Kapitel 20

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Der Plan war wie folgend: Die beiden Mädchen hatten vor sich in den Kerker zu schleichen, um dort Eden zu befreien. Und je nach dem, auch das Mädchen, das sich als Prinzessin ausgegeben hatte. Nach dieser Befreiungsaktion würden sie Angeus warnen und versuchen ihn an einen sicheren Ort zu bringen.

Marigold führte Annie durch die Mauern ins Schloss. Die Wachen ließen sie passieren. Unbeirrt steuerte Marigold die Kerker an. Aber vor der Tür versperrte eine Wache den Mädchen den Weg. Der Mann war jung, nur wenige Jahre älter als Annie.
„Bedaure, aber ich bin angewiesen niemanden hier durch zu lassen!"erklärte der Wachmann mit fester Stimme.
„Können Sie keine Ausnahme machen?", flehte sie Prinzessin.
„Bedaure, ich habe strikte Anweisungen!", verneinte er. Sein Blick huschte immer wieder zu Annie. Die Art wie er die junge Frau musterte, war der Prinzessin schon fast unheimlich.
„Also hier darf keiner rein oder raus?", wiederholte Annie mit einem unschuldigen Gesicht. So unschuldig, dass Marigold sofort erkannt dass Annie einen Plan hatte.
„Exakt!", bestätigte die Wache.
„Dann müssen Sie das diesen Herren aber auch noch weiß machen!". Sie zeigte in eine andere Richtung.
Der Wachmann drehte sich um. Diese Herren, hatte Annie nur erfunden, aber so wie sie es beabsichtigt hatte, war der Wachmann abgelenkt und achtete einen Moment nicht auf die jungen Frauen. Einen Moment zu lange, denn Annie nutze ihn, um dem Wachmann seine Lanze zu entreißen.

„Wenn Sie bitte vorausgehen würden!". Annie hielt die Lanze auf den Wachmann gerichtet und winkte ihn damit zu den Kerkern. Der arme Kerl war so perplex, dass er einfach nur die Hände hob. Dann verdrehte er die Augen und tat wie ihm geheißen.

Kaum war die Tür zu den Kerkern geöffnet, schlug ihnen eine modrige, feuchte Luft entgegen. Vermischt mit dem Gestank von Urin.
„Puh, igitt!". Marigold hielt sich die Nase zu.
„Los weiter!", drängte Annie den Wachmann die dunklen Stufen hinunter. Ihr Tonfall war mehr spielerisch als böse.

Die Luft in den Verliesen stank nicht nur bestialisch, sie war auch noch eiskalt. Ein Schauer lief der Prinzessin den Rücken hinab. Das hier war der einzige Ort im Schloss, an dem sie noch nie gewesen war.

Stufe für Stufe ging es weiter nach unten, bis sie endlich auf unebenem Boden den Fuß der Treppe erreicht hatten. Vor ihnen tat sich ein großer Raum auf, fast schon eine Halle. Er war durchzogen von Gitterstäben und Wänden, die zusammen schon fast ein Labyrinth bildeten.

„Wo sind die Schlüssel?", wollte Annie übertreiben freundlich wissen.
„Dort an der Wand!", erklärte der Wachmann und schielte auf die scharfe Spitze der Lanze.
„Herzlichsten Dank!". Mit diesen Worten schob Annie den Mann in eine der vordersten Zellen und schob die Gittertür zu. Das Schloss rastete ein. Dann ging Annie zu der Wand und nahm den Schlüsselbund vom Haken, der dort hing.

„Wenn ich noch eine Frage stellen dürfte, was soll ich hier jetzt machen?". Der Wachmann lehnte schon fast lässig an den Gitterstäben.
„Was weiß ich. Wie wäre es mit einem Schachspiel als Solospieler?", schlug Annie vor.
„Ha ha, sehr witzig", stöhnte der Wachmann genervt auf.
„So, meine Frage. Wo ist der Pirat?", hakte Annie nach.
„Beide irgendwo hinten!", entgegnete der Wachmann.
Marigold beobachte das Treiben der beiden mit wachsender Irritation. Der Mann schien Annie zu kennen, und umgekehrt.
„Okay. Der Weg? Du wirst doch wohl nicht wollen dass ich mich verlaufe!", säuselte Annie.
„Vorne rechts, links, links, rechts. Rückweg dann links, rechts, wieder rechts und dann links. Und dann könntet ihr mich auch wieder raus lassen!", erklärte der Mann. Seine Augen hatten die selbe Farbe wie die von Annie, und auch die Haarfarbe war gleich.
„Werden wir sehen!". Annie ging los und lief geradewegs in das Labyrinth, während sie mit den Schlüsseln klimperte. Marigold lief ihr nach. Die Frage nach einer Auflösung brannte ihr auf der Zunge.
„Annie!", rief der Wachmann den Mädchen nach, aber Annie grinste nur schelmisch.
„Woher kennst du ihn?", wollte Marigold neugierig wissen.
„Er ist der Sohn der Zwillingsschwester meiner Mutter", erklärte Annie grinsend. „Simon ist mein Cousin, aber wir sind zusammen aufgewachsene Geschwister, bis er vor zwei Jahren hier zu arbeiten angefangen hat!"

„Oha!", staunte Marigold. „Davon hast du gar nichts erzählt!"
„Mich hat niemand gefragt."

Plötzlich blieb sie stehen. Ihre Mine verfinsterte sich augenblicklich.
„Shit!", fluchte sie. „Das darf doch nicht wahr sein!"
„Was ist!"
„Hier sollten sie sein!"
Annie drehte sich suchend im Kreis, was mit der Lanze gar nicht so einfach war.

„Na na, ihr zwei hier unten? Ist das nicht zu fein für euch?".

Plötzlich stand Eden ein paar Meter vor den Mädchen. Er hatte einen Stein in der Hand, den er immer wieder ein kleines Stück in die Luft warf und mit der selben Hand wieder auffing. Neben ihm stand Kaisa. Auch sie hielt Steine in der Hand.
„Eden!", freute Annie sich ihn zu sehen.
„Wer sonst?", fragte er mürrisch.
„Wie seit ihr aus den Zellen gekommen?", wollte Annie wissen.
„Wir sind Piraten!", entgegnete Kaisa mürrisch und hielt eine kleine Nadel hoch.

„Also, was wollt ihr?", fragte Eden.
„Hilfe! Wir brauchen Hilfe!", erklärte Marigold sofort.
„Hilfe? Dann frag doch deine feinen Wachen!", knurrte Eden.
„Eden, es tut mir Leid. Ich hätte dich nicht verhaften lassen dürfen. Es war ein Fehler, und ich weiß nicht, wie ich es wieder gut machen soll, aber bitte ... . Der Graf darf mit seinem Vorhaben nicht durchkommen. Mein Vater glaubt mir nicht. Wenn wir nichts machen, werden sie Angeus umbringen!"

„Bitte was?", japste Kaisa erschrocken. „Nicht dein Erst, sag dass das nicht wahr ist!"
„Doch. Eden, du hast es doch auch gehört!"

„Ja. Aber das ist mir egal. Sowie ich dir egal bin. Du willst immer nur was von mir. Aber jetzt will ich nicht mehr! Mach deinen Scheiß alleine!", weigerte sich Eden.
„Komm schon, bitte. Angeus ist meine große Liebe!", versuchte Kaisa auf ihn einzureden. „Eden bitte. Wir kennen uns, seit ich denken kann. Wir waren doch eigentlich immer füreinander da. Und das ist mir echt wichtig!"

„Schon gut. Wenn es sein muss!", gab Eden schließlich nach.
„Danke!". Kaisa fiel Eden um den Hals, was ihn kurz aus dem Gleichgewicht brachte.
„Was müssen wir tun?", wollte Kaisa wissen.
„Erst mal Angeus warnen!", sagte Marigold wie aus der Pistole geschossen.
„Dann los. - Kennt ihr den Weg, daran sind Eden und ich nämlich gescheitert", erklärte Kaisa.
„Folgt mir!". Annie eilte voraus, Richtung Ausgang. Annie hatte sich den Weg gemerkt, und es dauerte nicht lange, bis sie wieder an die Treppe kamen.

Annie blieb stehen.
„Am besten teilen wir uns auf!", meinte sie. „Marigold, du und ...". Annie schaute Kaisa hilfesuchend an.
„Kaisa!", stellte sie sich auf die Schneller vor.
„Okay. Also, du und Kaisa ihr geht zu Angeus, warnt ihn und bringt ihn in Sicherheit. Eden und ich versuchen herauszufinden wo die Auftragsmörder sind. Wir kennen beide ihre Stimmen, das sollte ausreichen um sie zu identifizieren!"

Die Prinzessin und die beiden Piraten nickten. Marigold und Kaisa liefen sofort los. Die Treppe hoch und weiter nach draußen.

„Annie spinnst du?", wollte Simon wissen, der alles mitansehen hatte. „Auftragsmörder? Das ist viel zu gefährlich! Gebt dem Herzog Bescheid und lasst das die Soldaten erledigen!"
„Sorry, aber an dem Punkt sind wir gescheitert!", erklärte Annie.
„Dann lasst mich doch wenigstens helfen!", bot Simon an.
„Auf keinen Fall. Ich zieh dich da nicht noch weiter rein!", lehnte Annie ab. „Du bist immerhin wie ein Bruder für mich!"
Annie hängte den Schlüssel zurück.
„Annie!"
„Hab dich lieb, vergiss das nicht!", verabschiedete sie sich. Dann wandte sie sich an Eden. „Komm!". Annie lief zur Treppe und Eden folgte ihr.
„Annie!", rief Simon ihnen hinterher, aber die beiden verließen den Kerker und ließen den Wachmann alleine zurück.

die PiratenprinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt