Ein Donnerwetter

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Die Sonne stand schon tief. Ich seufzte. Es hätte so ein schöner Tag sein sollen und nun steckten wir mitten in einem Albtraum! Längst hatten wir unsere Sachen aus der Höhle geholt, damit wir bereit waren, falls Rettung nahte. Doch die war nicht in Sicht. Dabei starrten wir alle drei wie gebannt auf Meer. Seit Stunden schon. ,,Und was, wenn niemand kommt?", fragte Vivienne schließlich. Daran hatte ich auch schon gedacht. ,,Dann müssen wir in der Höhle schlafen", sagte ich. ,,Wir decken uns mit den Handtüchern zu. Und zum Abendbrot haben wir noch ein paar Reste vom Picknick." Nelly nickte. ,,Sie werden uns suchen kommen. Spätestens morgen finden Sie uns bestimmt!" Obwohl es noch warm war, fröstelte Vivienne. ,,Vielleicht finden Sie uns ja auch schon heute", versuchte ich sie zu trösten. Eine Nacht in einer Höhle ist nur dann schön, wenn man dort freiwillig schläft! Plötzlich hörte ich ein leises Surren. Ich sprang auf. ,; Da kommt ein Boot!" Auch Vivienne und Nelly waren auf den Beinen. Gebannt starrten wir zur großen Felsennase. Noch war das Boot nicht zu sehen, aber jeden Moment wird es um die Ecke biegen. Doch auf einmal setzte das Surren aus. Es war ganz still. Und ein Boot war nicht zu sehen. Wir schauten uns entsetzt an. ,,Vielleicht Fischer, die dort angeln", überlegte Nelly. ,,Hilfe, Hilfe!", rief ich, so laut ich konnte. ,,Aiuto!", brüllte Nelly. Auch ich und Vivienne fielen mit ein. ,,AIUTO!" Der Motor brummte auf, dann surrt ein kleines Fischerboot um die Ecke. ,,AIUTO, AIUTO!" Ich, Vivienne und Nelly riefen und winkten. Und das Boot kam  näher. ,,Was ist denn mit euch passiert?", rief einer der beiden Fischer auf Italienisch. ,,Unser Boot ist abgetrieben und jetzt können wir nicht zurück", rief Nelly ihnen zu. ,,Bitte helfen Sie uns!" Mit dem flachen Boot kamen die Fischer, so nah es ging , an den Strand. Er wateten durchs Wasser zu ihnen hinüber. ,,Grazie mille", sagte ich. Und auch Nelly bedankte sich.Sie kannte die Fischer sogar. ,,Bist du nicht dir Enkeltochter von Signora Antonini? ", fragte einer. ,,Doch, ja", sagte Nelly. ,,Und das sind meine Freundinnen aus Seabrook." ,,Guten Tag", sagte der eine Fischer auf Englisch. Es ist ziemlich klar, dass er nicht viel mehr als das sagen kann.

,,Buongiorno", antwortete ich auf Italienisch. Und wir mussten lachen. ,,Dann bringen wir euch mal nach Hause." Der Fischer ließ den Motor an, wendete das Boot und tuckerte langsam die Felsenküste entlang. Gerade versinkt die Sonne rot glühend im Meer, als uns auf halber Strecke ein kleines Motorboot entgegenkam. ,,Das sind ja die Jungs", rief Nelly. ,,He, Matteo!" Aus der Ferne starrten Matteo, Thomas und Salvatore zu ihnen hinüber, als ob sie Gespenster sahen. Dann wendeten sie ihr Boot und sausten davon. Nelly starrte ihnen hinterher. ,,Da stimmt doch was nicht!" Im Hafen halfen die Männer mit, Vivienne und Nelly von Bord. ,,Vielen Dank noch mal", sagte Nelly. ,,Und einen guten Fang!" ,,Den haben wir ja gerade schon gemacht", lachte der eine und winkte uns zu.

Dann schnurrt das Boot über das dunkle Wasser davon. Nelly schaute sich nach dem kleinen weißen Motorboot um. Es lag vertäut an einem Steg. Von Salvatore, Matteo und Thomas war nichts zu sehen. ,,Wir müssen noch zu Bootsverleih", meinte ich. ,,Ob wir das Boot ersetzen müssen?" Vivienne schluckte.  ,,Wie teuer ist denn das?" Nelly zuckte mit den Schultern. Meine Beine waren ganz weich und wacklig. Das wird richtig Ärger geben! Obwohl er seine Bude längst geschlossen hatte, saß der Mann vom Verleih auf dem Rand eines seiner Boote und rauchte. ,,Na, Was wollt ihr denn hier noch so spät?", fragte er. ,,Eigentlich wollten wir unser Tretboot abgeben, aber ...", stammelte Nelly. ,,Euer Tretboot? Das ist doch längst wieder da", meinte der Mann. ,,Was?" Nelly glaubte sich verhört zu haben. ,,Unser Boot? Sind Sie sicher?" ,,Ja, klar. Es ist Nummer acht, das da drüben." ,,Und wer hat das abgegeben?", forschte Nelly nach. ,,Drei Jungs. Ich dachte, es sind eure Freunde." ,,Schöne Freunde", zischte Nelly. Mit mir und Vivienne lief sie durch die Gassen und erzählte uns unterwegs alles. ,,Woher haben die denn unser Boot?", fragte Vivienne. ,,Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet die ganz zufällig unser Boot finden", überlegte ich. Nelly's Augen wurden zu schmalen Schlitzen.  ,,Das war bestimmt wieder einer ihrer bescheuerten Streiche!" ,,Was?" Ich schüttelte mich. ,,Die lassen uns da alleine sitzen? Die spinnen doch!" ,,Das kannst du laut sagen! Aber die bekommen jetzt was zu hören. Kommt, hier geht's lang!" Statt zur Oma lief Nelly direkt zu dem Haus von Onkel Giulio. Er öffnete die Tür. ,,Nanu? Wir bekommen Besuch!" ,,Wir wollen nur kurz mit Matteo reden", sagte Nelly. ,,Dann kommt mal rein", meinte Onkel Giulio freundlich. ,,Matteo, Besuch für dich!" Matteo wurde blass, als er uns sah. ,,Hallo", nuschelte er verlegen. ,,Kommt hoch in mein Zimmer, ja?" Oben sind auch Thomas und Salvatore. ,,Ciao", begrüßte sie uns kleinlaut. ,,Geht's euch gut?" ,,Jetzt schon", fauchte Nelly auf Italienisch. ,,Aber euch geht's gleich schlecht. Ihr habt unser Boot geklaut. Gebt's zu!" ,,Ja", sagte Matteo gedehnt. ,,Das stimmt ..." ,,Spinnt ihr denn?", regte sich Nelly auf. Ich grinste.  Wenn Nelly auf Italienisch schimpfte, dreht sie sich auf. ,,Es war ja ganz anders geplant", nuschelte Thomas verlegen.  ,,Und wie?", wollte Nelly wissen. ,,Es sollte nur ein  kleiner Streich sein: Wir mopsen euer Boot und bringen es zurück, nachdem ihr ein bisschen geschmort habt", berichtete Matteo zögernd. ,,Das nennt ihr ein bisschen schmoren?" Nelly konnte es nicht fassen. Wütend übersetzte sie alles eigentlich nur für Vivienne denn ich verstand jedes einzige Wort. ,,Es tut uns leid, ehrlich", sagte Matteo. ,,Die Sache ist so was von schiefgelaufen. Wir wollten gerade zu euch zurück, da ist Papa aufgetaucht und hat uns verdonnert, ihm zu helfen. Wir wollten nichts beraten und dachten, es dauert nicht lange. Aber dann ist Papa mit uns im Auto weggefahren, um Fisch auszuliefern. Wir sind erst vor einer halben Stunde zurückgekommen. Natürlich sind wir gleich zum Hafen gelaufen, um euch zu holen. Aber da hatten euch die anderen schon aufgegabelt ..." ,,Wir wollten euch früher retten", ergänzte Thomas.  ,,Retten?" Nelly tippte sich an die Stirn. ,,Ihr seid echte Idioten!" In dem Moment klingelte es unten an der Tür. ,,Das ist Oma! Sie sucht uns bestimmt", rief Nelly und stürmte die Treppe hinunter. Matteo stürzte hinterher und hielt sie am T-Shirts fest. ,,Sie braucht ja nichts davon zu erfahren, oder?", flüsterte er ihr ängstlich zu. ,,Was brauche ich nicht zu erfahren, hätte? " Die Oma stemmte die Arme in die Seite. Wenn sie will, hat sie ein erstaunlich gutes Gehör. Es war geradezu unheimlich! ,,Ähm ..." Matteo holte Luft. Doch die Oma wartete die Antwort gar nicht erst ab.  ,,Ich weiß längst alles!", triumphierte sie. Ich biss mir auf die Lippen. Matteo und Nelly waren ganz blass geworden. ,,Eben hat mir mein Nachbar erzählt, dass Fischer die Mädchen zum Hafen gebracht haben. Was war denn da los? Hätte? " Sie funkelte die Jungs böse an  ,,Konntet ihr nicht besser auf sie aufpassen?" Matteo wurde ganz rot. ,,Ähm", stotterte et verlegen. ,,Die Jungs können nichts dagüfr", mischte sich Nelly ein. ,,Wir haben sie ausgetrickst und sind allein zur Sonnenbucht gefahren." ,,Allein?" Die Oma schlug die Hände über dem Kopf zusammen. ,,Hab ich euch das erlaubt?" ,,Nein ...", musste Nelly zugeben. ,,Natürlich nicht! Ahi, womit habe ich das nur verdient?" Die Oma hob mit großer Geste die Arme zum Himmel. ,,Scusa, nonna cara! ",  hauchte Nelly entschuldigend. ,,Nonna Cara, von wegen!", schimpfte die Oma. ,,Und eins sag ich euch: Noch einmal lass ich euch nicht alleine weg! Basta!" Die Oma holte tief Luft. ,,So, und jetzt kommt nach Hause, aber avanti!" Und damit scheucht sie uns Mädchen zu Tür hinaus und rauschte mit uns nach Hause. Als ob die Wut der Oma ins Essen übergeschäumt wäre, war die Nudelsoße an diesem Tag höllisch scharf gewürzt.  Mit tränenden Augen biss ich in eine Weißbrotscheibe.

,,Es tut uns wirklich leid", entschuldigte ich mich noch mal. ,,Hm", brummte die Oma. Sie war immer noch sauer. ,,Und dass sich eine alte Frau Sorgen macht, daran denkt ihr wohl gar nicht? Was hätte nicht alles passieren können?" Nelly schaute sie von der Seite her an. ,,Du hast früher wohl gar keine Streiche gemacht?", fragte sie. ,,Ich, aber natürlich", sagte Nelly's Oma nicht ohne Stolz. ,,Was meint ihr wohl, was wir alles gemacht haben?" ,,Dann ist ja gut", sagte Nelly nur. Die Oma starrte sie an. ,,Da hast du mich erwischt, ja?" Ich fürchtete schon ein noch schlimmeres Donnerwetter. Aber stattdessen fing  die Oma an zu lachen. Sie lachte und lachte, schlug sich auf die Schenkel und konnte gar nicht mehr aufhören. ,,Ihr seid mir drei Satansbraten, also wirklich. Aber ihr habt schon Recht", kicherte sie. ,,Als ich in eurem Alter war, mamma mia! Und ich wette, die Jungs haben sich ganz schön geärgert, dass ihr sie abgehängt habt!" ,,Ich glaub auch", grinste Nelly. ,,Na, dann bekommt ihr doch noch was vom Nachtisch", sagte die Oma und holte eine selbst gemachte Torte aus der Küche, die herrlich nach Zitronen duftete.

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