Kapitel 18

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„Ich sehe was!". Annie stand mit einem Fernrohr am Bug und starrte auf das weite, blaue Meer hinaus.
„Was denn?", wollte Marigold hoffnungsvoll wissen.
„Land. Es sieht aus wie Land!", rief Annie aufgeregt.
„Darf ich mal?", bat Marigold. Sie rannte vor zu der jungen Frau und hielt sich mit einer Hand an der Reling fest. Annie reichte ihr das Fernrohr. Ein wenig unbeholfen versuchte sie etwas zu erkennen.
In der Ferne zeichneten sich Anhöhen ab. Erste Eindrücke einer Zivilisation. Und Marigold erkannte ihre Heimat.
„Das ist die Inselnation!", rief sie aufgeregt und hätte am liebsten einen Freudensprung gemacht.
„Juhu!", stimmte Annie in die Jubelrufe ein.
„Jackpot!", freute sich auch Eden. Die Erleichterung war ihnen allen anzusehen.

Es dauerte nicht mehr lange, bis das Schiff im Hafen der Inselnation einlief. Kaum dass Eden und Annie das Schiff festgebunden hatten, standen alle drei am Anleger.

Marigold lief direkt los. Sie kannte sich hier aus. Das war ihre Heimat. Und ihre Familie war nicht mehr weit entfernt. Endlich Zuhause, endlich in Sicherheit und endlich die Möglichkeit alles zu vergessen, was passiert war.

In dem Ansturm von Aufregung rannte die Prinzessin einfach los. Eden folgte ihr.
„Hey, warte, nicht so schnell!", rief er ihr hinterher.
Aber Marigold ignorierte ihn. Bald erhoben sich die Schlossmauern in den Himmel. Und schließlich tauchte dann auch das Tor auf. Die Stadt lag hinter ihnen, und Marigold wurde langsamer, bis sie schließlich stehen blieb.
Sie schloss die Augen und breitete die Arme aus.
„Zuhause!", seufzte sie erleichtert.

Außer Atem holte Eden sie ein.
„Meine Güte, kannst du schnell laufen", keuchte er. „Hätte ich dir echt nicht zugetraut". Er richtete sich auf und begutachtete das Schloss.
„Hier wohnst du?", staunte Eden. „Nicht schlecht. Da würde ich auch zurück kommen."

Marigold ignorierte ihn weiter. Sie wusste genau, dass Edens Wunsch in Erfüllung gehen würde. Er würde auch hier bleiben. Nur eben in den Kerkern.
„Was ist los? Wieso redest du nicht mit mir?", wunderte sich Eden.
„Tut mir Leid, aber es geht nicht anders. Das ist Gesetz, und du Pirat!", erklärte Marigold leise.
„Was?", japste Eden irritiert. „Was soll das heißen?".

Aber Marigold rannte einfach wieder los.
„Warte! Was meinst du damit?", rief Eden ihr hinterher und rannte der Prinzessin nach.

Marigold entdeckte die Wachen, die bereits auf sie und den Pirat aufmerksam geworden waren.
„Hilfe, ein Pirat!", rief sie und flüchtete durch das Tor.

„Was?", keuchte Eden entsetzt. Wut und Entsetzen schwang in seiner Stimme mit. Aber vor allem klang er verletzt.
Er drehte sofort bei und wollte die Flucht ergreifen, allerdings lief er dabei geradewegs weiteren Wachen in die Arme, die aus der Stadt zurück zum Schloss kamen.

Sie hatten kein Problem damit Eden zu überwältigen und ihn gefangen zu nehmen.

Marigold wurde in die Empfangshalle geleitet. Der Herzog war bereits informiert. Misstrauisch musterte er das Mädchen, das wie seine Tochter aussah.
„Vater!". Marigold machte einen höflichen Knicks.
„Ich habe eine Aufgabe für dich: Wenn du wirklich meine Tochter bist, dann wirst du mir sagen können, was an sonnigen Sonntagen üblich ist?", fragte der Herzog direkt und musterte Marigold argwöhnisch.

Die Prinzessin war irritiert über diese eigenartige Frage, beantwortete sie aber ohne groß zu zögern:
„Sticken im Garten, von kurz nach dem Mittagessen, bis zum Abendessen, es sei denn, es steht ein wichtiges Treffen an, wie ..."
„Gut in Ordnung, das reicht!". Die Miene des Herzogs war weich geworden.
„Meine Tocher, Marigold". Der Herzog breitete die Arme aus und nahm seine Tochter in den Arm.

„Darf ich erfahren, was es mit dieser Frage auf sich hatte?", wollte Marigold wissen, als der Herzog sie wieder frei gegeben hatte.
„Es hat sich jemand für dich ausgegeben. Sie hat eine Kette benutzt um deine Gestalt und Stimme anzunehmen", erklärte der Herzog.
Marigold wurde blass.
„Wirklich?", hauchte sie entgeistert.
„Ja, aber der Schwindel wurde aufgedeckt, und diese Betrügerin ist in unseren Kerkern", erzählte der Herzog.

Einen Moment später kamen Lady Gorinn und Angeus in die Empfangshalle.
„Prinzessin Marigold. Wie schön euch wohlbehalten wiederzusehen!", begrüßte sie die Prinzessin und knickste höflich. Marigold knickste ebenfalls. Die Frau war ihr ebenso suspekt wie ihr Sohn.
Allerdings wirkte dieser anders. Er sagte nichts und starrte ins Nichts. Er wirkte niedergeschlagen und bedrückt. Aber das störte Marigold nicht. Was auch immer passiert war, er hatte es verdient. Jemand, der nur für seinen eigenen Ruf jemanden heiratet, und dem die Gefühle einer Frau egal waren, der musste auch mal was einstecken können.
Während Marigold diesen Hass dem Adligen gegenüber wieder hochkochen lies, kamen ihr auch die Gedanken zu dem Auftragsmord. Plötzlich sah sie Angeus mit anderen Augen. Ein junger Mann, der keine Ahnung hatte, dass ihm sein baldiges Ende bevor stand. Wie ein Urteil, von dem er nichts wusste.

Und trotzdem weckte das kein Mitleid bei der Prinzessin.
Das war nicht ihre Angelegenheit!

Als dann die restliche Familie des Herzogs der Nachricht folgte, dass die wahre Prinzessin zurück sei, war der Auftragsmord direkt wieder vergessen. Die Freude über das unverhoffte Wiedersehen schlug Wellen. Ein herzliches Wiedersehen, wie es schöner kaum sein konnte.

die PiratenprinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt