KAPITEL 47

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Valentina

Nach der letzten Prüfung für dieses Semester bin ich eigentlich wirklich durch. Ich könnte so dringend Urlaub gebrauchen – am besten einen ganzen Monat. Aber Urlaub ist nicht drin. Ein zweites Praktikum wartet darauf, absolviert zu werden, und Schreibarbeiten für die Uni sowieso. Aber irgendwie bin ich auch ganz froh, dass ich mich in die Arbeit stürzen kann, zumindest habe ich so einfach keine Zeit, viel über Jimmy nachzudenken.
Es ist schon fast Ende März, als ich abends nach Hause komme und sehe, dass mein Anrufbeantworter blinkt. Was an sich nichts Ungewöhnliches ist, aber prompt denke ich an die Momente, als ich zu Beginn unserer Beziehung abends nach Hause kam und zum Telefon stürzte, in der Hoffnung, Jimmys Anruf noch zu erwischen. Ich kann nicht fassen, dass das alles schon drei Jahre her sein soll, meine Brust zieht sich zusammen. Es ist vorbei, versuche ich mir einzureden. Schon fast drei Wochen. Drei Wochen, in denen ich mich in Arbeit und Uni gestürzt habe, mich kein einziges Mal bei Caro oder Andi gemeldet habe. Nicht einmal meine Eltern wissen von der Trennung, dabei waren sie nie wirklich gegen Jimmy oder so. Ich wollte es einfach mit mir alleine ausmachen so wie ich alles, was Jimmy betraf, alleine durchgestanden habe. Zwar mit ihm, natürlich, aber eben ohne Freunde, ohne darüber reden zu können.

Ich schiebe die quälenden Gedanken zur Seite und drücke den Knopf, um die Nachricht abzuhören. Aber schon im nächsten Augenblick zieht sich mein Herz schmerzhaft zusammen und ich starre das Telefon fassungslos an.
»Hi Tina, hier ist Kira«, erklingt Kiras Stimme und ich schlucke hart. Warum ruft Kira mich an? »Du hast mir in Neumünster deine Nummer gegeben, weißt du noch? Jedenfalls wollte ich dir Bescheid sagen, dass ich in Bremerhaven Anfang April dabei bin. Du weißt schon, die Kellys sind doch dort zwei Tage und vorher in Emden. Angelo hat mir letztens erzählt, dass du Jimmy auch wieder begleiten willst. Hey, das wird cool, ich freu mich schon voll. Also, hab einen schönen Abend, bis dann.«
Bremerhaven. Anfang April fliegen die Kellys nach Diborg. Danach sind sie dann in Emden und zwei Tage in Bremerhaven, bevor sie für das neue Album ins Studio gehen, die Tour weitergeht und mein neues Semester beginnt. Und ich wollte Jimmy wieder begleiten, das hatten wir schon im Februar abgesprochen. Die schönen Momente abends im Hotel in Neumünster und Kiel vor etwa einem halben Jahr schießen in meine Gedanken und plötzlich bekomme ich kein Luft mehr, meine Knie drohen unter mir wegzusacken. Wie konnte es nur so weit kommen – innerhalb so weniger Monate?
Ich blinzle, Tränen füllen meine Augen. Es ist so verdammt leer in meiner Wohnung. Kein »Ich melde mich«. Kein »Hi Babe, I’m back«. Ich höre keine Gitarrenmusik mehr, wenn ich nach Hause komme, und jäh wird mir bewusst, wie sehr mir Jimmys so lustige Art fehlt. Aber auch die Gespräche, seine Geschichten, sein ganzes Wesen. Dabei war er ja schon länger nicht mehr er selbst. Ich kann immer noch nicht glauben, wie sehr er sich verändert hat, wie schnell vor allen Dingen. Wie gemein er war, als er mir den Betrug mit dieser Sängerin an den Kopf knallte. Er war schon lange nicht mehr mein Jimmy.

Ich zucke zusammen, als es plötzlich klingelt. Es ist das Läuten der Wohnungstür, und als Caros Stimme erklingt, schließe ich kurz die Augen. Auch das noch.
»Tina? Süße, deine Mum hat gesagt, du bist zuhause. Wir waren doch bei Andi verabredet, ist… ist alles okay?«
Ich schluchze nur auf, was Caro natürlich hört, und sie klopft nochmal deutlich an die Tür. »Tina, mach auf. Bitte.«
Ich habe keine Kraft mehr, das alles mit mir alleine auszumachen und öffne die Tür. Caro starrt mich nur an, ein erschrockenes »Was ist passiert?« entfährt ihr und sie zieht mich in eine enge Umarmung.
Die Umarmung tut so gut, so unendlich gut. »Jimmy und ich«, schluchze ich dann an ihrer Halsbeuge. »Wir haben uns getrennt.«
Caro löst sich kurz von mir und schaut mich ungläubig an. »Wie jetzt… getrennt?«
»Seit… seit drei Wochen schon«, beichte ich und fühle mich jetzt doch ein wenig mies, dass ich ihr nichts gesagt habe. »Er… er hat mich betrogen, auf der After-Show-Party beim Echo. Und… er nimmt Drogen, er kommt nicht mit dem Erfolg klar. Ich konnte… ich kann ihm nicht helfen, Caro.«
»Oh Süße, das tut mir leid, ehrlich. Komm, wir setzen uns.« Sie zieht mich auf meine Couch, ich stelle die Beine an den Körper und schlinge meine Arme darum. Dann bricht es ein wenig aus mir heraus, ich erzähle die ganze Drogengeschichte, Jimmys Ausraster, auch Joey gegenüber, seine ganzen Veränderungen.

Jimmys GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt