Valentina
Jimmy schweigt für ein paar Augenblicke und ich fürchte schon, zu weit vorgeprescht zu sein. Aber wir sind jetzt schon eine Weile zusammen, auch wenn man das nicht so genau bemessen kann, weil Jimmy natürlich kaum da ist. Aber so ist unsere Beziehung, es zählt die Zeit, in der er da ist, und er bemüht sich unfassbar, jede freie Minute für mich freizuschaufeln. Und dass er jetzt, so kurz vor dem großen Konzert in der Westfalenhalle, noch weniger Zeit hat, ist mir sehr bewusst. Aber ich möchte, dass er meine Freunde kennenlernt, die natürlich inzwischen wissen, dass es wieder einen Mann in meinem Leben gibt. »Jimmy?«, wiederhole ich. »Bist du noch da?«
»Ähm, ja, entschuldige«, sagt Jimmy. »Ich… weiß nicht, wann ich morgen kann, Babe. Wir haben nachmittags noch Konzertproben, und…« Er stockt kurz, holt dann tief Luft. »Aber… Rockparty, sagst du?«
Ich grinse. Ich wusste, dass ich ihn damit kriege. Auch, wenn wir uns bisher noch nicht in der Öffentlichkeit gezeigt haben, wird das die perfekte Gelegenheit. Nach ein paar Fernsehinterviews und dem Auftritt mit Key to my heart bei der ersten Bravo Super Show vor einem Monat liegt die Aufmerksamkeit der Fans ohnehin bei Paddy und Angelo. »Jaah, Rockparty. Andi hat die beste Plattensammlung ever, ich schwöre.«
»Okay, ich bin dabei«, zeigt sich Jimmy doch begeistert. »Ich weiß nur noch nicht, wann ich da sein kann.«
»Alles gut, das weiß ich doch«, versichere ich ihm. »Schreib dir am besten die Adresse des Clubs auf, dann kannst du direkt hinkommen. Ich bin wahrscheinlich so ab 22 Uhr dort.«Doch ein wenig aufgeregt style ich mich am nächsten Abend für die Party. Eigentlich wollte meine engste Freundin Caro vorbei kommen, aber da ich nicht wusste, ob Jimmy doch früher kommt, haben wir verabredet, uns erst im Club zu treffen. Nach kurzem Überlegen entscheide ich mich für ein durchsichtiges braunes Top, darüber eine schwarze Lederjacke. Jeansshorts dazu, meine Stiefel, die Haare offen auf den Rücken fallend – fertig. Ich liebe Andis Partys, es ist perfekt zum Abschalten nach einer Woche vollgestopft mit Arbeit und Uni.
Als Jimmy um halb zehn noch nicht da ist, mache ich mich auf in den Club, der schon gut besucht ist, als ich eine Viertelstunde später dort ankomme. Andis Partys sind beliebt, er kennt Unmengen Leute und sein Bruder Oliver lässt regelmäßig Anzeigen in den Kölner Tagesblättern schalten.»Hi, Süße«, umarmt mich Caro eng. Auch sie hat sich entsprechend im Grunge-Style aufgebrezelt, wir beide lieben Nirvana und Guns N‘ Roses und sind Dauergäste auf Andis Rockpartys. »Bist du allein?«
»Ähm, ja«, gestehe ich und Caro zieht eine Augenbraue hoch. »Jimmy kommt noch. Er… hatte noch einen anderen Termin.«
Caro seufzt. »Bist du sicher, dass er noch kommt?«
»Natürlich bin ich sicher«, erwidere ich, packe dann ihre Hand und deute auf die Tanzfläche. »Jetzt lass uns tanzen gehen.«Wir winken Andi hinter seinen Turntables zu und mischen uns erst mal unter die Tanzenden. Nach zwei, drei Songs drängen wir uns zum DJ Pult durch, begrüßen Andi mit einer Umarmung und nehmen dankend die Getränke an, die er bereits geordert hat. Kurz darauf versammelt sich auch der Rest meiner Clique um uns. Die meisten kenne ich seit der Schule, viele studieren ebenfalls, Flo und Nicole auch Jura.
Um elf ist Jimmy immer noch nicht da, und allmählich fühle ich ein wenig Enttäuschung in mir aufwallen. Aber ich weiß doch nur zu gut, wie es ist.
»Wo bleibt denn dein Lover, Tina?«, ruft mir mein Kumpel Flo zu.
»Ey«, drohe ich ihm mit dem Zeigefinger. »Jimmy ist nicht mein Lover. Er kommt noch. Habt ihr noch was zu trinken?«
»Logisch«, reicht Flo, den ich seit der Grundschule kenne, mir das nächste Glas. »Wodka Energy, gerade frisch geholt. Müssen ja offenbar noch n bisschen durchhalten.«Ich werfe ihm einen bösen Blick zu, nehme dann aber das Glas. Es wird halb zwölf, und obwohl wir meist bis zwei, drei Uhr nachts feiern, wird die Enttäuschung deutlicher. Ich wollte eigentlich nicht nur zwei Stunden mit Jimmy hier sein. Vielleicht war es ein blöder Vorschlag, ich wusste doch, wie eingespannt er…
»Hi there, beauty«, vernehme ich plötzlich eine raue Stimme hinter mir, direkt an meinem rechten Ohr, eine Gänsehaut kribbelt über meinen Körper und ich muss kurz die Luft anhalten, um Jimmy nicht gleich um den Hals zu fallen. »Sorry, I’m very late.«
»Jaah, bist du«, kann ich mir den Seitenhieb nicht verkneifen, dann aber drehe ich mich doch um und umarme ihn.
Ich muss schmunzeln, weil Jimmy sich die Haare so geflochten und unter das schwarz-weiße Bon Jovi-Shirt gesteckt hat, dass es beinahe so aussieht als hätte er kurze Haare. Er trägt eine schwarze Lederhose dazu und lächelt dann doch verschmitzt.
»Meine beste Freundin, Caro«, stelle ich dann zuerst Caro vor. Sie begrüßt Jimmy zwar freundlich, aber ich sehe ihr an, dass sie alles andere als begeistert ist. Und natürlich weiß ich, warum.
»Hi, Jimmy«, erwidert Jimmy.
»Jimmy, was trinkst du?«, brüllt Flo über den Pearl Jam-Sound.
»Ähm… Bier?«, fragt Jimmy, leicht verwirrt, und bekommt ein Glas. »Pearl Jam find ich schon mal gut«, zwinkert er mir dann zu.
»Andi hat noch mehr drauf«, verspreche ich und ziehe Jimmy nach dem ersten Anstoßen auf die Tanzfläche.
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Jimmys Geheimnis
Roman d'amourKöln, Juni 1993. Seit einiger Zeit verhält Jimmy sich sehr seltsam. Er blockiert ständig das Telefon, verbringt viel Zeit in der Stadt, und das verdächtigste: er ist zuvorkommend und freundlich! Ein Fall für Paddy und Angelo, die unbedingt herausfi...