15 | Der Tote im Wald

111 10 3
                                    

K A P I T E L 15

!!!

ACHTUNG: In diesem Kapitel ist eine brutale Szene enthalten. Wer dies nicht lesen möchte, kann diese überspringen. Ich werde ihren Anfang und das Ende durch ein Sternchen (*) markieren.

Ansonsten, lesen auf eigene Gefahr.

!!!

Der schwere Geruch von Blut verdeckte alle anderen Gerüche und er wurde stärker, je tiefer wir Killian in den Wald folgten, doch ich konnte bereits aufgeregtes Stimmengewirr wahrnehmen.
Begleitet wurden wir von zwei anderem Lykanern.

Der Teil des Waldes war vollkommen unberührt. Die Sträucher wuchsen hier so dicht, dass man jede Spur eines Tieres, welches sich hier aufhielt sofort sehen konnte und hier waren keine. Keine abgeknickten Zweige, kein platt getrampeltes Gras.

Ein Schauer lief über meinen Rücken. Die Atmosphäre hier war düster, gefährlich. Ich würde mich hier auch nicht freiwillig aufhalten wollen. Was also, hatte jemand aus Alarics Rudel hier verloren?

Eine dunkle Ahnung, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmen konnte, beschlich mich und als wir einen letzten Busch hinter uns ließen, bot sich mir ein grauenhaftes Bild.

*

Der Rasen war nicht länger grün sondern wurde von Blut rot gefärbt. Der Körper eines Mannes lehnte schlaff mit dem Rücken an einem Baum, sein Kopf hing mit dem Kinn schief auf seiner Brust, welche nicht mehr als diese zu erkennen war.

Das Holzfällerhemd, welches er augenscheinlich getragen hatte, war komplett zerfetzt und hing in Fetzen von seinem Körper herunter.

Sein Torso sah nicht viel besser aus. Teilweise schien ihm sogar Haut bis auf das Fleisch und die Knochen zu fehlen, ansonsten hing die Haut von seiner Brust herunter und gab einen schrecklichen Anblick auf das Innerste des menschlichen Körpers frei, doch zu meinem Erschrecken, schien auch dies nicht mehr unversehrt. Etwas das wie Gedärme aussah, hing aus seiner Magengegend und wenn mich nicht alles täuschte, wurden Fetzen davon sogar über die kleine Lichtung verteilt.

Das Bein des Mannes wirkte auf mich seltsam verdreht und bei genauerem hinsehen sah es für mich so aus, als würden ihm einzelne Finger fehlen.

Doch bei all dem grauenhaften Anblick, waren neben der Brutalität, mit der hier vorgegangen wurde, das Erschreckenste seine Augen.

Diese standen offen, waren weit aufgerissen, starrten leer in die Tiefen des Waldes. Und obwohl man den Tod in ihnen erkennen konnte, sah man auch die Todesangst und die Qualen, welche der Mann während des Kampfes gehabt haben muss.

*

Wobei hier von Kampf wohl keine Rede sein konnte. So wie es aussah, musste, wer oder was auch immer ihn getötet hat, dies hinter seinem Rücken getan haben, denn hätte dieser Mann die Chance gehabt sich zu verwandeln, dann hätte er vielleicht überlebt oder Hilfe rufen können.

Oder, und dieser Gedanke erschrak mich zu tiefst, sein Mörder war jemand, den er gekannt hat. Jemand, von dem er nicht dachte, dass von demjenigen eine Gefahr ausgehen würde. Das wiederum würde bedeuten, dass der Mörder in Alarics Rudel, und somit in der Nähe meines Rudels, war.

Bei diesem Gedanken kroch eine kalte Angst meinen Rücken hinauf, doch ich verwarf ihn ebenso schnell wieder, wie er gekommen war. An sowas wollte und konnte ich nicht denken. Rudelmitglieder waren wie eine Familie, niemals würde man dann jemanden ermorden können und das auch noch auf solch eine brutale Art und Weise.

Wie erstarrt stand ich noch immer an der gleichen Stelle und nahm nichts von meiner Umgebung wahr. Ich war nicht mehr in der Lage, meinen Blick von dem schrecklichen Anblick abzuwenden und wusste, dass diese Bilder sich unlöschbar in mein Gedächtnis brennen würden.

Ich erwachte erst aus meiner Starre, als ich ein leises Wimmern aus einem der Gebüsche neben mir vernahm und da bemerkte ich auch das rege Treiben, welches mittlerweile auf der Lichtung herrschte.

Es wurde von allem Fotos gemacht und jemand anderes sperrte den Bereich großräumig ab. Alles in einem erinnerte mich die Situation sehr an einen Tatort von der Polizei in einem Krimi. Nur, dass dies hier weder ein Tatort von der Polozei war, diese würde niemals hiervon erfahren, denn wir durften nicht riskieren, dass sie von unserer Existenz erfuhren, und es war auch kein Krimi, sondern die bittere
Realität.

Verwirrt und neugierig wand ich mich dem wimmernden Geräusch zu, welches aus dem Busch direkt neben mir zu kommen schien.

Und was ich da erblickte, ließ mich erneut vor Schreck erblassen und mein Herz aussetzen.

Ein kleines Mädchen saß zusammen gekauert in dem Busch und weinte bitterlich vor sich hin. Als ich sie sanft an der Schulter berührte, zuckte sie zusammen und schaute mich aus großen Augen angsterfüllt an.

"Daddy", schluchzte sie so sehr, dass ich Angst bekam, sie würde an ihren Schluchzern ersticken.

Der Anblick war herzzerreißend. Hier trauerte die kleine Tochter des toten Mannes, sie konnte nicht älter als fünf, vielleicht sechs sein, und sie musste alles mit angesehen haben. Sie würde diese Bilder niemals vergessen. Sie würde ihr Leben lang traumatisiert sein und an diesen Tag zurückdenken müssen. Wahrscheinlich würde es ihr genauso wie mir gehen und sie würde in keiner Nacht mehr Schlaf finden, ohne von schrecklichen Alpträumen geplagt zu werden.

"Shsht, du bist in Sicherheit. Dir wird nichts passieren, das verspreche ich dir.", flüsterte ich der Kleinen leise zu, während ihr Anblick mir die Überreste meines Herzens erneut brach.

forever mate *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt