein Lieblingsfach war.
"Oder doch lieber schwänzen?", warf Killian ein, welcher mein Zögern zu bemerkt haben schien.
Mit großen Augen, warf ich ihm einen ungläubigen Blick zu. Ich hatte noch nie ein Fach geschwänzt. Und wie kam er überhaupt auf die Idee, dass gemeinsam etwas dergleichen machen würden? Aber dann besann ich mich eines besseren. Ich wollte nicht zur Sporthalle und auf die Quelle diesen betörenden Duftes treffen, und etwas Ablenkung würde mir sicherlich guttun, bevor ich mich später ohnehin mit dem Thema würde befassen müssen, denn Cara fand es offensichtlich endlich mal für wichtig, mich mit ihrer Anwesenheit zu beglücken.
"Kaffee?", war also meine Antwort auf seine Frage, da ich trotz allem noch immer kein Freund vieler Worte war.
***
"Also Mercy, warum schwänzen wir heute?", wollte Killian neugierig wissen, sobald zwei dampfende Tassen Kaffe und jeweils ein Stück Kuchen vor uns standen.
Augenblicklich versteifte ich mich, als ich das Gesprochene und die Bedeutung die dahinter steckte realisiert hatte und stach etwas zu fest mit der Gabel in den Schokoladenkuchen.
Mein Kiefer mahlte angespannt und ich überlegte, was ich antworten könnte. Auf keinen Fall die Wahrheit, dass war klar. Ich konnte ihm schlecht sagen, dass mein Mate vor zwei Jahren gestorben und mit ihm auch meine innere Wölfin verschwunden ist und sie seit ein paar Tagen wieder aufgetaucht war und behauptete, unser Gefährte sei hier irgendwo.
Da mir nichts besseres einfiel, zuckte ich einfach mit den Schultern.
"Was geht über ein Stück Schokoladenkuchen?"
Mein Gegenüber lachte herzlich auf.
"Da hast du wohl recht."
Für eine Weile schwiegen wir. Es war kein unangenehmes Schweigen, im Gegenteil, ich genoss es. Und dennoch brannte mir eine Frage auf der Zunge, die mich brennend interessierte.
"Was hat dein Rudel hierher verschlagen?"
Ich wohnte in einem kleinen, unscheinbaren Städtchen, also waren dies sicherlich keine geschäftlichen Gründe.
Nun war er es, der sich deutlich verspannte. Sein Blick wurde abwesend, als würde er in Erinnerungen schwelgen und genauso wie ich vorhin, mahlten seine Kiefer aufeinander.
Aha, dachte ich. War wohl nicht die Einzige, die ungern über ihre Vergangenheit sprach. Sollte mir recht sein. Wer wusste schon, was Killian alles durchgemacht hatte.
Mein Blick viel bei weiteren Musterungen auf seine Markierung.
"Deine Mate wird nicht erfreut sein, wenn sie erfährt, dass du alleine mit einem anderen Mädchen unterwegs bist.", merkte ich an und es war unschwer zu erkennen, dass er mehr als angetan von dem Themenwechsel schien, denn seine Miene hellte sich augenblicklich auf.
Meine hingegen verdunkelte sich, denn auch wenn ich mich für andere freute, wenn sie ihr Glück fanden, schmerzte mir dieses Thema und der Anblick anderer glücklicher Matepaare noch immer und ich konnte nicht verhindern, dass ich tief in meinem Inneren doch verbittert war.
"Ach, da mach dir mal keine Gedanken. Lorette ist wirklich wundervoll, sie kann niemandem böse sein und außerdem weiß sie, dass ich nur sie will."
Ich nickte anerkennend. Unter Mates war es üblich, dass eine riesige Eifersucht herrschte. Das Bund zwischen ihnen war meist so groß, dass der Andere es kaum ertragen konnte, wenn der Gefährte mit jemanden des anderen Geschlechtes sprach. Oder des gleichen, jenachdem, in welcher Richtung man seine Vorlieben hegte.
Wir saßen noch eine Weile in dem gemütlichen kleinen Café, bis wir schließlich beschlossen aufzubrechen, denn draußen begann es bereits zu dämmern und der Nachmittagsunterricht, den wir schwänzen wollten, war schon längst vorbei.
"Also dann, sieht man sich morgen Abend?", fragte Killian lächelnd und machte einige Schritte über die Straße.
"Morgen Abend?", verwirrt runzelte ich die Stirn und legte den Kopf schief. Innerlich ging ich die vergangenen Tage durch und überlegte, was ich verpasst haben könnte, doch mir wollte einfach nichts einfallen.
"Na, die Feier die gehalten wird, um die Verbundenheit unserer Rudel zu feiern.", half er mir grinsend auf die Sprünge. Er dachte wohl, dass ich ziemlich vergesslich wäre, aber so war es nicht.
Bis vor kurzem war ich noch ein Mensch und habe mich aus den Angelegenheiten des Rudels rausgehalten, was wahrscheinlich auch der Grund dafür war, dass ich weder wusste, dass ein neues Rudel im Ort war, noch, von der Feier, die anscheinend am morgigen Abend stattfinden sollte.
Unentschlossen zuckte ich mit den Schultern.
Nachdem wir uns verabschiedet haben, stand ich noch eine Weile an der Selben Stelle und grübelte. Was sollte ich jetzt nur machen? Alles hatte so andere Wege eingeschlagen, als ich jemals zu denken vermocht hätte. Ich war nicht länger ein Mensch, nein, meine innere Wölfin, von der ich insgeheim dachte, sie hätte den Verlust unseres Mates nicht verkraftet und wäre daran gestorben, war augenscheinlich zurück gekommen und hatte den Verstand verloren, denn sie behauptete, dass unser Gefährte, der tot war, hier wäre. Außerdem wusste kaum einer, dass ich wieder zurück war, dass ich einen Teil meiner Selbst wiedererlangt hatte und da ich mich die letzten Jahre aus den Rudelangelegenheiten rausgehalten habe, konnte ich unmöglich auf dieser Feier auftauchen, ohne Fragen aufzuwerfen. Außerdem war es nur eine Frage der Zeit, bis ich das alles mit Cara klären musste. Ich konnte nicht ewig diesem Gespräch entfliehen, zumal sie in meinem Kopf war, und genauso wenig konnte ich ewig der Begegnung mit unserem Mate aus dem Weg gehen, der eigentlich gar nicht unser Mate war.
In meinem Kopf herrschte das reinste Chaos und als wäre das nicht schon genug, viel mir mit Schrecken ein, dass ich das Training heute völlig vernachlässigt habe!
Mir gefiel es nicht, wie sich die Dinge entwickelten und da ich in diesem Moment nur einen Ausweg wusste dieser Situation, wenn auch nur für einen Augenblick, zu entfliehen, eilte ich kurzentschlossen mit wehenden Haaren in Richtung des Waldes.

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forever mate *pausiert*
Hombres LoboSeit dem Tod ihres Mates hat Mercy den Glauben in das Gute verloren und sich von anderen ihrer Art abgekapselt. Doch was ist, wenn plötzlich ein Typ in ihr Leben tritt der behauptet, sie sei seine Mate? Ist es möglich, dass Mercy einen zweiten Seele...