Kapitel 2: Heal

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Kapitel 2: Heal

Kim stürzte förmlich aus seinem Auto, schlug die Tür mit einer solchen Wucht zu, dass das Knallen meterweit zu hören war und stürmte zu seiner Tür. Er warf dem Bodyguard, der vor der Tür stand, seinen Schlüssel zu und fauchte: ,,Nein!", als dieser den Mund öffnete, um wahrscheinlich etwas zu sagen. Gott, er vermisste Big. Der verstorbene Leibwächter hatte wenigstens gewusst, wann er die Klappe halten musste - zumindest, als er für ihn gearbeitet hatte. Pana, der neue Bodyguard, schloss seinen Mund wieder und ließ ihn stattdessen passieren. Er drückte auf den Knopf des Aufzuges und wartete. Langsam flackerten die Zahlen an der Aufzugstür nach unten, viel zu langsam. Mit einem genervten Ausatmen entschloss sich der Schwarzhaarige, nun doch die Treppe zu nehmen. Im Laufschritt lief er nach oben, zog seinen Schlüssel aus der Tasche und war in seinem Appartement, noch bevor der Aufzug überhaupt Anstalten machte, wieder nach oben zu fahren. Er kickte sich die Schuhe von den Füßen, warf seine Lederjacke achtlos auf den Boden und stapfte auf direktem Weg zu seiner Gitarre. Sobald seine Finger das Holz berührten, wurden seine sich überschlagenden Gedanken zumindest etwas ruhiger. Er nahm die Gitarre vom Ständer und ließ sich mitsamt dem Instrument auf den Boden sinken. Nirans Worte hallten in seinem Kopf wieder: ,,Verzeihen Sie mir meine Offenheit, Sir, aber es kommt sehr oft vor, dass...nun ja, dass er ihren Namen ruft."

Das konnte nicht sein oder?! Warum um alles in der Welt sollte Porchay seinen Namen rufen?! Nach all dem, was passiert war?! Das war so unwahrscheinlich, dass ein freudloses Lachen aus Kims Mund kam. Wenn Chay wirklich noch an ihn dachte, wenn ihm noch etwas an ihm lag, hätte er dann nicht auf das Video reagiert?! Der Chay, den er kennengelernt hatte, hätte das getan. Er trug sein Herz auf der Zunge und Sonne im Blick und er rief seine Gefühle und Meinungen mit einem Megafon in die Welt hinaus. Der Schwarzhaarige dachte an den Moment, an dem Chay vor seinem Appartement gestanden hatte, die Gitarre in der Hand, die Augen voller Hoffnung und Zuversicht. Und dann hatte er gesungen - zwar ungeübt, aber voller Gefühl. Und noch während er sein selbstgeschriebenes Lied vortrug, hatte sich bei Kim die Gewissheit eingestellt, dass der jüngere Mann tatsächlich für ihn schwärmte. Als wären die Bilder und das aufgehängte T - Shirt nicht Indiz genug gewesen, dass Chay Gefühle für ihn hatte.

Doch es war etwas passiert,  mit dem Kim nicht gerechnet hatte. Schon, als er diesen kleinen Altar in Chays Zimmer gesehen hatte, hatten sich seine Mundwinkel wie von selbst nach oben bewegt. Und zwar nicht um sich lustig zu machen, sondern...weil es ihn berührt hatte. Und als Chay dann für ihn gesungen hatte, war dieses Gefühl nur stärker geworden. Dieser Junge hatte etwas in ihm angerührt, von dem er geglaubt hatte, dass es schon lange verkümmert war. Doch dann kam der Abend im Studio, Chays nervöses, ängstliches Geständnis. Er hatte sich nicht beherrschen können, das Bedürfnis, ihn zu berühren war einfach zu stark gewesen. Er hatte Chay auf die Wange geküsst und für einen Moment, einen winzigen Moment vergessen, dass er das hier eigentlich alles nur tat, um mehr über Porsches Intentionen herauszufinden. Das war ihm schlagartig bewusst geworden, als Porchay ihn am nächsten Tag fragte, ob er ihn liebte.

Er hatte ihn von sich stoßen müssen, es hatte einfach keinen anderen Weg gegeben.
Vor allem, nachdem Chay entführt worden war, wegen ihm. Er musste etwas tun, verhindern, dass die Familie oder Chay wieder zur Zielscheibe wurde. Also war es ihm recht gewesen, dass Chay ihn konfrontiert hatte, nachdem er herausgefunden hatte, wer Kim wirklich war.

,,Hast du mich jemals geliebt?!"

Kim öffnete die Augen wieder, die er die gesamte Zeit geschlossen gehalten hatte, während er über die vergangenen Wochen nachdachte und biss sich auf die Unterlippe. Er hatte gedacht, er könne sich abgrenzen und Porchay vergessen, doch sein dummes, törichtes Herz hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er hatte einfach etwas tun müssen, als er erfuhr, dass Chay nicht zum Interview erschienen war und hatte ihn mit Menschen, die er vermutlich seine Freunde nannte, gefunden. Er war gerade noch rechtzeitig gekommen, um das Schlimmste zu vermeiden, doch er hatte nicht mit Chays Wut gerechnet. Seine Augen hatten nur so geblitzt und allein ihn wiederzusehen hatte sich angefühlt, als würde man Kim foltern - langsam und qualvoll. Als es darum ging, ihn beim Angriff auf den Sitz der Hauptfamilie zu beschützen, hatte er nicht mal darüber nachdenken müssen. Er hatte einfach gehandelt, ohne dass Chay überhaupt wusste, dass er die Männer in der Bar ausgeschaltet hatte.

Der Schwarzhaarige legte sich die Gitarre auf die Knie und spielte die ersten Akkorde des Liedes, das er geschrieben hatte, um seine Gefühle endlich in Worte fassen zu können. Und er hatte es Chay geschickt, doch eine Antwort hatte er nicht erhalten. Stattdessen musste er nun die Stille ertragen, die zwischen ihnen herrschte. Und jetzt das - Chay, der von Albträumen geplagt wurde, Chay, der im Schlaf seinen Namen rief, Chay, der ihn vielleicht, ja nur vielleicht, genauso vermisste. Kim atmete aus. Er war wirklich nicht gut in solchen Dingen - vielleicht sollte er morgen Khun besuchen, bevor er einen Fuß sein das Haus der Nebenfamilie setzte.

Auch wenn sein großer Bruder exzentrisch war, er hatte immer ein gutes Gefühl, was Beziehungen anging.

Kims Finger bewegten sich wie durch Zwang über die Seiten und er summte leise die Melodie des Liedes mit. Doch dann hielt er inne und stieß einen leisen Fluch aus. Bei seinen Überlegungen hatte er eine sehr wichtige Sache vergessen - weder Tankhun noch Kinn wussten, dass zwischen ihm und Porchay etwas gewesen war. Und noch schlimmer...

,,Porsche.", murmelte er. Von Kinn wusste er, dass dessen Freund das Gefühl hatte, Porchay würde ihm etwas verschweigen. Und diese Sache war höchstwahrscheinlich er. Am besten, er dachte erstmal nicht darüber nach, was dieser Hitzkopf machen würde, wenn er es herausfand, sondern machte sich erstmal an die erste Hürde - Tankhun und seine hoffnungslose Romantik.

Dors mon ange - KimChay (slow updates)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt