Gestern saß ich noch mit Carl romantisch am See in Alexandria und heute schaufel ich sein Grab. So schnell kann das Leben vorbei sein und das nicht nur für den Menschen der wirklich tot ist, sondern auch für seine Angehörigen. »Erzähl mir von ihr. Von der Person, bei der du mit gestorben bist als sie gegangen ist« hallte mir seine Stimme durch den Kopf. »Du« hörte ich nun meine Stimme durch den Kopf fliegen »Du bist es« hörte ich es wieder. Die gestrige Nacht wiederholte sich immer wieder in meinem Kopf. Gestern Nacht bin ich auch gestorben und bei jeder Schaufel voll Erde, die ich mit Rick aus dem Grab hievte, wurde es mir immer wieder aufs neue bewusst. Die gestrige Nacht wurde zu dem neuen schlimmsten Tag meines Lebens. Ich dachte, mit ansehen zu müssen wie mein Vater stirbt, würde mich brechen. Oder die Gewissheit, dass mein Bruder tot ist, doch die gestrige Nacht hat alles übertroffen. Zu wissen, dass ich Carl nie wieder in die Arme schließen könnte, machte mich innerlich so kaputt, dass ich kaum noch denken konnte. Alles erinnerte mich an ihn. Der See wo er mich das erste Mal endlich fragte, ob wir zusammen sein wollen, mein Bett wo wir viele und schöne gemeinsame Nächte verbracht haben und natürlich seine Couch wo ich letztendlich unsere ersten und letzten Momente genossen habe. Als das Loch tief genug war, schaute ich zu Rick hoch. Als er nickte, kletterte ich raus. Er hat noch nie ein Wort mit mir gewechselt und das ist auch der Grund, weshalb ich schon überlegt habe, nach Hilltop zu ziehen. Jetzt wo Carl nicht mehr da ist, gibt es nichts mehr, was mich hier hält. Rick konnte mich noch nie leiden, genauso wie die anderen Leute aus Alexandria. Auch mit Negan und Daryl, wollte ich im Moment nichts zu tun haben. Als ich sah, wie Rick Carls Leiche in einem Sack aus dem Haus holte, bin ich schnell in mein Zimmer gegangen, um die nötigen Dinge zusammen zu packen, um nach Hilltop zu ziehen. Ich packte hauptsächlich meine Klamotten. Das für mich wichtigste war das Halstuch, was ich noch immer um meinen Hals trug. Ich war so in das Packen vertieft, dass ich garnicht merkte, dass Daryl in meiner Tür stand. »Was machst du da« fragte er. Ich sah ihn nicht an und suchte weiter meine Sachen zusammen. Er ist schon länger wieder aus der Zelle, doch ich habe den Kontakt weitestgehend gemieden. Seit dem Vorfall habe ich nicht mehr mit ihm gesprochen. »Packen« sagte ich monoton.
»Wofür« fragte er.
»Hilltop« sagte ich wieder ohne jegliche Emotion. Ich nahm meinen Rucksack und lief an ihm vorbei, ohne ihn anzusehen.
»Jetzt warte doch mal« sagte er und hielt mich am Oberarm. Ich löste mich von seinem Griff und ging weiter. »Madison bitte« sagte er nun fast flehend und lief mir hinterher. An der Haustür drehte ich mich um und sah ihn genervt an. »Was« sagte ich mit rollenden Augen. Als ich ihn musterte, fiel mir erstmals sein schrecklicher Zustand auf. Er hat dunkle, schon fast schwarze Schatten unter den Augen und seine Haut war so blass wie, die von Carl als er starb. Außerdem hatte er leicht bläuliche Lippen und sein Gesicht war faltig und eingefallen. Er sah schrecklich aus. »Es tut mir leid« sagte er nur. Ich reagierte nicht, sondern lief einfach weiter. Geradewegs zum Tor. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich Rick und noch ein paar andere an Carls inzwischen fertigem Grab stehen. Ich ignorierte sie und sah nicht mal rüber. Ich ließ mich von nichts ablenken. Auch das Bedürfnis nach Negan zu sehen, hatte ich nicht. Ich lief einfach einsam und allein in voller Stille nach Hilltop.Als ich die Tore von Hilltop passierte, erfüllte sich eine Art Wärme in mir. Mir ging es schon viel besser. Die Menschen waren freundlicher und die Stimmung fröhlicher. Ich freute mich wirklich einige Gesichter mal wieder zu sehen. Genau so sehr wie einige nicht so schnell wieder sehen zu müssen. Ich entschloss mich, niemandem von Carls tot zu erzählen, damit ich mir nicht wieder diese bemitleideten Blicke ansehen muss. Ich lief zu dem Haus, in dem Gregory lebte, um mir einen Schlafplatz zu angeln, doch als ich in sein Büro kam, sah ich nicht ihn, sondern Maggie mit einem dicken Babybauch vor dem Schreibtisch stehen.
»Oh tut mir leid« sagte ich und ging einen Schritt zurück »Ich hätte anklopfen sollen« sprach ich weiter. Mit Maggie hatte ich nie das beste Verhältnis. Ich wusste, dass sie gewisse Vorurteile mir gegenüber hegte, was ich auch verstehen konnte, doch zu meiner Überraschungen winkte sie mich rein und setzte sich hin. Sie bat mir einen Stuhl auf der anderen Seite des Tisches an, den ich dankend annahm. Ich habe so gut wie jede Person hier in Alexandria kennengelernt und verstand mich auch sehr gut mit ihnen. Dank meines Unfalls damals, habe ich ja schon einige Zeit hier verbracht.
»Herzlichen Glückwunsch« fing ich das Gespräch an und zeigte verlegen auf ihren Bauch »Und mein herzliches Beileid« fügte ich noch hinzu. Wegen Glenn.
»Ich spreche auch meins aus« sagte sie. Ich schaute sie fragend an. »Habe es gerade erfahren« erklärte sie es »Ich wusste wie nah ihr euch standet« fügte sie noch hinzu. Sie hat mich und Carl schon eine ganze Zeit zusammen erlebt, als ich hier gewohnt habe. Ich nickte »Danke« murmelte ich. Maggie nickte zu meinem Gepäck. »Anhand deines Gepäcks, gehe ich mal davon aus, dass du nicht vorhast in Zukunft wieder zu gehen« sagte sie.
»Nein. Also ich habe gehofft hier bleiben zu können für eine Zeit« ich räusperte mich »Oder auch für immer« ich nahm einmal tief Luft und blinzelte meine Tränen weg »In Alexandria werde ich die ganze Zeit an ihn erinnert. Ich kann da nicht mehr leben« begründete ich meinen Wunsch. Maggie nickte verständnisvoll.
»Ja, verstehe ich kein Problem. Jesus wird dir ein Zimmer geben« sagte sie. Ich nickte dankend und im nächsten Moment kam Jesus auch schon durch die Tür.
»Ich habe gespürt, dass mein Name gefallen ist« sagte er glücklich und trat ein. Als ich ihn sah, stand ich auf »Maddy« sagte er glücklich und öffnete die Arme um mich zu umarmen. »Schön dich endlich mal wieder zu sehen! Wo hast du deine bessere Hälfte gelassen?« fragte er mit einem lachen. Aus dem Augenwinkel sah ich Maggie, wie sie traurig den Kopf schüttelte. »Verstehe« sagte er betrübt. »Also wie kann ich euch hübschen Damen helfen?« fragte er weiter mit einem grinsen.
»Gibst du ihr ein Zimmer?« sagte Maggie nur und schon wusste er, was er zu tun hatte. Er nickte, nahm mir mein Gepäck weg und führte mich zu einem großen Haus. Als wir reingingen sah ich viele Jugendlichen in meinem Alter, die zusammen kochten, aßen oder diverse Gesellschaftsspiele spielten. Jesus drückte mich rein und gab mir eine Führung. Die Küche und das Wohnzimmer waren groß und geräumig. Und wie auch in dem Haus, in dem ich mit Daryl gelebt hatte, offen. Als ich mit Jesus die Wendeltreppe hochging, stand ich in einem großen Flur mit vielen Türen. Am jeder Tür hingen von außen Schilder mit Namen. »Hier leben Kinder, hauptsächlich in deinem Alter harmonisch und glücklich zusammen« erklärte er. »Wir haben auch unser Nesthäkchen. Er ist gerade mal sieben« erzählte er weiter während er mich zu einer Tür zog und sie öffnete. Das Zimmer hat außer einem Schreibtisch mit Stuhl, einem Bett und einem Kleiderschrank nicht viel. »Du kannst es dir einrichten und gestalten wie du willst« sagte er. Ich drehte mich zu ihm um.
»Danke« entgegnete ich.
»Es wird dir hier gefallen. Da bin ich mir sicher! Und ob du es glaubst oder nicht, die und die Kinder hier sitzen alle im selben Boot« ich nickte.
»Ein Heim also« stellte ich fest. Jesus schwieg einen Moment.
»Ja so ziemlich nur in besser« erklärte er. Ich zog die Augenbrauen hoch. »Naja, so ganz ohne Betreuer« sagte er. »Ohne erwachsenen« fügte er noch hinzu. Ich nickte nur stumm und lief in den Raum. Jesus stellte meinen Rucksack ab und zog die Tür langsam zu. »Du wirst es hier lieben« sagte er noch bevor er die Tür zu zog und verschwand. Ich ging zum Fenster, um erstmal meine Sicht zu beurteilen. Tatsächlich war sie ziemlich gut. Man konnte einmal über ganz Hilltop schauen. Ich ging zum Schrank und packte meine Sachen aus. Das wird wohl jetzt mein zu Hause sein.Nachdem ich fertig war mit auspacken und Kinder mustern, öffnete ich die Tür und ging nach draußen. Niemand interessierte sich für die neue, doch das war mir gleich. Ich war wirklich froh, dass jeder den ich ansah, dasselbe Problem hatte wie ich. Als ich unten am Fuß der Treppe stand, lies ich meinen Blick durch den großen Raum streifen. Doch er blieb hängen, an einem kleinen Jungen mit einem Hut, der allein auf dem Sofa saß und malte. Ich ging langsam ein paar Schritte auf ihn zu und als ich erkannte, wer es war, stockte mir der Atem. »Nils?« sagte ich verwundert. Sofort drehte er sich um und strahlte mich an. »Maddy« sagte er grinsend und lief mit offenen Armen auf mich zu. Er trug immer noch die Augenklappe, den Hut und mein Medaillon. Er umarmte mich fest und fing wieder an zu reden. »Ich habe dich vermisst. Dich und Carl. Wo ist er?« platze es förmlich aus ihm heraus. Ich antworte nicht, sondern zeigte nur auf sein Bild. »Was malst du denn da schönes?« fragte ich. Er rannte zum Sofa, holte das Bild und hielt es mir vor die Nase. Auf dem Bild waren drei Personen zu erkennen. Er zeigte nach einander auf jede einzelne. »Mom, dad und ich« sagte er fröhlich. »Damit ich sie nie vergesse« erklärte er sein Bild. »Vergiss mich nicht, Maddy« hallte es durch meinen Kopf. Ich lächelte gezwungen, doch hinter meinem Lächeln war ein gebrochenes Herz. Der Junge hatte seine Mutter verloren. Marsha war tot.
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Déjà-vu || TWD Carl Grimes FF
Fanfiction»Als ich dich zum ersten Mal sah, habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, dich zu reparieren.« »Und sieh mich jetzt an. Ich bin kaputter als je zuvor.« ----- Madison ist vierzehn als plötzlich eine Epidemie ausbricht und die Welt zum Stillstand bringt...