Vor meinem Haus angekommen, blieben wir stehen. Ich stellte mich Jungwon gegenüber und schaute ihn fragend an. Er hatte mich bis hierher begleitet, was mich vermuten ließ, dass er zu Jake wollte, doch irgendwie verabschiedete er sich nicht.
"Wolltest du nicht zu Jake?", fragte ich. Er schmunzelte. "Naja, wenn ich ehrlich sein darf...dann habe ich mich eigentlich gar nicht mit ihm getroffen.", meinte er und hob seine Augenbrauen erwartungsvoll. Doch ich konnte ihm nicht ganz folgen. "Aber ich dachte, du bist deshalb soweit mit mir gegangen, weil du zu ihm...", weiter kam ich nicht, denn ich fand einfach keine Worte mehr. Jungwon verwirrte mich einfach nur noch mehr mit seinem misstrauischem Blick und diesem Grinsen.
"Wer hat denn was davon gesagt, dass ich immer nur Jake besuchen will, wenn ich hierher komme.", sagte er. Ich brauchte ein paar Sekunden es zu verstehen, doch langsam konnte ich ihm folgen. Ich macht einen verstehenden Gesichtsausdruck und schnipste mit den Fingern. "Willst du also zu mir?" Er lachte kurz auf und wuschelte mir dann sanft über die Haare. "Natürlich, du kleines Häschen!"
Ich blickte ihn empört an und wollte mich verteidigen, doch er war schon weitergegangen und klingelte bereits an der Tür, weshalb ich ihm schnell folgte und mich abwartend zu ihm stellte. Schnell schnipste ich ihm auf seine Stirn, zur Strafe. Er grinste jedoch und schaute mich nur aus dem Augenwinkel an. Ging gar nicht, mich einfach so reinzulegen, mich klein zu nennen und dann mich auch noch einfach zu ignorieren.
Doch wenn ich so darüber nachdachte, fand ich es ja doch ganz witzig und konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Da machte auch schon Hia auf. Überrascht blickte sie von Jungwon zu mir und wieder zu den Größeren.
"Hey, ihr Beide! Heute wohl mal ein Zweierpack, erlebe ich ja nie so nach der Schule.", meinte sie und lächelte uns erfreut an. "Kommt doch rein! Das Essen ist gleich fertig."
Wir folgten ihrer Anweisung und ich schloss die Tür wieder hinter mir, nachdem Jungwon rein und meine Pflegemutter in die Küche gegangen war. Es roch schon herrlich nach frischem Essen und genau dann merkte ich, wie Hunger ich doch wieder hatte.
Wir zogen unsere Schuhe aus, stellten unsere Rucksäcke auf die Treppe und gingen Richtung Esszimmer. Oder eher gesagt ich tat es und Jungwon tat es mir nach.
Der Tisch war schon fertig gedeckt, weshalb wir uns auch direkt setzen konnten und nur noch warten mussten.
"Übrigens, bin ich kein kleines Häschen!", flüsterte ich drohend noch zu Jungwon, bevor Hia auch schon mit dem Essen aus der Küche kam. Er allerdings grinste und schaute mich entzückt an. Ich verschränkte meine Arme. Was konnte ich denn dafür...
~
Nach dem Essen waren wir direkt nach oben in mein Zimmer gegangen, um Hausaufgaben zu machen. Zumindest musste ich was für den nächsten Tag erledigen, während Jungwon sich auf mein Bett schmiss. Ich hatte keine Ahnung, was er dort alles anstellte, versuchte mich jedoch nicht davon abzuhalten.
Ich öffnete die Buchseite und mein Block. Seufzend blickte ich mit leeren Gedanken auf die Aufgabe. Mathe war ja wohl das Fach, wo mich ganz und gar fehl am Platz fühlte. Niki konnte es mir ebenfalls nie erklären, denn meistens hörte er nicht zu und wusste gar nicht mal worum es gerade ging.
Bei den anderen traute ich mich nicht. Nicht ein Wort hatte ich mit ihnen ausgetauscht, seit ich in diese Schule ging. Noch immer war ich wie gar nicht da für sie.
"Brauchst du vielleicht Hilfe?", riss mich Jungwon aus meiner Verzweiflung heraus. Ich blickte mich zu ihm um. Er lag mit dem Kopf auf seinem Arm auf meinem Bett, ein Bein war lag waagerecht auf das andere hochgestemmte Bein. Er hatte es sich ja echt gemütlich gemacht, fragte man sich nur, was er die ganze Zeit gemacht hätte, wenn ich die Aufgaben ganz einfach gelöst hätte können.
Ich überlegte kurz, nickte dann aber als Antwort. Mit einem Satz stand er schon auf seinen Beinen und trottete zu mir an den Schreibtisch hinüber. Ich beobachtete ihn dabei kurz, las mir dann aber die Aufgabe nochmal durch.
"Was ist das denn für ein Fach?", fragte er und stützte sich an die Tischkante mit seiner Handfläche ab. "Ehm...Mathe. Hier, diese Aufgabe.", meinte ich und legte mein Finger auf die Stelle, wo die jeweiligen Buchstaben und Zahlen aufgedruckt waren.
Kurz war Stille, als er das Buch näher zu sich zog und sich die Aufgabe genau anschaute. So konzentriert, wie seine großen, braunen Augen über das Buch wanderten, so musterte ich jedes einzelne Detail aus seinem Gesicht. Noch nie hatte ich dies gemacht. Angeschaut zwar schon, aber noch nie so vom Nahem. Etwas von ihm wollte mich schon daran hindern wegzuschauen, so viele schöne Dinge waren bei ihm zu entdecken. So anders sah er plötzlich für mich aus...so liebevoll und attraktiv.
"Also...", hörte ich nur und hörte ihm zu, jedoch konnte ich seine Worte nicht wirklich verstehen. Zu fasziniert war ich in diesem Moment von ihm. Das Gefühl war da, die ganze Zeit, doch nun spürte ich etwas Warmes in mir und mein ganzer Körper fing an zu prickeln und kribbeln.
"Hast du verstanden?", fragte er. Bei dieser Frage wachte ich allerdings wieder aus meiner Starrheit heraus und merkte, was ich gerade eigentlich verpasst hatte. Es war mir unangenehm, ihm nicht zugehört zu haben, obwohl es doch wichtig für mich war. Doch es war gerade irgendwie nicht anders möglich gewesen, dieses Mal konnte ich mich nicht von meinen Gedanken abwimmeln lassen.
"Ally, ist alles in Ordnung?" Ich hätte mich auf den Kopf schlagen können, dass ich nicht einmal antwortete, sondern einfach weiter ihn anstarrte. "Ehm...j-ja, ja! Sorry, ich war gerade in Gedanken...", versuchte ich mich rauszureden. Er grinste. "Ach, kein Problem, das passiert doch jeden mal. Soll ich dir es denn nochmal erklären oder hast du es so auf halbem Ohr verstehen können?", fragte er und seine Grübchen kamen zum Vorschein. Ich bewegte meine Schultern unsicher auf und ab.
Wieder durchwuschelte er meine glatten Haare. "Ich erkläre es nochmal!" Ich konnte mir ja doch kein Schmunzeln verkneifen...
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Scars // Enhypen Jungwon FF
FanfictionAlly, 16 Jahre, trägt mit sich eine schwere Vergangenheit, die ihr ganzes Leben zerstört hat. Sogar Farben kann sie schon nicht mehr sehen und überall auf ihrem Körper sind Narben verteilt. Als sie zu einer Pflegemutter geschickt wird, geht sie auc...