7.

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POV: Maja

Am nächsten Morgen gehe ich ins Café, um Simon mitzuteilen, dass ich nicht mehr für ihn arbeiten kann. Zu meiner Überraschung hat er zum Glück nichts dagegen, da es nur ein Minijob ist. Also wandere ich strahlend mit einem Americano in der Hand direkt ins Cloud 9. „Good Morning", rufe ich Enitan zu, als ich reingehe. „Womit kann ich anfangen?", frage ich gut gelaunt.

„Komm mit. Ich führe dich erstmal herum", antwortet er schlicht und läuft vor, während ich ihm stumm folge. Er hat mich wieder geduzt. Seit gestern duzt er mich ständig und ich will wissen warum. „Warum duzen Sie mich eigentlich auf einmal?", frage neugierig. Ohne stehen zu bleiben antwortet er. „Ich sieze meine Angestellten nicht. Außerdem sind wir uns bereits oft genug über den Weg gelaufen, um das Siezen zu unterlassen." Ich schmunzele. „Willst du damit etwa sagen, dass wir jetzt Freunde sind?", duze ich ihn jetzt auch. Jetzt kann er sich ein schmunzeln auch nicht verkneifen. Kaum erkennbar aber trotzdem da. „Natürlich nicht."

Die nächsten Stunden erklärt er mir alles auf den kleinsten Detail, was ich wissen muss und führt mich dabei weiterhin herum. Ich versuche gerade auswendig zu lernen, welche Abteilung zu welcher Bücherkategorie angehört, da taucht mir der Gedanke von gestern wieder in den Kopf und mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Sein Gesicht war meinem so verdammt nah. Diese dunklen braunen Augen. Diese tiefe Stimme... Ich schüttle schnell den Kopf. Warum zur Hölle denke ich daran? Dann zucke ich zusammen, als ich bemerke, dass Enitan hinter mir steht. „In zwei Tagen kommen neue Bücher Bestellungen an. Wir müssen die Bücher in dem letzten Regal aussortieren und die neuen einsortieren." Ganz kurz fixiere ich mich auf seine Augen, die mich durch dringlich mustern. Dann senke ich schnell meinen Blick. „Alles klar."

Als ich mich dann irgendwann langweile, stehe ich vom Sitzsack auf und laufe zur Theke, wo Enitan steht. Sein Blick ist konzentriert auf dem Computer Bildschirm, was ihn attraktiver aussehen lässt.
Ich schleiche mich von hinten an und beobachte ihn leise. Dann fällt mein Blick auf die Bücher, die zerstreut auf der Theke herumliegen.
„Liest du auch Bücher von Coraline Raineé? Ich bin ein großer Fan", unterbreche ich die Stille und greife nach eines der Bücher. Ich bin sogar ein riesengroßer Fan. Sie ist meine Lieblingsautorin. Mein Idol. Sie ist diejenige, die mich immer motiviert weiter zu schreiben und nicht aufzugeben. Er wendet seinen Kopf überrascht zu mir, als hätte er mich gar nicht wahrgenommen. „Nein. Nicht wirklich. Meine Mutter schickt sie mir immer", antwortet er knapp und dreht sich wieder desinteressiert zu seinem Computer. „Deine Mutter hat Geschmack", murmele ich begeistert, eher zu mir selbst.

Als ich durchblättere fällt mir auf, dass es noch nicht veröffentlichte Auflagen sind. Ich habe alle ihre Bücher bereits gelesen und diese kommt mir nicht bekannt vor. Also frage ich erstaunt: „Wo hat deine Mutter sie her? Soweit ich weiß kommen sie erst nächstes Jahr raus." Er schaut nicht einmal auf, als er uninteressiert antwortet: „Stimmt. Sie will, dass ich es lese und ihr meine Meinung sage. Sie wollte nämlich noch einige Sachen umschreiben."
Mir stockt der Atem. Ach. Du. Heilige. Scheiße.
„CORALINE RAINEÉ IST DEINE MOM?", rufe ich geschockt. Dann muss ich mich wieder an den Tag erinnern, als ich nach ihm im Internet recherchiert habe und dabei einige Kommentare von den ein oder anderen Kunden gefunden hatte, die einpaar Informationen über Enitans Privatleben preisgaben und unter anderem über seine Eltern. „Aber.. aber ich dachte sie ist Architektin-", erwidere ich stotternd.
Wie kann Enitan Bradly der Sohn eines so tollen, lebensfreudigen und erfolgreichen Frau sein?
Dann stelle ich verlegen fest, dass ich ihn gerade indirekt mitgeteilt habe, dass ich ihn gestalkt habe und mehr über ihn weiß, als er denkt. Misst!

Ich beiße mir auf die Unterlippe und werde rot. „Natürlich habe ich dich nicht gestalkt. Ich habe das zufällig gelesen, als ich über das Cloud 9 recherchiert habe", versuche ich mich noch zu retten, was die Sache nicht besser macht.
Nun steht er mit einem Ruck auf und kreuzt die Arme vor der Brust. „Dann solltest du nicht alles glauben, was du im Internet liest. Außerdem habe ich das gar nicht behauptet aber wenn du meinst", sagt der mit einem kühlen Ton und kneift die Augen leicht zusammen. Er glaubt mir kein Wort, toll. „Keine privaten Fragen, schon vergessen?" Ich bin erleichtert, dass er nicht weiter drauf eingeht, dass ich ihn gestalkt habe und gleichzeitig traurig, dass ich ihn keine privaten Fragen stellen darf. Ich dachte es wird einfach ihn nichts privates zu fragen und verkacke bereits nach dem ersten Arbeitstag. Aber hallo? Ich habe gerade erfahren, dass er der Sohn meines Idols ist! Wie könnte ich nicht neugierig sein? „Komm schon! Kann ich sie treffen? Können wir sie besuchen?" Bei dem Gedanken sie in echt zu sehen, bekomme ich schon eine Gänsehaut. „Nein", raunt er ohne es sich überhaupt zu überlegen.

„Ich bitte doch nur um ein Treffen! Das wird mir total weiter helfen. Ich wollte sie schon immer mal in echt begegnen. Ich-", er unterbricht mich. „Ich habe nein gesagt." Schließlich steht er auf und schaltet sein Computer aus. „Wir sollten Schluss machen für heute." Dieser Mann ist unmöglich.

Am Abend gehe ich mit Alina spazieren, um auf andere Gedanken zu kommen. Jedoch ist es kein normaler Spaziergang, denn wir tragen keine normalen Klamotten. Wir tragen beide einen Jumpsuit Pyjama. Ich bin ein Panda und Alina ist ein Einhorn. Tatsächlich war es meine Idee. Als Alina vorhin nach Hause kam, nörgelte ich herum. Ich bin bereits seit ein paar Wochen hier in Oklahoma und wir sehen uns kaum, weil sie ständig arbeiten muss. Also schlug ich vor, etwas zu unternehmen. So kamen wir auf die wunderbare Idee mit Pyjamas rauszugehen. „Lust auf MCs?", frage ich Alina grinsend. Sie lacht und nickt direkt.

Wir sitzen nun am Tisch und warten auf unsere Bestellung. „Und wie läufts so mit Enitan? Habt ihr euch schon in die Haare gekriegt?", bringt sie ironisch hervor und tippt auf ihrem Handy herum.
Sofort muss ich wieder an heute Mittag denken und seufze automatisch. Als sie merkt, dass ich stumm bleibe, schaut sie schnell auf. „Im ernst jetzt?", fragt die geschockt. Also beginnt ich zu erzählen.

„Seine Mom ist Coraline? WHAT?", ruft sie genauso geschockt wie ich, als ich es erfahren habe. „Pshh! Nicht so laut", flüstere ich ihr zu, als ich bemerke, dass einpaar andere Leute zu uns rüber schauen.
Er ist so fies. Er hätte es sich wenigstens überlegen sollen. Aber nein, er muss ja so ein eiskaltes Arschloch sein. ‚Keine privaten Fragen, schon vergessen?' Pff, als würde mich sein Privatleben interessieren. „Er kann sich die nächsten Tage auf etwas gefasst machen."

Gesagt. Getan. Die nächsten zwei Tage verhalte ich mich total kühl gegenüber Enitan und ignoriere ihn so gut es geht.
Er unterschreibt gerade die Zettel, die ihm der Lieferant hinhält, als ich versuche die schwere Kiste reinzutragen. Auf dem halben Weg komme ich etwas ins schwanken. Es ist schwerer als gedacht. Ich möchte es gerade auf den Boden ablegen, als Enitan sie mir abnimmt. „Ich habe dir bereits gesagt, dass die Kisten schwer sind und ich sie selbst reintragen werde."
Ich schaue ihn kühl an. „Wieso? Denkst du, ich kann das nicht tragen, weil ich eine Frau bin?", sage ich verärgert. "Ich kann das auch alleine. Ich brauche deine Hilfe nicht."
Ich möchte es ihm wieder abnehmen, er lässt mich jedoch nicht. "Das habe ich gar nicht gemeint." Ich verdrehe die Augen und gehe verärgert davon, weil ich weiß, dass ich sowieso keine Chance gegen ihn habe. Bei dem hinteren Regal angekommen, beginne ich die alten Bücher auszusortieren. Währenddessen trägt Enitan die Kartons von draußen rein und stellt sie neben mir auf den Boden.

„Du kannst die Bücher in die leere Box stellen", unterbricht er anschließend die unangenehme Stille.
Ich antworte ihm nicht, setze aber trotzdem seinen Befehl um. Dann höre ich seine schweren Schritte auf mich zukommen. Er bleibt hinter mir stehen. Ich arbeite jedoch weiter und tue so als würde ich ihn nicht bemerken. Dann greift er plötzlich nach meinem Handgelenk und dreht mich um, sodass ich ihn anschauen muss. Mein Puls rast wie verrückt. Ich beiße mir auf die Zunge, um mich zu beruhigen. „Kannst du damit aufhören?", raunt er mit seiner tiefen Stimme und lehnt sich mit seiner anderen Hand gegen das Regal hinter mir. Er mustert mich mit seinem düsteren Blick. Mein Herz macht einen Sprung. Ich versuche mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen. „Womit den?" Ich tue so, als würde ich ihm nicht folgen können. „Ach komm, du weißt ganz genau wovon ich spreche! Seit zwei Tagen ignorierst du mich."
Ich halte kurz inne.
„Und was wenn? Stört dich das so sehr? Schließlich gehst du auch mit jedem so um, wie du willst. Oder bist du nicht dran gewöhnt genauso kühl behandelt zu werden?", ringe ich nach Worten, befreie ich mich aus seinem Griff und gehe verärgert davon. Das war das letzte mal, dass wir uns an diesem Tag unterhielten. Danach gingen wir uns weiterhin aus dem Weg.
Während ich die ganzen Bücher einsortierte, beschäftigte sich Enitan wieder am Computer. Trotzdem spürte ich ständig seine Blicke auf mir.

Als ich am Tag darauf unmotiviert ins Cloud 9 komme, möchte ich am liebsten gleich wieder raus. Den ganzen Tag foltert er mich mit Aufgaben. Eine Aufgabe nach dem anderen. Ohne Erbarmen. Erst lässt er mich den Boden wischen, dann bringe ich verschiedene Kartons in den Abstellraum, sortiere erneut ein paar Bücher aus und stelle zurückgebrachte Bücher zurück auf ihren Platz. So lässt er also seine Wut an mir aus. Er lässt mich schuften. Was ein Mistkerl!
„Was soll der scheiß? Warum gibst du mir heute so viele Aufgaben?", beschwere ich mich nach einigen Stunden. Es reicht. Wie lange möchte er noch dieses Spiel spielen? „Wenn es dir nicht passt, kannst du kündigen", antwortet er knapp und blickt nicht einmal auf. Er möchte das ich kündige also. So einfach lasse ich mich aber nicht abschrecken.

Dann spielen wir eben.

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