Kapitel 6: Honesty

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Kapitel 6: Honesty

Im Fahrstuhl herrschte eine unangenehme Stille. Weder Kim noch Porchay sagte irgendetwas und ansehen taten sie sich schon gar nicht. Der Schwarzhaarige könnte sich selber ohrfeigen. Was hatte ihn nur geritten, nicht nur in Chays Zimmer zu gehen, sondern sich auch noch zu ihm ins Bett zu legen? Ja, er hatte mit ihm reden wollen, doch jetzt, wo der Moment gekommen war und er nichtmal die Möglichkeit vorher gehabt hatte, sich darauf vorzubereiten, wollte er am Liebsten davonlaufen. Obwohl - das hatte ja auch nicht funktioniert, immerhin war Chay ihm ja gefolgt. Nach einer gefühlten Ewigkeit hielt der Fahrstuhl endlich in Kims Loft an und die Türen öffneten sich. Als der Schwarzhaarige hinaustrat und sich zu dem Anderen umdrehte, konnte er neben der Reserviertheit in dessen Blick nun auch Neugier erkennen. Stimmt ja, Chay war noch nie in seiner Wohnung gewesen, sondern nur er bei ihm.

,,Kommst du, Pup...Chay?!"

Er konnte es einfach nicht lassen, sein Spitzname für den jungen Mann rutschte ihm immer wieder hinaus. Porchay trat nun ebenfalls aus dem Aufzug. Wieder schwiegen sie sich an. Das würde hart werden, das konnte Kim schon voraussehen. Er musste den ersten Schritt machen, da führte kein Weg dran vorbei. Nur wie, verdammt?! Sein Blick fiel wieder auf Chays Hände und er konnte auch sehen, dass sich die Hose an seinen Knien dunkel verfärbt hatte. Das der Schwarzhaarige nicht mehr trug als eine Jogginghose und ein weites T-Shirt, fiel ihm jetzt erst auf.

,,Du blutest."

Die Antwort war ein Augenrollen. ,,Ach wirklich, Kim?! Wer hätte das gedacht."

Anscheinend war er immer noch auf Krawall gebürstet - wer könnte es ihm verübeln. Kim holte tief Luft und machte eine Handbewegung in Richtung des Badezimmers.

,,Ich...ich hole mal meinen Verbandskasten."

Ohne eine Reaktion seitens Chay abzuwarten ging er schnell in das Bad und ging vor dem Schrank in die Knie, um sein Verbandszeug ganz unten herauszunehmen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und er spürte, wie schwer es ihm fiel, die gleichgültige Charade aufrecht zu erhalten. Diese Maske machte ihn stark, unverwundbar geradezu. Doch jedes Mal, wenn Porchay in seiner Nähe war, bekam sie Risse. Er erhob sich wieder und ging zu Chay zurück. Dieser hatte inzwischen auf dem Sofa Platz genommen und das eine Bein seiner Jogginghose hochgerollt. Mit einem Zischen betrachtete er sein aufgeschürftes Knie, dann sah er hoch und ihre Blicke trafen sich. Kims Herz stolperte in seiner Brust und er wandte den Blick schnell wieder ab und öffnete stattdessen den Verbandskasten.

,,Was soll das Ganze hier, Kim? Und ich meine nicht nur die Situation hier, sondern alles."

Warum konnte Chay nicht einfach warten, bis er bereit war, zu antworten. Er zog eine Packung Pflaster und eine Schere heraus und begann, ein Stück abzuschneiden. Wenigstens hatte er dadurch Zeit, um zu antworten - so dachte er zumindest. Doch Porchay schien gar nicht daran zu denken, ihm diese Zeit zu lassen.

,,Warum hast du mit mir Schluss gemacht? Waren wir überhaupt zusammen oder war das nur eine weitere Lüge, um mehr Infos über Porsche zu bekommen? Aber warum dann das Video?"

Was sollte er darauf antworten. ,,Es...es tut mir leid..."

,,Es tut dir leid?! ES TUT DIR LEID?!"

Kim wusste selber, wie fadenscheinig das klang. Er nahm eine Flasche Desinfektionsmittel aus dem Kasten, drehte sie auf und tränkte ein Tuch mit der Flüssigkeit. Dann hielt er er eine Hand in Richtung des Anderen. ,,Gib mir deine Hand."

,,Wenn du mir eine Antwort gibst.", schnappte Chay. Der Schwarzhaarige biss sich auf die Lippe, atmete tief ein und schaffte schließlich, zu sprechen: ,,Wenn man es so sieht, habe ich nicht mit dir Schluss gemacht."

Porchay starrte ihn an. Die Situation nutzend griff Kim nun doch nach der Hand des Anderen und begann, die aufgeschürften Stellen zu desinfizieren. Chay stieß ein Zischen aus, dann sagte er: ,,Hast du nicht?! Und die Situation in der Bar. Deine Worte waren ziemlich deutlich."

,,Ich verteidige mich, Puppy, so bin ich halt."

Der Andere versuchte, seine Hand wegzuziehen, doch Kim ließ es nicht zu.

,,Das nennst du verteidigen?! War das, dass du diese Männer in Yoks Bar getötet hast, etwa auch verteidigen?! Ich habe mich umgedreht und der Raum war voller toter Menschen. Du bist einfach abgehauen."

Er wollte es nicht, aber er spürte seinen Mundwinkel zucken. Es war einfach gewesen, diese Männer auszuschalten. Sie waren einfältig gewesen, ihn zu unterschätzen. Es war schnell vorbei gewesen - der Dolch der Familie Theerapanyakul hatte zugestoßen und vernichtet.

,,Sag mir nicht, dass du gerade lachst."

Mit einem Ruck kamen seine Gedanken wieder im hier und jetzt an. Porchay sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an, bevor er fortfuhr: ,,Ehrlich, Kim, was war so schwer daran, auf sich aufmerksam zu machen?"

Der Schwarzhaarige versuchte, Zeit zu schinden, indem er auf Chays Bein deutete. ,,Zeig mir bitte dein Knie."

Diesmal ließ der junge Mann vor ihm widerstandslos zu, dass er sein Knie verarztete, aber sein erwartungsvoller, sich in ihn bohrender Blick blieb bestehen. Schließlich räumte Kim alles wieder in seinen Verbandskasten und stand auf.

,,Ich bin gleich wieder da."

Das würde ihm mit Sicherheit einen kleinen Zeitrahmen verschaffen, um den Kloß in seiner Kehle hinunterzuschlucken. Doch er war fast in seinem Bad angekommen, als Chays Stimme wieder erklang: ,,Ganz ehrlich, Kim, wenn du auf keine meiner Fragen eingehst, weiß ich nicht, was ich hier soll. Wenn es so weitergeht, bin ich mir einer Sache völlig sicher - dann wirst du mich verlieren."

Wie angewurzelt blieb Kim stehen. Porchays Worte hallten in seinem Kopf wieder. Plötzlich begann seine Hand, die den Verbandskasten hielt, zu zittern. Erst nur leicht, dann immer stärker. Er versuchte, das Zittern zu stoppen, aber es nahm nur an Intensität zu. Seine Finger wurden taub und mit einem lauten Klappern fiel der Kasten zu Boden. Mit der freien Hand schlug er gegen den Türrahmen, seine Hand zu einer Faust geballt.

,,Kim?!"

Langsam drehte er sich um. Chay war aufgestanden und sah ihn an, der Wut war Sorge gewichen. Das Zittern hatte immer noch nicht aufgehört, es hatte nun seinen gesamten Körper vereinnahmt.

,,Puppy, ich kann vieles ertragen. Beleidigungen, elend lange Diskussionen, Kämpfe, Schießereien, sogar Folter. Aber eines könnte ich nicht ertragen - dich zu verlieren. Also bitte, geh nicht, denn...denn ich brauche dich!"

Dors mon ange - KimChay (slow updates)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt