Ein Herz weint tausend Tränen

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Alec betätigte die Klingel von Simons Wohnung und vergrub seine Hände wieder in seine Jackentasche. Es war bitterkalt an diesem Morgen. Die Temperaturen lagen deutlich unter null Grad. Nicht das erste Mal in seinem Leben fragte Alec sich, warum er nicht in wärmeren Gefilden der Erde lebte und zog seinen Schal fester um seinen Hals. Er biss die Zähne fest aufeinander, um zu verhindern, dass sie die ganze Zeit aufeinander klapperten. Brr ... ein heißer Kaffee wäre jetzt die Rettung.

Eigentlich sollte er auch gar nicht hier sein, hier im Lower East Side Viertel, und sich den Arsch abfrieren. Eigentlich sollte er jetzt bei Magnus in dessen warmen, gemütlichen Bett liegen, eingekuschelt in eine weiche Decke und den Mann seiner Träume in seinen Armen.

Alec seufzte schwer und lange. Die Wut und Enttäuschung über das Geschehene waren inzwischen nur noch als ein dumpfes Pochen in seinem Herzen zu spüren. Auf dem Weg zu Simon hatte er die Gelegenheit gehabt, über alles nachzudenken. Dennoch wusste Alec immer noch nicht, was er von all dem halten sollte.

Auf der einen Seite konnte er sich nur schwer vorstellen, dass Magnus ihn angelogen und benutzt hatte, um seine Verlobte zu betrügen. Das passte nicht zu ihm. Er hatte ihn als einen einfühlsamen, hilfsbereiten und charmanten Mann kennengelernt und Alec wollte nicht glauben, dass er sich so in Magnus geirrt hatte. Doch auf der anderen Seite wusste er nicht, warum diese Camille ihm solch eine Lüge auftischen sollte. Sie kannten sich schließlich gar nicht.

Alecs Miene verdüsterte sich bei dem Gedanken an Camille. Irgendetwas war seltsam. Doch er konnte nicht ganz greifen, was es war. Magnus anfängliche Reaktion auf das Erscheinen seiner Ex-Freundin oder Verlobten oder was auch immer sie war, hatte ihn irritiert. Es hatte für einen Moment deutlich Angst sein Gesicht überschattet.

Alecs Gedanken wanderten weiter zu ihrem offenen Gespräch und all den anderen Situationen, die ihm verdeutlicht hatten, dass Magnus etwas mit sich herumträgt. Etwas, das weit über ein schmerzliches Ende einer Beziehung hinausging. Je mehr er die einzelnen Fäden und Hinweise der letzten Wochen zu einem großen Ganzen zusammenfügte und miteinander verband, umso größer wurde das Unbehagen in seinem Magen. Doch er konnte nichts tun, solange Magnus sich ihm nicht anvertraute und nach diesem Zwischenfall hatte sich erneut eine Kluft zwischen sie gegraben.

Inzwischen bereute Alec es, dass er einfach gegangen war, ohne die Situation mit Magnus vorab geklärt zu haben. Ja, er war in dem Moment enttäuscht und wütend darüber gewesen, dass Magnus ihn fortgeschickt hatte, aber jetzt, nachdem er ein wenig Abstand zu dem Ganzen erlangt hatte, zweifelte er an seiner übereilten Entscheidung.

Doch was, wenn Camille tatsächlich die Wahrheit gesagt hatte, schoss es ihm wieder durch den Kopf. Argh ... er drehte sich in mit seinen Gedanken und Überlegungen im Kreis. Was sollte er jetzt tun?

Frustriert kickte Alec einen losen Stein fort. Er würde so keine Lösung finden. Das Beste wäre, er würde zu Magnus zurückgehen und mit ihm reden, auch wenn es schmerzlich und mit einem gebrochenem Herzen für ihn enden konnte. Er wollte einfach nicht wieder so lange im Ungewissen bleiben und durch das Vermeiden eines klärenden Gespräches dafür sorgen, dass es erneut zu einer Beinahkatastrophe zwischen ihm und Magnus kam. Schließlich würde er Magnus spätestens heute Abend im Club wiedersehen und er wollte nicht, dass es so zwischen ihnen endete.

Bevor Alec seine Entscheidung jedoch in die Tat umsetzen konnte, öffnete sich die Tür zu Simons Wohnung.

"Hey Simon, sorry, dass ich ... ." Alec unterbrach sich. Es war nicht Simon, der ihm die Tür geöffnet hatte, sondern Raphael, der nicht mehr als in einem Bademantel bekleidet vor ihm stand. "Du hier?!", krächzte Alec total überrumpelt. Sein Blick fiel auf den prominenten Knutschfleck, der unter dem Kragen des Mantels hervorlugte. Ein eindeutiger Hinweis darauf, dass Raphael nicht nur bei Simon übernachtet hatte.

Boylesque (🇩🇪)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt