Am nächsten Morgen hatten Angeus und Kaisa sich für einen Spaziergang durch die Stadt verabredet. Sie wollten sich einfach noch ein bisschen umschauen, die Stadt erkunden. Vielleicht würden sie auch Straßenkünstler treffen, die genug Talent hatten als dass es sich lohnen würde ihnen zuzusehen.
In Begleitung einer Leibgarde machte sich das Paar auf den Weg. Es war kein weiter Weg, weswegen sich die Prinzessin entschlossen hatte zu laufen. Dass das unüblich war, interessierte Kaisa in diesem Moment herzlich wenig. Und da Angeus auch nichts dagegen hatte, war es beschlossene Sache.Der Weg war grob gepflastert und menschenleer. An den Rändern lagen in regelmäßigen Abständen faustgroße, weiße Steine, die wirkten als würden sie bald von alleine anfangen zu leuchten. Hinter den Steinen erstreckten sich weite Felder aus Gras und Blumen, und nur vereinzelt stießen Bäume aus dem grünen Meer.
„An diese Stelle würde sich bestimmt auch eine Allee ganz gut machen!", fand Angeus. Kaisa hatte sich bei ihm eingehakt und beide bewunderten die Landschaft.
„Ja, da kann ich dir nur zustimmen!", entgegnete Kaisa. Sie hatte allerdings keine Ahnung was eine Allee war, aber das konnte sie ja nicht zugeben. Besonders nicht vor den Wachen, die direkt hinter ihnen her liefen.Bald kamen die ersten Häuser in Sicht. Hoch und schmal, in verschiedenen Farben. Aber alles bereits ausgeblichen und mitunter auch heruntergekommen. Deswegen aber nicht weniger schön. Es hatte etwas rätselhaftes an sich. Etwas mysteriöses, und irgendwie erinnerte es Kaisa an die Schiffe ihrer Mutter, auch wenn sie eigentlich keine Ähnlichkeiten ausmachen konnte.
„Wenn ich mich nicht irre, dann müsste noch Markt sein", überlegte Angeus laut.
„Dann lass uns dort hingehen!", meinte Kaisa direkt. Ihre Mutter hatte sie früher immer auf dem Schiff zurück gelassen, wenn die Piraten an Land ihre Beute verkauft hatten.
Aufgeregt beobachtete Kaisa in den Armen ihres Liebsten wie die Häuser im Liebesrausch nur so an ihnen vorbeizogen. Mit jedem Schritt den sie machten tummelten sich mehr Menschen auf der Hauptstraße und es wurde drückend voll, bis man sich regelrecht durch die Menschenmassen drücken musste. Aber das störte Kaisa nicht im geringsten.Zu beiden Seiten standen Verkaufsstände vor den Häusern. Händler die Obst und Gemüse anboten. So, wie sie es auch schon getan hatten, als Kaisa mit der Kutsche vom Hafen zum Schloss gefahren wurde. Nur saß sie damals in einer Kutsche, und heute war sie mittendrin. Sie konnte den Duft von exotischen Kräutern riechen. Es war der selbe Geruch wie nach dem Überfall auf ein Handelsschiff. Dieser Duft vermischte sich mit dem Geruch von Honig, frischem Holz, Fisch und mehr.
„Da, sieh mal hier!". Aufgeregt zog Kaisa Ang zu einem Stand hin, der Kerzen anbot. Fasziniert betrachtete Kaisa die verschiedensten Formen, Farben und Gerüche. Die zarten Verzierungen und Muster auf den Oberflächen. Früher hatte sie sich nur jedes halbes Jahr mit Seife waschen dürfen, sonst immer nur mit Wasser.
Begeistert nahm Kaisa eine Duftprobe von den Seifen.„Du tust ja gerade so, als hättest du noch nie welche gesehen!", lachte Angeus.
Aber Kaisa hatte schon den nächsten Stand entdeckt.
„Da!". Sie zog ihn direkt weiter. Im nächsten Moment fanden sie sich vor einem Stand mit Porzellanfabriken wieder. Es gab Vasen, Teller, Tassen und Zubehör.
„Ist das alles nicht wunderbar?", jauchzte Kaisa. Sie war in ihrem Element. Sie fühlte sich pudelwohl. Dass manche Leute sie anstarrten, war ihr ebenso egal, wie dass die Wachen ihnen nur noch sehr schlecht folgen konnten.
„Ja schon, aber ..."
Kaisa lies Angeus nichtmal zu Ende reden, und zog ihn direkt weiter. Und dann wieder. Nächster Stand. Und noch einer.
Irgendwann hielt sie dann vor einem Stand mit Halstüchern an.
Es dauerte nicht lange, bis die falsche Prinzessin sich ein Tuch ausgesucht und um die Schultern gelegt hatte.„Was meinst du?", wollte sie von Ang wissen. Angeus schaute Kaisa prüfend an.
„Also es steht dir, aber ich finde, es passt nicht so wirklich zu deinen dunklen Augen!", sagte er dann.
„Wollt Ihr Euch nicht selbst ein Bild von euch machen Prinzessin?". Der Verkäufer wies auf einen Spiegel, der extra zur Verfügung stand. Kaisa drehte sich um und betrachtete ihr Spiegelbild. Eigentlich hatte sie helle, blaue Augen. Dazu hätte das Tuch perfekt gepasst. Aber das die dunkle Augenfarbe der Prinzessin lies diesen Farbton einfach nicht zu. Tatsächlich passte eigentlich rein gar nichts. Dieses Mädchen im Spiegel, das war nicht sie. Das war nicht Kaisa. Es war eine Frau, die mit sich selber nicht zufrieden war, obwohl sie alles hatte was sie wollte.Es war eine Prinzessin. Und Kaisa war keine Prinzessin. Sie war eine Piraten. Ihre Welt waren die Wellen, das Meer, die Schiffe und das Entern von Frachtern.
Kaisa spürte wie diese Last innerlich an ihr zerrte. Sie wusste, dass es auf Dauer nicht so weiter gehen konnte, aber sie hatte keine Wahl. Sie musste das weiter durchziehen, und allen die Prinzessin vorspielen, die sie nicht war.In dem Spiegel konnte Kaisa nur dieses Mädchen sehen, das verängstigt vor der Kapitänin Lara kniete und vor Angst zitterte. Ob Lara sich große Sorgen um Kaisa machte? Was mit der echten Prinzessin wohl war?
Zu gerne würde Kaisa jemanden um Hilfe bitten, aber sie war alleine. Was ihr bisheriges Leben betraf, war sie mutterseelenallein. Keine kannte die Wahrheit, keiner konnte ihr helfen.
„Marigold?". Angeus legte der falschen Prinzessin die Hand auf die Schulter. „Vielleicht doch lieber eine andere Farbe?", schlug er vor.
„Ich glaube, ich nehme doch keines", entschied Kaisa sich. Sie legte das Tuch zurück.
„Alles in Ordnung?", wollte Ang besorgt wissen.
„Ja ja, alles gut!", erwiderte Kaisa und zwang sich zu einem Lächeln.
„Wenn du meinst. Wollen wir zurück? Oder willst du dich noch ein wenig umsehen?", hakte der Adlige nach.„Ach, ich glaube, wir gehen wieder zurück", meinte Kaisa. Für heute hatte sie genug.
„Okay, gut. Wie kommen wir zurück?"
Kaisa schaute Ang irritiert an.
„Keine Ahnung", meinte sie dann. Angeus lachte beschämt.
„Na toll ... . Ich nämlich auch nicht", gestand er dann. Kaisa gluckste vergnügt.
„Dafür haben wir ja die Wachen", meinte sie ruhig.
„Naja ...", fing Ang langsam an. Kaisa runzelte die Stirn.
„Die haben wir alle im Gedränge abgehängt", kicherte er.
„Nein, nicht wahr!", stöhnte Kaisa, fing kurz darauf aber auch an zu lachen.
Aber wir könnten die Leute hier um Hilfe fragen. Die kennen den Weg bestimmt!", schlug Ang vor.
„Ach nein, das ist doch peinlich. Wir finden den Rückweg schon alleine!", versicherte Kaisa.
„Na dann eben auf gut Glück", willigte Ang ein.Sie fingen an ziellos die Stadt zu durchstreifen. Aber sie kamen immer wieder nur an den selben Ständen vorbei. Sie liefen im Kreis. Trotzdem verzwickten Situation brachen sie immer wieder in Gelächter aus.
„Marigold!", wurde die falsche Prinzessin plötzlich von einer überraschten Stimme angesprochen. Die falsche Prinzessin und ihr Verlobter drehten sich um. Direkt vor ihnen stand Domenik.
„Domenik!", wunderte sich Kaisa.
„Ich weiß, ich darf eigentlich nicht raus, aber ... . Bitte verratet mich nicht!", bat er hastig.
Kaisa tat so, als würde sie kurz überlegen.
„Machen wir nicht. Aber wir gehen jetzt alle zurück!", entschied sie.
„Ist gut!", stimmte der Prinz erleichtert zu.
„Geh du voran, ich will mich nicht ständig nach dir umdrehen müssen!", erklärte Kaisa und auf dem Gesicht ihres Verlobten erschien ein breites Grinsen.
Domenik salutierte spielerisch, dann lief er auch schon los. Kaisa und Ang folgten ihm. Der Prinz drückte sich geschickt durch den Menschen hindurch, aber Kaisa war ebenso gut in diesem Spielchen. Ang folgte ihr einfach.„Das war wirklich brillant!", lobte Angeus.
„Ach wirklich?", kicherte Kaisa. Ein eigentlich ganz einfacher Trick, den sie von ihrer Mutter gelernt hatte.
„So viel Spaß hatte ich schon lange nicht mehr!". Ang gab Kaisa einen Kuss.
Inzwischen erkannten sie die Straße wieder, die sie zurück zu dem kleinen Schloss des Herzogs führte.
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die Piratenprinzessin
FantasyDer erste Hauptcharakter ist die Tochter einer berühmt berüchtigten Piratin. Eines Tages entert die Flotte dieser Piratin ein Schiff der Herzogsfamilie der Inselnation. Auf dem Schiff befindet sich auch die älteste Tochter des Herzogs. Die Piratin w...