Verloren im Glitzer

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Die Wohnungstür schloss sich mit einem leisen Klicken hinter Mr. Scott, seinem neuen Vermieter, und er war endlich alleine in der Wohnung. Unschlüssig was er als Nächstes machen sollte, lehnte Alec sich gegen die Tür und stieß ein Seufzen aus. Es hallte unnatürlich laut durch die stille Wohnung. Seine Tasche rutschte von seiner Schulter und landete unsanft neben seinen Füßen. Alec ließ seinen Blick durch die Wohnung schweifen und nahm sein neues Zuhause ein weiteres Mal in Augenschein. Seine erste eigene Wohnung...

Ein Lachen blubberte in seiner Brust und bahnte sich einen Weg ins Freie. Er hatte nun eine eigene Wohnung. Ein eigenes Leben. Endlich.

Für eine Weile stand Alec einfach nur an der Tür und genoss den Gedanken, Herr über sein Leben sein zu können. Es war niemand da, der ihm vorschreiben würde, was er zu tun hatte oder wie er sich verhalten sollte. Er konnte nun sogar nackt am Fenster stehen und in der Nacht dem Vollmond seine Freude entgegenschreien, wenn er denn wollte. Niemand würde ihn dafür verurteilen. Keiner würde ihn kritisieren. Nun ja, vielleicht seine Nachbarn, aber das waren Fremde, also sollte ihn deren Meinung nicht interessieren, oder? Okay, vielleicht sollte er mit etwas weniger wilden Freiheitsbekundungen starten. Etwas, dass seine Nachbarn nicht gleich denken lassen würde, er hätte den Verstand verloren.

Alec schüttelte den Kopf angesichts seiner eigenen Gedanken und stieß sich von der Tür ab. Er sammelte seine Reisetasche vom Boden auf, durchquerte mit wenigen Schritten den Raum und warf die Tasche auf das Sofa. Es war grau und hatte einen seltsam aussehenden, hellen Fleck auf der rechten Armlehne, über den Alec bei näherem Betrachten lieber nicht weiter nachdenken wollte. Passende Zierkissen gaben dem Sofa ein einigermaßen gemütliches Aussehen, auch wenn Alec fast fürchtete, dass es in der Mitte durchbrechen würde, sollte er sich darauf niederlassen. Doch im Großen und Ganzen sah es ganz in Ordnung aus.

Alec öffnete seine Tasche und holte den Bilderrahmen hervor, der die letzten Jahre seinen Nachttisch dekoriert hatte. Er umrahmte ein Foto von sich und seinen Geschwistern, dass im Sommer vor drei Jahren im Garten seiner Eltern aufgenommen worden war. Izzy hatte sich auf seinen Rücken geschwungen und strahlte mit einem herzhaften Lachen in die Kamera. Sie war gerade dabei gewesen ihm eine rosafarbene Blume ins Haar zu stecken. Max versuchte den Neckereien von Jace zu entkommen und hatte sich halb hinter Alec versteckt. Das breite Grinsen im Gesicht seines jüngsten Bruders zeugte jedoch davon, dass er Spaß bei der ganzen Sache hatte. Es war einer der Tage gewesen, an dem Alec wirklich glücklich gewesen war und er dankte seinem Vater im Stillen, dass er diesen Moment mit der Kamera für die Ewigkeit festgehalten hatte.

Alec ging zu dem Bett hinüber, dass halb hinter einem alten Paravent aus Holz verborgen stand und platzierte den Rahmen mit dem Foto auf den kleinen Beistelltisch neben dem Bett.

Anschließend holte er die Dose mit seinem Ersparten aus der Reisetasche hervor. Alec drehte sich auf der Suche nach einem geeigneten Platz einmal im Kreis. Er runzelte die Stirn, als er keine geeignete Möglichkeit fand, an der er sie verstecken konnte. Dann landete sein Blick auf der Tür zum Badezimmer und ihm kam eine Idee. Er fand eine vergessene Plastiktüte in einem der Schränke in der Küche und wickelte die Gelddose darin ein. Anschließend versteckte er diese in dem Spülkasten der Toilette.

Kaum hatte er den Deckel wieder an Ort und Stelle platziert, klingelte sein Telefon. Alec rannte in den Wohnraum und kramte sein Handy aus der Innentasche seiner Lederjacke.

"Hi Jace."

"Hey Kumpel. Alles klar bei dir?"

Alec ließ sich vorsichtig auf das Sofa nieder und stellte überrascht fest, dass das alte Ding sein Gewicht tatsächlich trug. Es knarrte zwar gefährlich, aber es brach nicht entzwei, wie er angenommen hatte.

Boylesque (🇩🇪)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt