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POV: Maya

Um 15:55 Uhr stehe ich vor Enitans Haustür und überlege, ob ich anklopfen oder warten soll, bis es Punkt 16 Uhr wird. Ich hatte sein Haus von vorne tatsächlich noch nicht gesehen, also nutze ich die Gelegenheit und schaue mich ein wenig um. Auf der Einfahrt steht sein Wagen. Es ist ein roter Jeep Wrangler und sieht ziemlich teuer aus. Er hat sogar einen kleinen Vorgarten, dass ziemlich gut gepflegt aussieht.

Ich streiche mein Sommerkleid glatt, dass ich gestern ausgesucht habe und entscheide mich dafür anzuklopfen. Nach einigen Sekunden wird auch schon die Tür geöffnet. „Hey." Es überrascht mich ein wenig, dass er nur ein weißes Shirt und eine dunkle Hose trägt. Es ist sehr selten, dass er kein Mantel trägt. Vielleicht hat er ja endlich erkannt, dass es für einen Mantel in Oklahoma im Herbst viel zu warm ist. Obwohl zugegeben ihm die Mäntel, die er ständig trägt hervorragend stehen. Aber ein klassisches weißes Shirt betont umso mehr seine breiten Schultern und es erinnert mich an unsere erste Begegnung, als... „Können wir los?"Er reißt mich aus den Gedanken und schließt die Tür hinter sich.

Wir steigen daraufhin in seinem roten Jeep Wrangler ein. Als ich mich anschnallen möchte, klemmt der Kurt irgendwie fest. Ich ziehe so feste ich kann, kriege es aber trotzdem nicht hin. Im nächsten Moment bückt Enitan sich zu mir rüber und für einen kurzen Augenblick streifen sich unsere Gesichter und ich ziehe scharf die Luft ein, bevor er mich anschnallt und sich zurückzieht. Ich bedanke mich verlegen und er fährt im nächsten Moment auch schon los.

„Wie lange fahren wir eigentlich?", frage ich nach 5 Minuten aufgeregt. „Knappe zwei Stunden"
Mein Mund klappt auf. „Was? Echt jetzt?"
Er nickt stumm. „Wo genau fahren wir denn hin?", möchte ich wissen.
„Nach Tulsa."
Scheiße. Wieso habe ich nicht nachgeschaut, wo Coraline wohnt. War ja klar, dass sie nicht hier nebenan wohnt.
Ich öffne meine kleine Tasche und verfluche innerlich, als ich sehe, dass ich meine Kopfhörer nicht eingepackt habe. Das einzige was sich in meiner Tasche nämlich befindet ist mein Handy, eine Packung Kaugummi, eine Mascara, ein Lippenstift, Binden und ein Buch, dass offensichtlich von Coraline ist. Wenn ich schon die Möglichkeit habe, eine Unterschrift zu bekommen, dann nutze ich sie auch. Trotzdem wird diese Autofahrt mein Untergang sein.

Ich schließe für die nächsten 10 Minuten die Augen mit der Hoffnung es würde was bringen. Falsch gedacht. Genau in diesem Moment beginnt es mir schlecht zu werden.
Seitdem ich klein bin, schaffe ich es nicht mehr als 15 Minuten mit dem Auto zu fahren ohne, dass es mir schlecht wird. Und jetzt fängt es schon wieder an. ‚Einatmen, ausatmen! Einatmen, ausatmen!', höre ich mich selbst sagen.

„Geht es dir gut?", höre ich Enitans sanfte Stimme fragen und öffne langsam die Augen.
„Mir ist schlecht", gestehe ich. Jetzt schaut er mich besorgt an. Und ich meine es tatsächlich erst! Enitan Bradly ist besorgt um mich. Würde mir nicht Kotzübel sein, würde ich sofort mein Handy rausholen und ein Foto schießen.
„Soll ich langsamer fahren? Oder lieber anhalten?"
Ich schüttle vorsichtig den Kopf. So wird die Fahrt nur umso länger dauern.
„Normalerweise höre ich Musik mit Kopfhörern aber ich habe keine mitgenommen, weil ich nicht wusste, dass die Fahrt so lange dauern würde."
Als ich zu Ende gesprochen habe, öffnet er das Handschuhfach vor mir, ohne den Blick auch nur eine Sekunde von der Straße zu nehmen und hält mir eine kleine schwarze Kopfhörer Schachtel hin.

Dankend nehme ich es entgegen und stöpsele sie in meine Ohren. Dann greife ich nach meinem Handy und klicke auf eine zufällige Playlist.
Ich schließe wieder die Augen und konzentriere mich auf die Musik. Als ich dann Wind gegen mein Gesicht wehen spüre, muss ich schmunzeln, weil ich weiß, dass Enitan das Fenster neben mir geöffnet hat.

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