Genieße die kleinen (großen) Dinge

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"Du bist so still heute."

Alec blickte von dem Schneidebrett auf, das vor ihm auf der Arbeitsfläche lag und schaute zu Maia hinüber. Sie war gerade dabei, auch den letzten Eisbehälter von Eisresten zu befreien. Eine feine Falte trennte ihre Augenbrauen. Ein deutliches Zeichen, dass sie besorgt war.

"Als ob ich sonst immer viel reden würde", antwortete Alec ausweichend und füllte die letzte Schale mit kleingeschnittenen Früchten auf, die sie an diesem Abend benötigten. Seine Hände klebten von dem Fruchtsaft und er ging zum Spülbecken hinüber, um sich die Hände zu waschen.

"Heute bist du aber besonders ruhig. Du hast kaum drei Worte mit Bat und mir gewechselt und wirkst total abwesend", erwiderte Maia.

Alec lehnte sich gegen den Tresen und trocknete seine Hände mit einem Geschirrtuch. Er hatte die letzte halbe Stunde (eigentlich bereits den ganzen Tag) damit verbracht, über sich und Magnus und ihr gestriges Gespräch nachzudenken.

Alec war froh, dass sie miteinander gesprochen hatten. Das Herumtanzen um das eigentliche Thema hatte sie beinahe in eine Katastrophe geführt. Nun wussten sie beide, woran sie waren und was sie von dem anderen erwarten konnten. Sie hatten die Karten endlich offen auf den Tisch gelegt.

Alec würde zwar nicht das bekommen, was er sich eigentlich gewünscht hatte. Er gab die Hoffnung jedoch nicht auf. Noch nicht. Vielleicht würde sich in naher oder ferner Zukunft doch noch mehr zwischen ihnen entwickeln, als nur eine Freundschaft mit gewissen Vorzügen. Alec würde warten und bis dahin das genießen, das Magnus ihm schenkte.

Alec respektierte Magnus Grenzen. Er verstand, warum der Burlesque Tänzer noch nicht bereit war, sich auf etwas Ernstes und Neues einzulassen. Er hatte zwar noch keinerlei Erfahrungen diesbezüglich sammeln können, konnte sich aber vorstellen, dass es dauerte, bis man die Bindungen zu einer gescheiterten Beziehung gänzlich kappen konnte. Und so wie Magnus erzählt und reagierte hatte, war die Beziehung zu dieser Camille wohl mehr als nur eine kurze Liaison gewesen.

Alec hatte sich fest vorgenommen, Magnus nicht zu bedrängen und ihm alle Zeit zu geben, die er brauchte, um heilen zu können. Wenn er diesbezüglich helfen konnte und sei es nur als Mittel zum Zweck, so akzeptierte er auch das. Sie hatten sich schließlich darauf geeinigt, offen und ehrlich miteinander umzugehen und so würde Alec es auch handhaben.

Er würde behutsam mit Magnus Vertrauen und Nähe umgehen, genauso wie Alec wusste, dass auch Magnus es tun wird. Alec vertraute ihm, und zwar auf allen Ebenen, die sie nun miteinander verbanden. Er wusste aber auch, dass Magnus noch nicht bereit war, ihm so weit zu vertrauen, dass er alle schützende Wälle um sein Herz öffnen konnte. Alec hoffte, dass sich das eines Tages ändern würde.

Er hatte nicht gelogen, als er Magnus gesagt hatte, dass er sich alle Mühe geben würde, um ihm zu zeigen, wie lohnend es sein konnte, sich auf eine neue Reise zu begeben, die am Anfang womöglich beängstigend wirkte. Hatte er diese Erfahrung schließlich erst selbst gemacht, wenn auch mit anderem Hintergrund.

"Alec! Huhu, Erde an Alec!"

Alec blinzelte benommen. Maia stand nun direkt vor ihm, die Hände in die Hüfte gestemmt.

"Was ist denn bloß los mit dir?", fragte sie. Eine ihrer Augenbraue war hochgezogen und ihr Blick verriet deutlich, wie irritiert sie von seinem Verhalten war.

"Gar nichts", antworte Alec und hängte das Handtuch zurück an seinen Platz neben dem Spülbecken.

"Komm, verarsch' mich nicht. Du hast gerade geschlagene fünf Minuten ins Leere gestarrt."

Alec spitzte die Lippen.

"Nun ...", fing er an, doch dann verstummte er wieder. Magnus und er hatten bisher nicht darüber gesprochen, ob sie ihre Beziehung zunächst geheim halten wollten oder nicht. Nun, ganz geheim würden sie es nicht halten können. Schließlich hatten sie vor ein paar Tagen im Pandemonium mehr als nur deutlich gemacht, dass etwas zwischen ihnen am Laufen war. Alec wollte jedoch nicht, dass jemand erfuhr, in welche Richtung es sich bisher entwickelte hatte. Nicht, weil er sich deswegen unwohl fühlte. Nein. Er wollte Magnus schützen. Denn es würde sicherlich Fragen aufwerfen und er hatte den Eindruck, dass Magnus lange noch nicht bereit war, diese zu beantworten.

Boylesque (🇩🇪)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt