Kapitel 16

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Der große Tag war gekommen. Kaisa würde ihren Verlobten heiraten. Heute. Eigentlich war es der Verlobte der Prinzessin, das war der Piratin klar, aber sie bereute es nicht, den Schwindel aufrecht zu erhalten.

Sie stand in ihrem Zimmer, auf dem weichen Teppich. Um sie herum wuselten mindestens zehn Zofen. Kaisa hatte es aufgegeben sie zu zählen. Mal waren sie hinter ihr, mal vor, dann kam wieder eine, dann ging wieder eine ... . Alle waren damit beschäftigt die falsche Prinzessin auf ihre Hochzeit vorzubereiten. Manche Zofen richteten das Kleid vollends zurecht, die anderen schminkten sie und wieder andere hatten sich an den Haaren der Prinzessin zu schaffen gemacht. Kaisa hatte nur eines zu tun: still dastehen, sich nicht bewegen, den Kopf nicht drehen, am besten auch gar nicht zu atmen.

Die Piratin war es nicht gewohnt, so viele Menschen so dicht auf sich drauf zu haben. Dass gefühlte tausend Hände an ihr herumbastelten, in ihren Haaren herumbastelten und ihr Gesicht betatschten.

Aber sie lies brav alles über sich ergehen. Dieses eine Mal, dann nie wieder. Prinzessin zu sein war doch nicht so schön, wie sie es sich vorgestellt hatte. Zu dieser Erkenntnis kam sie immer wieder. Und immer wieder versuchte sie das Prinzessinenleben auf eine andere Art und Weise zu sehen. Aber egal wie sie es drehte und wendete, am Ende kam sie immer darauf, dass Piratin sein besser war als Prinzessin sein. Jedenfalls für sie.

Kaisa schloss die Augen. Es machte sie nur nervös den Zofen zuzusehen. Lieber würde sie mit geschlossenen Augen warten. Die meisten Sorgen hatte Kaisa aber um ihre Kette. Wenn eine der Zofen den Verschluss des Perlenhalsbandes öffnen würde, egal ob aus Versehen oder absichtlich, dann wäre das Geheimnis aufgeflogen.

Mit dieser unangenehmen Mischung aus Gefühlen betete Kaisa heimlich zu allen Meeresgöttern die sie kannte, Hauptsache alles würde gut gehen.

Eine halbe Stunde verging, irgendwann eine ganze - aber schließlich hatte Kaisa es überstanden. Sie war bereit für die Trauung. Sie hatte Angeus den ganzen Tag noch nicht gesehen, und wenn sie nach ihm gefragt hatte, dann wurde immer das Thema gewechselt. Manchmal mahnten die Zofen auch, dass es Unglück bringen würde, den Bräutigam vor der Hochzeit zu sehen.

So viel Unglück wie eine Frau auf einem Schiff? So schlimm konnte es dann ja nicht sein, aber Kaisa kam einfach nicht aus ihrem Zimmer raus.

„Ihr seht umwerfend aus!", lobte eine der Zofen verträumt.
„Wollt Ihr euch im Spiegel betrachten?", fragte eine andere.
„Ja, gerne", entgegnete Kaisa, während sie langsam wieder die Augen öffnete. Das Sonnenlicht das durch die Fenster fiel blendete sie ein wenig.

Die Zofen geleiteten die falsche Prinzessin zu einem großen Spiegel, der an der Wand stand.

Fasziniert begutachtete Kaisa ihr eigenes Bild: eine ansehnliche junge Frau mit elegant hochgesteckten Haaren, übertrieben roten Lippen und rosigen Wangen. Ihre Wimpern wirkten irgendwie dunkler und brachten ihre Augen besser zur Geltung. Kaisas Hände waren von zierlichen, eleganten Handschuhen verdeckt. Der dünne, seidige und weiße Stoff reichte bis knapp unter die Ellbogen.
Mitten in der Frisur hing ein Schleier, der an Kaisas Rücken herab fiel. Wie weit er reichte, oder wie er befestigt war, konnte die falsche Prinzessin jedoch nicht erkennen.
Der Körper des Mädchens war von einem ebenso weißen Kleid verziert. Das Kleid hatte eine lange Schleppe und reichte Kaisa bis über die Füße, so dass ihre eleganten, weißen Stöckelschuhe kaum zu sehen waren. Darin zu laufen währe noch eine ganz andere Herausforderung.
Das Kleid war so geschnitten dass Kaisas Schultern unbedeckt waren. Um die Taille lag ein feiner Gürtel an dem Stoffbahnen befestigt waren. Die Stoffbahnen zogen sich in eleganten Bögen über das gesamte Hochzeitskleid. Die Stoffränder waren allesamt mit feinster Spitze gesäumt. Die hauchdünnen Muster waren kaum zu erkennen, verleihen dem Kleid aber noch mehr Reiz.

„So könntet Ihr jeden Mann der Welt für euch gewinnen!", bewunderten die Zofen weiter.
Kaisa lächelte schwach. Jeden Mann ... . Aber sie wollte nur den einen.

„Wenn Ihr euch bereit fühlt, dann bringen wir euch nun nach unten, die Hochzeit fängt bald an. Die Gäste sind schon alle angekommen", meinte die Zofe, die erst vor wenigen Minuten in das Zimmer gekommen war.
„In Ordnung", stimmte Kaisa zu.

Sofort fing das Gewusel um sie herum wieder an. Die Zofen eilten zu der Tür, um sie der Prinzessin aufzuhalten. Andere ergriffen die lange Schleppe um sie zu tragen und zu jeder Seite der Prinzessin reihten sich auch noch jeweils eine Zofe auf.

„Können wir?", wollte die Zofe zu Kaisas Rechten wissen. Die falsche Prinzessin nickte nur. Sie war immer noch am überlegen, wie man am besten in diesen Schuhen laufen konnte. Sie entschied sich schnell dazu einfach auf Zehenspitzen zu laufen, denn der Absatz war viel zu dünn, als dass er ihr Gewicht tragen konnte. Und selbst wenn doch, hätte Kaisa das Gleichgewicht so vollkommen ohne Übung niemals halten können.

Irgendwann hatten die vielen jungen Frauen dann die große Tür erreicht, hinter der der Hochzeitsraum lag. Es gab tatsächlich einen extra Raum in diesem Schloss.

Kaisa atmete tief durch. Sie konnte sich inzwischen gut aufrecht halten, auch in diesen durchaus unbequemen Schuhen. Eine der Zofen drückte ihr noch schnell einen großen, schönen Blumenstrauß in die Hand, und dann kam auch schon der Herzog.

„Bist bereit, mein Kind?", fragte er und musterte Kaisa von oben bis unten.
„Ja, ich bin bereit", erwiderte sie und zwang sich zu einem Lächeln.
Der Herzog stellte sich neben sie und durch seine Gestik erkannte Kaisa dass sie sich einhaken musste. Das tat sie, wenn auch ungern. Sie kannte deutlich sympathischere Menschen als den Herzog.

Aber darüber konnte Kaisa sich keine Gedanken mehr machen.

Die Flügeltüren wurden aufgezogen und gaben den Blick auf eine große Halle frei. In der Mitte lief ein roter Teppich auf eine Anhöhe. Zu beiden Seiten gab es voll belegte Sitzreihen. Alle Augen waren auf die Braut gerichtet. Aber Kaisa hatte nur Augen für Angeus. Er stand zusammen mit einem ihr unbekannten Mann und seiner Mutter auf der Anhöhe. Der Fremde stand feierlich in der Mitte und lächelte der Braut entgegen. Angeus' Lächeln war aber trotzdem um Welten schöner. Er strahlte förmlich und am liebsten währe Kaisa einfach losgestürmt. Aber sie hielt sich zurück. Ihr Bräutigam trug eine helle Hose und rote Stiefel. Er trug ein dunkelblaues Oberteil mit goldenen Verzierungen und wirkte dadurch königlicher als Kaisa sich einen König vorstellen konnte.

Das Herz der Braut fing an zu rasen, als die Musikanten in der Ecke anfingen romantische Marschmusik zu spielen und der Herzog seine vermeintliche Tochter langsam ihrem Bräutigam entgegenführte.

Die Menge beobachtete stumm das Spektakel. Kleine Kinder in hellen Kleidern liefen hastig der Braut hinterher und warfen Rosenblätter, wobei sie stets darauf achteten nicht auf die Schleppe zu treten.

Eine gefühlte Ewigkeit später standen sich Angeus und Kaisa endlich gegenüber und der Herzig zog sich ein paar Schritte zurück. Der Mann, den Kaisa inzwischen für den Traumeister, oder wie auch immer das hieß, hielt, fing an zu reden. Aber Kaisa hörte nicht zu. Sie verlief beinahe vor Freude.

Der Mann redete was von ewiger Verbundenheit, und anderen Sachen.

Irgendwann fragte er dann: Angeus von Gorinn, wollt Ihr die hier anwesende Prinzessin und Herzogstochter der Inselnation zu eurer Frau nehmen, sie lieben, beschützen und für sie sorgen, so antwortet mit ja, ich will."
„Ja, ich will!", kam es von Angeus sofort.
„Und Ihr, Prinzessin Marigold von der Inselnation, wollt Ihr den hier anwesenden Adligen Angeus von Gorinn zu eurem Mann nehmen, ihn lieben, ihm treu sein und für ihn da sein, so antwortet mit ja, ich will."
„Ja, ich will!". Auch Kaisa zögerte keine Sekunde.
„Dann erkläre ich euch zu Mann und Frau!"

Denn Rest bekam Kaisa nicht mehr mit. Nur noch den Kuss mit ihrem Mann, das Gekreische der Frauen, nachdem sie den Blumenstrauß weggeworfen hatte ... .

Jetzt gab es nur noch Kaisa und Angeus. Nur noch sie beide ... .

die PiratenprinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt