Umgeben von zahlreichen Streifenwagen stand sie da und verharrte einen Moment lang regungslos. Conny stand direkt vor der örtlichen Polizeiwache und war drauf und dran, etwas zu tun, von dem sie nicht wusste, ob es etwas sehr Gutes oder etwas sehr Schlechtes bewirken würde. Sie stand da und stellte sich vor, wie sie die Treppen hinauf gehen würde. Wie sie in das Gebäude treten würde und dann den Mund aufmachen würde. Wie sie Wörter in den Raum hinein werfen würde, die sie nicht mehr zurück nehmen konnte.
Was würde sie damit bewirken? Wäre es überhaupt in Sams Sinn, dass sie jetzt gerade hier stand? Zumindest nicht im Sinne des Sam von vor ein paar Tagen. Gut möglich, dass er es sich in der Zwischenzeit selbst anders überlegt hatte. Dass er jetzt selbst eingesehen haben könnte, dass er die Geschichte mit der Schaufensterpuppe erzählen müsste. Bis jetzt hatte er es aber wohl nicht getan, denn sonst hätte Conny bestimmt etwas von ihm gehört.
Conny schluckte. Dieses Gebäude, das vor ihr aufragte, versetzte sie in Nervosität. Durch ein Fenster konnte sie im Inneren einige Beamte in ihren hellblauen Hemden herumlaufen sehen. In wenigen Momenten würde auch sie eintreten. Es würde unvermeidbar sein, wenn sie Sam endlich aus dem Gefängnis befreien wollte. Ja, eine andere Möglichkeit schien es nicht zu geben, als diese Wache zu betreten und zu sagen, dass sie gerne zu dem Fall um einen gewissen Samuel Witter aussagen wollte.
Ihr Fuß war schon auf der ersten Stufe, da rief jemand hinter ihr.
"Halt! Bleib stehen!"
Conny hatte die Stimme bereits erkannt, noch bevor sie die Person gesehen hatte, der sie gehörte. Eine so hohe Stimme, die das Potenzial hatte, einen gewissen langhaarigen Raser zu nerven, hatte schließlich nicht jeder. Sie drehte sich um und sah eine junge Frau auf sich zu rennen, die ihr nur allzu bekannt vorkam. Statt eines dunkelblauen Maxikleids trug sie heute eine lockere Jeansshorts und ein bauchfreies rotes Top mit kleinen weißen Herzen darauf.
"Ella?", fragte Conny irritiert und kam ihr einen Schritt entgegen.
"Geh nicht da rein", sagte Ella. Sie war zwar gerannt, war aber kaum aus der Puste gekommen. Doch Gelegenheit, um die Kondition der Freundin von Danny zu bewundern, hatte Conny nicht, denn zu groß war die Verwirrung darüber, von ihr beim Betreten der Polizeiwache aufgehalten worden zu sein.
"Was? Warum denn?", wollte Conny wissen.
"Mach nichts Unüberlegtes", sagte Ella und sah sie aus großen Augen an, die heute nur mit einem dünnen Lidstrich geziert waren.
Conny hielt offensiv ihren Blick und versuchte, möglichst nicht durchscheinen zu lassen, dass Ellas Erscheinen ihr alles andere als recht war. Das lag nicht an ihr persönlich, sondern daran, dass Conny das Geheimnis, das sie mit Sam teilte, mittlerweile so schwer auf ihrer Seele lag, dass sie entschlossen hatte, es hier und heute endlich abzuladen.
"Was machst du eigentlich hier?", fragte Conny und stemmte die Hände in die Hüften.
"Ich habe dich gesehen und bin dir gefolgt. Ich weiß, dass Danny bei dir war", sagte Ella.
"Ja, und? Warum bist du mir gefolgt?", fragte Conny. Dann setzte sie einen Blick auf, als habe Ella ihr eine Ohrfeige gegeben und fragte: "Bist du eifersüchtig?"
Der Blick von Ella offenbarte vollkommenes und absolut ehrliches Unverständnis. Sie schaute Conny an, als habe diese gerade etwas komplett Dämliches gesagt, das völlig deplatziert war. Ella schien einen Moment nicht zu wissen, wie sie reagieren sollte, dann entwich ihr ein kurzer Lacher und sie schüttelte den Kopf.
"Es gibt keinen Grund, eifersüchtig zu sein. Hör zu, ich will verhindern, dass du etwas tust, was andere ins Unglück stürzen könnte", sagte sie in einem erklärenden Tonfall, als sei sie die Lehrerin, die Klein-Conny gerade etwas ganz schwieriges in ganz einfachen Worten bei zu bringen versuchte.
DU LIEST GERADE
Höchstgeschwindigkeit
Mystery / ThrillerDer vor Selbstbewusstsein strotzende Sam hat neben der Liebe zu seiner Freundin die Leidenschaft fürs Rasen. Vollgas zu geben und den Fahrtwind rauschen zu hören, sind die Dinge, die er braucht, um von seinen Sorgen loslassen zu können. Blitzerfotos...