Das Licht der Niederhölle 5/5

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Prinzessin Lyra

Lyra saß frustriert am Rand ihres Bettes und starrte auf die dunkle, kalte Tapete an der leeren Wand. Sie weigerte sich, den Worten ihres Vaters Glauben zu schenken, und konnte nicht begreifen, warum er willkürlich Dämonen tötete. Es konnte unmöglich nur wegen des schwachen Lichts sein, das noch in den Dämonen verblieb. Er hatte niemals eine Neigung zum wahllosen Töten Unschuldiger gezeigt. Ein tiefer Atemzug ließ den Stoff ihres prachtvollen Kleides sanft wehen, während sie ihren Kopf senkte. Ihr Kleid schimmerte in leuchtenden Rottönen, als ob es von den Flammen selbst durchdrungen wäre. Goldene Verzierungen zierten den Saum und funkelten im Licht. Der Stoff fiel in fließenden, eleganten Falten. Der Ausschnitt enthüllte subtil ihre Schultern, während funkelnde Edelsteine wie glühende Kohlen entlang des Oberteils schimmerten. Ein atemberaubendes Kunstwerk aus Feuer und Eleganz, was sie besonders gerne an ihrem Geburtstag trug.

Verzweifelt suchte sie nach einer Erklärung für diese Absurdität, doch sie musste zugeben, dass sie in diesem verschlossenen Raum keine Lösung finden würde. Sie fühlte sich hilflos, während sie dabei zuschauen musste, wie ihr Königreich und ihr Volk von ihrem eigenen Vater zerstört wurden. Ein tiefer Seufzer entwich ihren Lippen, und die Hoffnungslosigkeit übermannte sie. Sie vergrub beschämt ihr Gesicht in ihre Hände.

»Verzeiht mir. Geht es Euch gut, Prinzessin?« Lyra bemerkte nicht, wie sich die verfluchte Tür leise öffnete, und sah überrascht zu der Person auf, die sie gerade jetzt am dringendsten gebraucht hatte. 

»Maridith! Was führt Euch hierher? Die Seelen könnten nach Euch suchen und Euch bei meinem Vater verraten!«
Obwohl es tröstlich war, ihre Amme in diesem Moment bei sich zu haben, erschien es doch unüberlegt von ihr, sich von ihrem Posten zu entfernen. Lyra wollte nicht, dass Maridith wegen ihr in große Schwierigkeiten geriet.

»Das ist mir bewusst, daher habe ich nicht viel Zeit.« ,erklärte sie, schloss die Tür leise hinter sich und ließ sich behutsam neben Lyra nieder. 
Sofort verspürte sie den Impuls, sie vom Bett zu stoßen und sie aufzufordern, ihr Gemach zu verlassen. Dennoch wollte sie Maridith im selben Moment bei sich haben und gestattete ihr verbotenes Verhalten für einige Minuten. 

»Ich nehme an, Ihr habt die Veränderung Eures Vaters bemerkt?«, sagte Maridith mit äußerst zartem Ton, als wäre Lyra etwas, das jeden Moment zerbrechen könnte. 

»Ich hatte keine Ahnung, wie schlimm es geworden ist. « ,gestand Lyra, holte tief Luft und sah in die feuerroten Augen ihrer Amme.
»Könnte es sein, dass die Finsternis ihn-?«
»Verschlingt?« ,vollendete Maridith ihren Satz und ließ ein ebenso schweres Seufzen über ihre Lippen gleiten, sodass es Lyra über ihren linken Arm spüren konnte. 
»Anfangs dachte ich das auch, aber mittlerweile neige ich zu einer noch schrecklicheren Vorstellung, die wir uns kaum ausmalen können.« ,sprach sie besorgt, legte sanft ihre rechte Hand auf Lyras Handrücken und begann beruhigend zu streicheln. 
»Versteht Ihr nun, warum ich Euch zu ihm gelassen habe?«
Lyra ergriff die streichelnde Hand mit beiden Händen und drehte sich zu ihr. In den roten Augen sah sie, wie ein vernebeltes Feuer loderte. 

»Ja. Ich danke Euch, Maridith! Ich kann nicht zulassen, dass er unser gesamtes Volk auslöscht! Jedes Leben, das noch in der Niederhölle verweilt, sollte nicht sinnlos genommen werden, egal aus welchem Grund wir hierher gelangt sind.«
Dabei spürte sie einen kalten Windhauch in ihrem Nacken, während sie versuchte, in den Augen ihrer Amme etwas anderes als ein wütendes Feuer zu erkennen. 
»Da habt Ihr recht, Prinzessin.«, sagte Maridith tonlos.
Sie löste sich sanft aus Lyras Umklammerung, erhob sich und trat zurück. Lyra wartete darauf, dass weitere aufmunternde Worte von ihr kamen. Sie beobachtete sie gespannt, bis sie begriff, dass ihre Amme keine weiteren ermutigenden Sätze formulierte. 

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