3.3 Der zweite Monat

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Janne brachte sie später zu einer großen Halle, in dessen Mitte ein Sandplatz stand. Die Spuren von Pferden und großen, vogelähnlichen Füßen waren auf dem Sand zu erkennen. Doch jetzt lag allein Jesko auf dem Sand und nahm fast die Hälfte des Platzes ein. Nicht weit von ihm stand Heidrun, die eifrig etwas auf ihrem kleinen Schreibpult kritzelte, den sie an ihre Bauchdecke lehnte.

Jesko nieste, als er sie sah und tapste zu ihnen hin. Seine Augen waren klar und ruhig. Manchmal fürchtete Finan sich davor, dass sein Ziehonkel wieder den Verstand verlieren könnte. Das er nicht mehr er selbst war.

»Und? Kann man ihm helfen?«, fragte Janne die schwarzbekleidete Frau.
»Ich wüsste nicht wie. Dies ist eine uralte Korruption, viel zu tief, als das ich versuchen könnte, sie zu brechen. Tut mir leid, aber er ist ein faszinierendes Wesen. Ich würde ihn gerne weiter beobachten, falls das erlaubt ist.«

»Ich muss bei ihm bleiben. Damit er nicht den Verstand verliert«, erklärte Elyon.
Janne nickte. »Wir werden ihn bald mitnehmen müssen, ich reise mit Elyon zu meiner Sippe.

Heidrun stöhnte laut. »Musst du mich jedes Mal daran erinnern, dass du einer der wenigen bist, die das Privileg besitzen, die Valkinen Berge betreten zu dürfen? Ich würde alles dafür geben, eure Sippe zu besuchen, um die Flughunde zu sehen. Und zwar in ihrem natürlichen Lebensraum.« Die Frau stöhnte laut. Dann nahm sie ihr Schreibpult in eine Hand und nahm es unter ihre Achsel. »Aber das gibt mir noch ein bisschen Zeit, meine Befunde zusammenzustellen. Und bis James Harlow und Bojing Cheng hier sind, seid ihr bestimmt wieder da, oder?«

»Erwarten wir ihren Besuch? Davon wusste ich noch gar nichts.« Janne wandte sich zu ihnen um.
»Beide sind Gelehrte aus unseren benachbarten Ländern. James Harlow kommt aus dem nördlichen Combroland und Bojing Cheng aus dem östlichen Goldenen Kaiserreich. Sie kommen regelmäßig zu uns n die Stadt, um sich mit unseren Gelehrten auszutauschen und beide studieren hauptsächlich Korruptionen. Sie werden sicher neue Erkenntnisse mitbringen und vielleicht können sie auch Jesko helfen.«

Elyons Augen leuchteten auf. Finan stöhnte leicht und Janne lachte.
»Ich sehe es schon, ich werde wohl eine Ausfragstunde mit Elyon verbringen müssen. Aber zügele deine Neugier noch ein wenig. Wir müssen Jesko erst mal wegbringen. Dann müssen wir noch eure neue Kleidung und eure Waffen abholen, Finans Eintrag in die Feuerschule genehmigen lassen und unsere Reise zu den Valkinen planen. Wir haben also noch einiges vor uns.«

Nun war es Finan, der aufleuchtete und Janne entgegentrat. »Hast du gerade Kleidung gesagt?«
»Ja, habe ich.«
»So was Ähnliches wie du und die anderen Wächter tragen? So rein zufällig?«
Janne lachte wieder. »Ja, rein zufällig kriegst du endlich die Stiefel, die du schon so lange bewunderst.«
»Hurra! Endlich! Los, kommt schon, wir haben keine Zeit zu verlieren! Ich will endlich aus diesen kratzigen Klamotten raus!«

Mit all den Erledigungen, die zu tun waren, verging der Morgen wie im Flug. Finan merkte gar nicht, dass es bereits Mittagszeit war. Nicht nur, weil der Winter hier dafür sorgte, dass er sein Zeitgefühl verlor, sondern weil er zu sehr damit beschäftigt war, durch die Gegend zu stolzieren, seine neuen Stiefel zu bewundern und einzulaufen und die weiche Kleidung auf seiner Haut zu genießen. Seine Stiefel waren so gut gefüttert, dass er kaum etwas von der Kälte durch seine Sohlen spüren konnte. Und obwohl er überglücklich über seine neuen Schuhe war, das, was Finan am meisten begeisterte, war sein roter Mantel und seine dunkelrote Hose. Es war nicht gerade seine Lieblingsfarbe, doch die Stoffe waren von so guter Qualität und die Rottöne so gut aufeinander angepasst, dass es seinem Stilgespür schmeichelte. Nun konnte er ohne Scham durch die Wächterstadt laufen, ohne dass ihm kalt war oder seine Haut kratzte. Und all dies hatte ihn keine einzige Münze gekostet. Die Wächter hatten ihnen die Kleidung geschenkt.

Elyons Erwachen | Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt