Patricia
Ich bemühe mich wirklich, nicht allzu oft zur Uhr zu schauen. Mich immer wieder zu ermahnen, dass meine Brüder ihr eigenes Leben haben. Dass sie schon zurückkommen werden. Wohlbehalten vor allem.
Aber dennoch erwische ich mich dabei, wie ich immer wieder zur Armbanduhr schaue, während ich, die Gitarre auf dem Schoß, an Deck unseres Schiffes hocke. Da ist eine Idee in meinem Kopf, obwohl wir gerade die Aufnahmen für WOW, das wir demnächst während den Straßenkonzerten verkaufen werden, abgeschlossen haben. Aber es gibt immer neue Songideen, ein nächstes Album, und schon jetzt arbeiten wir alle an neuen Songs.Es ist ein immerwährender Prozess, die Gedanken von Musikern stehen nie still. Und deshalb fällt es mir auch nicht leicht, die Verse zu Papier zu bringen, deren Melodie schon in meinem Kopf ist:
»Today for the first time, for the first time you took my hand…«
Es sind Erlebnisse aus unserer Zeit in Paris, die immer noch in meinen Gedanken herum schweben, mich nicht loslassen, die ich in einen Song verpacken muss. Ich weiß noch nicht genau, was es wird, aber die Melodie geht mir nicht mehr aus dem Kopf.»Das klingt gut«, dringt Johns Stimme zu mir durch, ich schaue auf und registriere, dass ich wohl einfach vor mich hin gespielt haben muss. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, wie lange ich dort an Deck sitze, aber wieder kriecht der Geruch von Abendessen in unsere Nasen. So ein Mist, ich hab total vergessen, zu helfen. Als ich dann Maites Stimme aus der Kombüse höre, fühle ich mich nicht mehr ganz so schlecht. Maite ist ja allmählich auch alt genug, um Kathy ein wenig unter die Arme zu greifen. Natürlich hilft Barby auch viel, ebenso wie alle, auch wenn wir den Jungs manchmal ein bisschen in die Hintern treten müssen – aber auch das liegt in der Natur der Dinge.
»Gute Melodie«, lobt John. »Eingängig. Mach weiter, das wird gut.«»Danke, ich bin noch nicht so sicher«, meine ich ausweichend. »Paddy und Angelo sind noch nicht zurück?«
John schüttelt den Kopf. »Nein, und es wird auch schon verdammt spät. Ich schwör dir, wenn die beiden nicht bald auftauchen, kann ich bei Kathy für nichts mehr garantieren.«
»Aber sie wollten doch nur zum Plattenladen«, versuche ich auch mich selbst zu beruhigen. »Jimmy und Joey werden bestimmt auf sie achtgeben.«
»Ja, wo sie das so gut bei sich selbst hinbekommen«, bemerkt John leicht ironisch und ich muss unwillkürlich schmunzeln.»Naja, komm, bei den beiden Kleinen nehmen sie sich immer zurück«, nehme ich meine Brüder in Schutz, obwohl ich mir doch selbst schon wieder Sorgen mache.
»Aber jetzt mal ganz im Ernst, Trisha«, beginnt John da, und ich spüre sofort, dass meinem älteren Bruder etwas auf der Seele brennt. Etwas ziemlich ernstes, so wie er schaut. »Sie hängen doch nicht den ganzen Nachmittag im Plattenladen rum.«
Stirnrunzelnd schaue ich auf. »Was sollen sie denn sonst machen?«, nehme ich Jimmy und Joey weiter in Schutz. Ich kann mir bei weitem nicht erklären, was John mir sagen will.
John hebt die Schultern. »Findest du’s nicht seltsam, dass sie so lange unterwegs sind und nicht einmal sagen wollen, was sie treiben?«, stellt er die Gegenfrage. »Ich hoffe jedenfalls für sie, dass sie in nichts hineingeraten sind.«
Erschrocken lasse ich beinahe meine Gitarre fallen. »Du meinst…«, beginne ich fassungslos. »Aber doch niemals Jimmy und Joey. Sie haben schon viel Blödsinn gemacht, aber doch niemals geklaut oder so.«
»Ich hoffe es wirklich«, meint John mit sorgenvoll gerunzelter Stirn. »Also, wenn sie morgen wieder losziehen… ich weiß ja echt nicht.«Ich kann nicht verhindern, dass meine Finger ein wenig zittern, als ich die Gitarre zur Seite lege. »Ach, don’t talk nonsense, Johnny«, bitte ich ihn dann. »They wouldn’t do something like this. Never. I trust them.«
»Ich ja auch«, seufzt John. »Aber ich versteh trotzdem nicht, warum sie so ein Geheimnis daraus machen.«
»Let’s just ask them«, schlage ich vor. »Wenn sie wieder zurück sind.«
Aber ich kann nicht verhindern, dass ein ungutes Gefühl zurückbleibt. Zu viele Fragen, die mich vielleicht gar nichts angehen, aber Jimmy und Joey sind meine Brüder. Johns Zweifel haben einen Nerv getroffen. So ein Unsinn, versuche ich mein aufgewühltes Inneres zu beruhigen. Niemals würden Jimmy und Joey irgendetwas Dummes tun, schon gar nicht, wenn die beiden Kleinen dabei sind. Sie wissen, was alles auf dem Spiel steht.
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Jimmys Geheimnis
RomanceKöln, Juni 1993. Seit einiger Zeit verhält Jimmy sich sehr seltsam. Er blockiert ständig das Telefon, verbringt viel Zeit in der Stadt, und das verdächtigste: er ist zuvorkommend und freundlich! Ein Fall für Paddy und Angelo, die unbedingt herausfi...