Die Zeit verging wie im Fluge. Ich hatte den Griff schnell raus, da ich ja so das Meiste schon herausnehmen konnte beim Beobachten. Die Jungs waren alle natürlich besser als ich, aber trotzdem machte es einfach nur so krass Spaß und Bock.
Sie lachten mit mir, auch wenn ich es nicht zeigen konnte. Vielleicht merkten sie es ja trotzdem, dass ich eine riesen Freude daran fand, zumindest hoffte ich dies.
Vor allem pochte mein Herz jedes Mal wie wild, wenn Jungwon mich anlächelte. Zwar spielte ich im gegnerischen Team mit Jake, Sunghoon und Heesung, doch war die Gemeinschaft mit den Anderen immer noch da.
Ja...Gemeinschaft... Ich hatte dieses Gefühl seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gekannt, selbst vergessen, was es doch nochmal war. Aber nun war ich mittendrin...in einer Gemeinschaft und wollte diesen Ort am liebsten nie mehr verlassen.
Als das Spiel vorbei war, nachdem unser Team, gewonnen hatte, bekamen die Jungs Hunger und planten nun was essen zu gehen.
Jungwon kam auf mich lächelnd zu und erhob beide Arme in die Luft, so dass seine Handflächen ebenfalls nach oben gestreckt waren. Ich tat es ihm nach und schlug sanft darauf mit meinen dürren Händen auf Seine. Nervös machte es mich, ihm so nahe zu kommen. Doch warum tat ich dies nur bei ihm und nicht bei den Anderen? Immerhin hatte mir Heesung doch auch ein Handschlag gegeben. Zudem wollte ich ihm am liebsten noch näher kommen und fühlte mich alleine schon wohl mit dem Gewissen, dass er hier war. Es war einfach nur so fremd für mich, so ein Gefühl zu besitzen. Doch die Angst, die ich davor hatte war verschwunden. Es war mehr wie eine Verwirrtheit und Sorge.
"Du bist ja echt gut darin!", lobte er mich. "Danke...b-bist aber besser.", meinte ich. Ich bekam das Gefühl mich gleich nicht mehr unter Kontrolle zu haben und griff nervös nach meinem Oberteil. Jungwon sah dies, sagte aber nichts dazu.
"Kommt ihr? Ich sterbe gleich vor Hunger!", jammerte Niki, der bereits schon bei Sunoo angekommen war. "Yah, sei doch nicht so laut, die kommen doch schon!", beschwerte dieser sich und verdrehte genervt die Augen.
"Na dann, wollen wir?", fragte Jungwon. Ich nickte und wir folgten der Truppe.
Der Himmel verlor langsam die bunte Abendfarbe und der Mond kam bereits zum Vorschein. Die ganze Zeit über blieb ich bei Jake, da er darauf bestand, dass ich in dieser Dunkelheit bei ihm bleiben sollte. Wahrscheinlich fühlte er sich als guter Nachbar irgendwie verantwortlich für mich. Aber es machte mir nichts aus, denn langsam fing ich an Jake ganz sympathisch zu finden und nicht jemand, vor dem ich lieber Abstand halten sollte. Ich gewöhnte mich langsam immer mehr an ihm. An die anderen natürlich auch, aber dadurch, dass ich Jake nun schon öfters begegnet war, oder eher gesagt jeden Tag, war es nochmal was anderes. Die Stimmung zwischen uns war dafür nun viel lockerer und er erzählte nicht nur Jungwon etwas, der neben ihm ging, sondern bezog mich mit ins Gespräch.
Ja, Jungwon...Bei dem war ja auch noch was... Ich wusste einfach nicht was ich machen sollte. Sollte ich vielleicht jemanden fragen, was das zu bedeuten hatte? Vielleicht Hia? Oder überreagierte ich einfach mal wieder? Es könnte doch sein, dass man bei jedem Menschen was anderes fühlte...die Atmosphäre war vielleicht von Mensch zu Mensch anders. Aber würde ich dann bei den anderen Jungs nicht auch immer was anderes fühlen, etwas was man auch stark bemerkte, wie eben bei Jungwon. Denn bei ihm, wie auch bei Jake, war es nochmal ganz anders ausgeprägt.
~
Wie vor jedem Gespräch saß ich nervös im Wartezimmer. Neben mir saß Hia und las ein Buch.
Wie konnte sie einfach nur so beruhigt da sitzen? Immerhin würden ihr auch ein paar Fragen gestellt, natürlich wenn ich nicht dabei war.
Endlich kam die Frau, die uns jedes Mal ins Wartezimmer erstmal schickte, zu uns und rief meinen Namen auf. Automatisch standen wir beide auf und folgten der Frau ins Behandlungszimmer.
Hier saß meine Therapeutin bereits und lächelte mich herzlich an, als ich nach Hia das Zimmer betrat.
"Hallo, Ally! Setz dich doch gerne.", meinte sie und deutete auf die Sitzplätze vor ihrem Pult. "Wollt ihr irgendetwas trinken? Kaffee, Tee?" "Nein, danke! Ich brauche nichts!", meinte Hia höflich, nachdem wir Platz genommen hatten. "Alles klar! Und du auch nicht, Ally?", wendete sie sich freundlich an mich. Ich schüttelte den Kopf. Solange keine Worte nötig waren, brauchte ich sie ja auch nicht anwenden.
"Okay, gut!", meinte sie und nahm direkt ihren Stift in der Hand, was für mich bedeutete, dass sie sofort beginnen würde. "Wie läuft es denn mit der Schule so? Kommst du gut mit?" Ich zuckte mit den Achseln. "Mal so mal so!" "Aber gibt es denn Schüler, die dir manchmal helfen, wenn du wo nicht mitkommst?" Ich schüttelte den Kopf. "Aber du bist jetzt nicht irgendwie überfordert oder dich überlastet die Schule, richtig?", wollte sie sichergehen. "Nein!" Meine Therapeutin nickte nur.
"Willst du mir denn verraten, wie lange du früher in der Schule warst, vor deiner Entführung?" Meine Augen wendeten sich automatisch von ihr ab, als sie meine Vergangenheit erwähnte. Ich sagte nichts dazu, denn dies wollte ich einfach nicht antworten. Oder eher gesagt, ich konnte es nicht mal. Ich wusste einfach nichts mehr mehr, wie mein Leben davor war. Zu lange lebte ich in dieser Finsternis von Sklaverei.
"Weißt du denn überhaupt noch etwas darüber?" In mir stieg die Wut auf und meine Augen wurden wässrig. "Ally, diese Frage habe ich dir doch schon so oft gestellt. Doch irgendwann musst du uns dir auch helfen lassen, verstehst du? Wir müssen..." "Ihr müsst gar nichts! Was bringt es euch denn, huh? In meiner Vergangenheit zu graben, an die ich mich selber nicht mehr erinnern kann. Er ist festgenommen und das ist doch was zählt, oder nicht? Also lasst mich einfach in Ruhe damit!", brüllte ich voller Frustration und Tränen strömten über mein Gesicht.
Ich wollte hier einfach nur noch raus und nie wieder zurückkehren. Jedes Mal stellte sie dieselben Fragen, also wie oft musste ich ihr noch klar machen, dass ich es nicht wusste und auch kein Wort darüber austauschen würde.
Hia versuchte mich zu beruhigen und legte ihre Hände auf meine Arme. "I-ist es in Ordnung, wenn wir beide heute vielleicht alleine reden?", wendete sie sich an die Therapeutin, welche zustimmend nickte. "Dankeschön!", sagte Hia und stand auf. Sie bat mich mitzukommen und führte mich in den Flur. Hier konnte ich mich gegenüber des Büros auf ein Stuhl setzen, während Hia mit dem Gespräch mit fortfahren würde. Doch allerdings konnte ich alles hören.
"Es tut mir leid, dass wir da so hart vorgehen müssen, aber anders hatte es ja vorher noch weniger gebracht. Sie ist in einem tiefen, dunklen Loch gefangen, doch sie muss sich daran erinnern, wie das Leben davor ausgesehen hatte. Es ist wichtig, dass sie das Geschehene verarbeiten kann, denn sonst wird es sie ihr ganzes Leben lang verfolgen.", hörte ich die Therapeutin sagen. Ein deutliches, besorgtes Seufzen war von Hia zu hören. "Ich weiß, ich meine, ich will ja auch nicht, dass sie ihr ganzes Leben so leben muss voller Angst und Unsicherheit. Aber ich finde, dass wir ihr mehr Zeit lassen sollten. Sie macht sich nämlich schon viel besser. Gestern war sie sogar mit unserem netten Nachbarsjungen und seinen Freunden unterwegs..."
Weiter hörte ich nicht hin. Ich nahm meine Kopfhörer und mein Handy, welche Hia mir neu gekauft hatte, und lauschte der Musik. Dies tat einfach nur, wie immer, gut und lies all meine Sorgen kurz abschalten.
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Scars // Enhypen Jungwon FF
FanfictionAlly, 16 Jahre, trägt mit sich eine schwere Vergangenheit, die ihr ganzes Leben zerstört hat. Sogar Farben kann sie schon nicht mehr sehen und überall auf ihrem Körper sind Narben verteilt. Als sie zu einer Pflegemutter geschickt wird, geht sie auc...