Drei Schatten

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Am nächsten Morgen quetschen wir uns mit dem Gepäck in den winzigen, verbeult Fiat von Onkel Giovanni. ,,Jetzt geht's ans Meer zu Oma", trällert Nelly. Die war schon ganz aufgeregt. Und auch ich freute mich, endlich fuhren wir aus Rom weg! Trotzdem sah ich, genau wie Vivienne und Nelly, neugierig aus dem Fenster. Denn gerade zu Beginn der Fahrt gab es an allen Ecken was zu sehen: Wir fuhren am Kolosseum, an irgendeinem Triumphbogen und unzähligen Kirchen vorbei. Onkel Giovanni schien wirklich jede von ihnen mit Namen zu kennen.Wir fuhren weiter und weiter durch dichten, lärmenden Verkehr. Und es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor, bis wir endlich aus der Stadt herauskamen.  Ein kurzes Stück sausen wir über die Autobahn und Bogen dann auf eine Schnellstraße ab, die uns zur Küste brachte. ,,Das Meer! Ich kann das Meer sehen", rief Vivienne auf einmal. Ich reckte den Hals. Vor uns blitzte es kleines blaues Band  zwischen den Hügeln auf. ,,Das werdet ihr gleich noch besser sehen", versprach Onkel Giovanni. ,,Für euch nehmen ich nämlich extra die Uferstraße. Das dauert zwar etwas länger ..." ,,... Ist aber viel schöner", ergänzte Tante Ludovica. Es war wirklich herrlich. Wir fuhren durch kleine Küstenstädtchen, an Stränden und wilden Ufern vorbei. Das Meer glitzerte verlockend und ich wollte am liebsten aussteigen und eine Runde baden. Bei einem winzigen Städtchen bog Onkel Giovanni schließlich ab. Er kurvte durch Gassen, die so schmal waren, dass gerade mal ein Auto durchfahren konnte. Vor einem kleinen, gelb verputzen Haus hielt er an. Wir waren kaum ausgestiegen, da ging schon die Haustürauf.

,,Nelia!" Die Oma stürzte auf Nelly zu, nahm sie in dem Arm und übersäte sie mit Küssen. Ich musste grinsen. Soße Nelly ihre Oma liebte,  die schmatzenden Küssen schienen ihr nicht wirklich zu gefallen. Zumindestens nicht diese Menge. Wie gut, das es Nelly's Oma war und nicht meine, dachte ich mir. Doch zu früh gefreut,  schon wurde auch mir geehrt und bekam links und und rechts einen feuchten Schmatz.  ,,Herzlich willkommen!", sagte Nelly's Oma auf Englisch und strahlte, weil sie so wundervollen Besuch bekam. Aber nicht nur die Oma erwartete uns. Auch Nelly's anderer Onkel, der Bruder ihres Vaters, und seine Familie sind extra vorbeigekommen, um uns zu begrüßen. ,,Das ist Onkel Giulio, Tante Miriam und Mattel, mein Cousin", stellte Nelly alle vor. ,,Buongiorno", begrüßte ich sie auf Italienisch.  Denn  Tante Miriam und Mattel sprachen kaum Englisch. Das machte aber nicht's, denn Nelly übersetzte alles. Ich staunte, mit welcher Leichtigkeit sie Italienisch sprach. Die Oma hatte es sich nicht nehmen lassen, für alle ein Festmahl zu bereiten. Es gab Nudeln mit leckerer Sahnesoße. Doch als ich noch eine Portion wollte, stieß Nelly mich an. ,,Das ist doch nur der erste Gang. Gleich gibt's noch mehr", flüsterte sie. ,,Was?" Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Auch nicht mit dem riesigen, gebratenen Fisch, den die Oma auf einer großen Platte hereintragte. Er starrte mich auf seinen blanken Augen an. Denn Kopf und Schwanz waren auch noch dran.

,,Denn hat Onkel Giulio gefangen. Er ist nämlich Fischer", ,,Ich hoffe, ihr mögt Fisch?" ,,Klar", sagte ich. Hauptsache,  ich bekam nicht den Kopf! Wir schliefen oben im ersten Stock. Im Zimmer standen ein großes Doppelbett und am Fußen eine Liege. ,,Und wer schläft wo", fragte Vivienne. ,,Am besten, wir tauschen jeden Tag", schlug ich vor. Damit waren alle sofort einverstanden. Für die erste Nacht mahm Nelly die schmale Liege und Vivienne und ich machten es uns im weichen Doppelbett gemütlich. Durch das offene Fenster wehte eine leichte Brise. Es roch nach Meer und Lavendel. Ich schlief sofort ein. Am nächsten Morgen Kam gleich nach dem Frühstück Matteo mit zwei Freunden zu Besuch. Nicht ganz freiwillig. Onkel Giulio hatte ihn geschickt. ,,Das sind Thomas und Salvatore", stellte er vor. ,,Und das sind Laila und, Vivienne und Nelly." ,,Ciao!" Ich lächelte ihnen zu. Matteo Freunde waren vielleicht ein, zwei Jahre älter als wir. Aber sie sahen ganz nett aus. ,,Welche ist denn jetzt deine Cousine?", fragte Salvatore auf Italienisch. ,,Die Kleine hier." Matteo beugte zu seinen Freunden. ,,Die ist jeden Sommer hier. Ich weiß noch, wie sie nackt im Meer gebadet hat!" Die drei krümmen sich vor lachen. ,,Ich war 2 Jahre alt!" Nelly's Augen funkelten. ,,Und du, mein lieber, warst schon 4 und genauso nackt!"

,,Das ist nicht wahr", posaunte Matteo los. ,,Klar ist das wahr. Von zu Hause aus kann ich deinen Freunden Fotos malen,  als Beweis!" ,,Untersteht dich!", fauchte Matteo. Jetzt war es Nelly, die lachte. Sie drehte sich zu mir und Vivienne um. ,,Oh Mann", flüsterte sie, nachdem sie alles für uns übersetzt  hatte. Obwohl ich alles verstanden habe.  ,,Mein Cousin ist leider immer noch genauso bescheuert wie früher!" Da ist erst noch der einzige, Bucky ist genauso und eingebildet dazu. ,,Was hast du gesagt?", will Matteo wissen. Er hat nur das Wort Cousin" verstanden. ,,Nichts, nichts!", sagte Vivienne. ,,Niente", versuchte ich es mit einer meiner neu gelernten Vokabeln. ,,Mädchen", schnaubte Matteo verächtlich und setzte sich gelangweilt auf ein altes Märchen.  ,,Du musst nicht auf uns aufpassen", erklärte Nelly auf Italienisch. ,,Wir kommen auch ohne euch klar. Viel besser sogar. Also, verschwindet einfach! Ciao!" Matteo schnappte nach Luft. ,,So redest du nicht mit mir", knurrte er. Nelly stand breitbeinig vor ihm. ,,Wie denn Dann?" Matteo Freunde grinsten, halb schadenfroh, halb verlegen. ,,Du bist meine kleine Cousine aus Amerika", erklärte Matteo scharf. ,,Ich soll auf dich aufpassen. Habe ich Lust dazu? Nein! Aber ich mache es trotzdem. Basta!" ,,Cousins!" Nelly rollte mit ihren Augen. ,,Ich zeig euch jetzt mal den Ort, der ist ganz klein", meinte sie zu Vivienne und mir. Und leise fügte sie hinzu: ,,Die drei Tritten bestimmt hinter uns her. Aber wir müssen sie ja nicht beachten!" Es stimmte, wie drei Schatten kamen  uns Matteo, Salvatore und Thomas hinterher. Nelly führte uns durch die kleine Innenstadt. Wir liefen durch schmale, schattige Gassen und Gässchen.  Plötzlich traf mich ein Tropfen auf die Nase. ,,Nanu, regnet es?" Ich schaute verblüfft in den blauen Himmel. ,,Das nur die Wäsche", lachte Nelly. Tatsächlich: quer über die schmale Gasse waren Leinen gespannt, an denen bunte Hemden und T-Shirts wie Fahnen flatterten. Und ich überlegte wie es wohl wäre,  wenn ich in Seabrook von meinem Fenster aus eine Leine über die Straße spannen würde. Als wir weitergingen, stieg mir Fischgerichte in die Nase und auf einmal standen wir an einem kleinen Hafen. Bunte Boote schaukelten sanft auf den Wellen.

,,Schaut mal, das da gehört uns!" Matteo hatte uns eingeholt und zeigte uns stolz ihr Fischerboot. Wir durften sogar an Bord. Der Boden schwankte unter meinen Füßen. Das Fischernetz war sorgfältig zusammengerollt.  Neugierig schaute ich ich in die leeren Kisten, in denen nur noch hier und da durchscheinend Schuppen glitzerten. ,,Grazie!", bedankte ich mich. Ich wusste gar nicht, was Nelly hatte. Die waren doch ganz nett, die Jungs! In dem Moment klatschte etwas gegen mein T-Shirts und fiel zu Boden. Vor meinen Füßen lag ein alter Fischkopf. Ist das eklig! ,,Iiih!", kreischte Vivienne, als ihr kurz darauf auch ein Fischkopf um die Ohren flog. Die Jungs lachten. ,,Bei euch ist wohl'ne Schraube locker?", brüllte Nelly und feuerte die Köpfe zurück. ,,Die Besichtigung ist zu Ende!" ,,Was ist? Versteht ihr keinen Spaß?", rief Matteo. Nelly fuhr ihn Böse an. ,,Komm, nun habt euch doch nicht so!", sagte er versöhnlich. Nelly seufzte. ,,Na gut, ihr könnt ja am Nachmittag noch mal vorbeigingen.  Dann spielen wir Fußball, okay?" ,,Fußball?", fragte Matteo erstaunt. Doch die beiden anderen strahlten. ,,Au ja, Amerika gegen Italien. Die machen wir fertig!" ,,Das wollen wir erst mal sehen", meinte Nelly und zog mich und Vivienne hinter sich her. ,,Wir kommen um vier. Macht euch auf etwas gefasst!", rief Matteo siegessicher. ,,Fußball? Bist du verrückt?", beschwerte sich Vivienne, kaum dass wir um die nächste Ecke sind. ,,Psst! War doch nur ein Trick", zischte Nelly. ,,Wenn die mit ihrem Ball zu Oma kommen, sind wir längst am Strand. Oder habt ihr Lust, mit den Pappnasen schwimmen gehen?" Nee!" Ich lachte. ,,Super Idee!" Nelly grinste zufrieden. ,,Ja, die sind wir losen. Und die haben wirklich geglaubt, wir spielen Fußball mit ihnen!"

Nächstes Kapitel kommt am 2 September  

Zombies ( The Wolve and the Girl ) Wyatt Story ( German )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt