Kapitel 13 - Spurensuche

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Die Strahlkraft der Sonne schien hinter den Mauern eine andere zu sein als draußen. Entweder das oder ein beschissener Tag kündigte sich an. Sam saß im Hof, das Gesicht zur Sonne gekehrt. Die aber zierte sich heute und versteckte sich hinter einem faden Wolkenschleier, als habe sie verschlafen und würde sich jetzt noch auf die Schnelle hinter einem Vorhang umziehen wollen, obwohl alle Welt sie bereits sehen konnte.

Sam hatte die Augen geschlossen und sah dem sanften Lichtspiel der durch seine Augenlider scheinenden Sonne zu. Je nach dem, ob eine dichtere oder eine lichtere Wolke sich über die Sonne zog, variierten die Farben von hellblau über grasgrün zu gelb und knallrot. Sam hatte herausgefunden, dass er den Hofgang viel gewinnbringender genießen konnte, wenn er seine Augen geschlossen hatte und nicht sehen musste, wo er sich gerade befand.

Das Knarzen der Bank, als sich jemand neben ihn setzte, hielt ihn nicht von seinem unergiebigen Sonnenbad ab. Erst als ihn eine Hand an der Schulter berührte, öffnete er die Augen. Neben ihm saß Jay. Auch heute perfekt herausgeputzt, als sei er gerade auf dem Weg ins Büro und nicht in den Gefängnishof. Einzig das graue T-Shirt und die graue Hose wollten nicht recht ins Bild des Bürokaufmanns passen.

"Was geht?", fragte Jay.

"Nichts. Die Sonne will heute nicht so richtig", sagte Sam.

"War dein Anwalt schon bei dir?", fragte Jay ohne weitere Umschweife. Sam zog eine Augenbraue hoch. Er wunderte sich über Jays plötzliches Interesse. Gestern war noch Sam selbst derjenige gewesen, der neugierig Fragen gestellt hatte.

"Nein", erwiderte Sam. Er hatte schon Luft geholt, um zu ergänzen, dass er das Gefühl hatte, dass da wohl etwas nicht stimmte, ließ es aber bleiben. Das konnte sich Jay in seinem sorgfältig frisierten Kopf wohl auch selbst denken.

"Hör mal, ich habe eine Information, die dich interessieren könnte", meinte Jay und blinzelte Sam verschwörerisch zu.

"Und was willst du dafür?", fragte Sam gelangweilt.

"Nichts", sagte Jay und hob abwehrend die Hände, "es ist bloß etwas, das mir in der Nacht eingefallen ist und ich dachte, es kann dir weiter helfen. Ich habe darüber nachgedacht, was du mir erzählt hast. Dass du unschuldig bei diesem Verkehrsunfall bist. Ich wollte es dir nicht glauben, da bin ich ganz ehrlich, aber dann ist mir eingefallen, dass ich schon einmal einen Typen kennen gelernt habe, den sie hier wegen etwas eingebuchtet hatten, das mit deinem Fall zu tun haben könnte ...", sagte Jay.

Sam setzte sich aufrecht hin und betrachtete sein Gegenüber aufmerksam. Das weiche Sonnenlicht des trüben Tages vermochte Jays harte Gesichtszüge auch nicht zu glätten. Sein offenbar ziemlich hartes Leben musste sich in sein Antlitz geschliffen haben wie raue Wellen in einen Felsen.

"Und?", fragte Sam und bedeutete Jay mit einer Handbewegung, weiter zu sprechen.

"Und der Kerl hat Kennzeichen geklaut", sagte Jay und schaute Sam an, als würde er ihn dazu auffordern, selbst den Schluss aus dieser Information zu ziehen.

"Ach so", brummte Sam, lehnte sich nach vorne und stützte die Ellbogen auf seinen Knien ab.

Ihm war klar, was das bedeutete. In seiner Vorstellung sah Sam eine dunkel gekleidete Gestalt, die die Nummernschilder fremder Fahrzeuge stahl, um sie dann an seinem Wagen anzubringen und damit in aller Ruhe Läden auszurauben oder sonst etwas zu tun. Klar, wenn man ein fremdes Nummernschild an seinem Wagen hatte, dann brauchte man sich auch um Zeugen und Überwachungskameras keine Sorgen zu machen, vorausgesetzt man hatte auch eine gute Verkleidung.

Auf dem Überwachungsvideo wären zwar Einbrecher samt Fluchtfahrzeug zu sehen, das fremde Kennzeichen würde die Polizei jedoch auf eine falsche Fährte führen. So konnte man ganz einfach Zeit gewinnen oder sogar komplett unerkannt bleiben. Des fremden Kennzeichens konnte man sich danach entledigen und das war es dann.

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