» Oh Gott, dass ist als würdest du mir jeden Feiertag auf einen Teller servieren«, seufzte ich, als er mir das beste Sushi, das ich jemals gegessen habe vor die Nase stellt. Außerdem gebratene Nudeln, die mich an die meiner Mutter erinnerten.
Henry lachte und stellte eine Flasche Pocari Sweat hin.
Plötzlich überkam mich Heimweh. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie es in Japan war, aber meine Mutter hatte alles in unserer britischen Wohnung so eingerichtet, dass alles nach Japan schrie. Sie kocht nur japanisches Essen, weil sie englische Gerichte nicht verstand. Sie sprach nicht mal ein Wort Englisch, bis sie meinen Vater wiedergefunden hatte.
Das war aber eine andere Geschichte, auf die ich jetzt keine Lust hatte.
» Henry, das ist fantastisch«, lobte ich als ich nun auch die Nudeln mit den Stäbchen probierte.
» Danke, jetzt iss in Ruhe, ich räume die Küche auf.«
Ich schlang das Essen förmlich runter, als wäre ich der Held in jedem alten Anime. Doch was sollte ich auch machen? Mein Körper schreite nach Essen und das hier war köstlich.
Als es leer war, war ich fast traurig darüber. Ich stapelte die Teller aufeinander und brachte sie nach hinten in die Küche. Mit einem Nicken wies Henry mir an sie in die Spüle zu tun, in der er grade abwusch.
» Ich weiß nicht, wie ich mich jemals bei dir für das alles bedanken soll.«
» Brauchst du nicht. Meine Mutter hat mir beigebracht immer nett und hilfsbereit zu sein. Die Zeit wird den Menschen die Chance geben, es auszugleichen, hat sie immer gesagt. Also wenn er soweit wird, wirst du mir helfen, das weiß ich.«
Ich lächelte ihn an. » Das ist wirklich das mindeste was ich tun kann.«
» Du kannst bis zu deinem ersten Lohn kostenlos hier essen, ansonsten bekommen alle Mitarbeiter einen Rabat, es sei sie kochen sich das Essen selbst.«
» Nein, du brauchst nicht-«
» Du wirst kein Geld für Essen haben, weil wir die Mittel nicht haben, dich früher zu bezahlen, oder gar wöchentlich oder wie auch immer. Außerdem ist das noch immer die Aufgabe meiner Mutter, ich kann dir aber soweit entgegenkommen, ohne dass jemand was merkt. Du musst essen, sonst bricht du hier zusammen, vor allem bei den steigenden Temperaturen. Selbst wenn es hier immer gekühlt ist.«
» Danke, wirklich.«
» Wofür? Dass ich nicht möchte, dass mir jemand umkippt?« Er lacht. » Das ist echt das mindeste was ich für deine Situation tun kann, Azula.«
» Ich weiß, aber dass schätze ich. Wäre ich an Yves geraten-«
» Der hat hier nichts zu sagen, glaub mir. Unsere Mutter würde ihn niemals eine Entscheidung treffen lassen, die mit ihrem Restaurant zu tun hat.«
» Aber er hätte nicht trotzdem rausgeworfen.«
» Nein, hätte er nicht«, sagte er. » Ja, Yves kann ein Arsch sein, aber das nur weil er unzufrieden ist. Er ist nicht bild und er kann auch hilfsbereit sein, er ist nur... nennen wir es abgerutscht.«
Mit einem Mal hatte ich Mitleid mit Yves, wahrscheinlich nur weil ich für einen kleinen Augenblick jemand anderen gesehen hatte, als der Arsch, der er nun einmal war. Ich wollte wissen was dahintersteckte, dabei hatte ich ihn bisher nur zweimal gesehen.
» Ich bin trotzdem froh, dass du hier warst und nicht er.«
Er schmunzelte. » Naja, ab morgen arbeitest du mit ihm.«
» Ich werde mich zusammenreißen«, sage ich. » Aber wenn er einen dummen Spruch rauslässt, werde ich mich verteidigen.«
Henry sah mich an, das Schmunzeln immer noch auf den Lippen. » Ja, was anderes hätte ich auch nicht erwartet.«
Als ich wieder in meinem Bett lag überkam mich ein komisches Gefühl. Es war so einfach, ich musste nur.. um Hilfe bitten. Ich hasse das. Ich hasse es auf andere angewiesen zu sein, aber anscheinend hatten meine Eltern recht - ich konnte es nicht alleine schaffen.
Ich rollte mich seufzend auf den Bauch und legte meinen Kopf auf das kühle Kissen.
Oder hatte ich alleine eine Lösung gefunden? Schließlich war ich zu Henry gegangen, zwar als letztes weil ich wusste, dass er mich nicht stehen gelassen hätte, selbst wenn er mir den Job nicht gegeben hätte. Ich konnte schlecht in das Restaurant gehen und sagen ›Ich arbeite jetzt hier.‹ und dann war das so.
Na gut, ich hatte ihn eher angebettelt als gefragt. Hatte ihm viel zu viel über meine Situation erzählt, damit er Mitleid bekam und mir den Job geben musste. Doch wie er schon gesagt hatte, war er nicht blind - auch wenn er es auf Bezug zu Yves gesagt hatte. Man sah mir meine Situation an und vielleicht war das der Grund, weshalb ich keinen Job fand, weil sie dachten ich wäre mittlerweile zu zerbrechlich um einen normalen Job auszuführen. Vielleicht war das so, aber bald konnte ich wieder normal essen, vielleicht konnte ich bald wieder mit guten Gewissen Sport machen, weil ich wusste, dass ich dadurch nur wieder fitter werden konnte, statt noch mehr abzunehmen und.. vielleicht würde es dann funktionieren. Vielleicht bekam ich noch meine Chance für die Ausstellung.
Vielleicht würde jetzt alles gut laufen.
Oder es würde alles nochmal passieren.
Henry würde mich rauswerfen, weil sie mich nicht gebrauchen können. Es würde wieder etwas passieren, damit ich meinen Termin nicht wahrnehmen konnte. Außerdem hätte ich wieder so eine schreckliche Frau wie Mrs. Archerson am Telefon, die darüber entschied, ob ich den Platz bekommen würde oder nicht.
Oder es würde alles gut sein.
Das wurde es doch immer, oder?
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Two Empty Hearts
Romance» Teil 1 des Empty-Heart-Duetts Azula Blackburn möchte einen Neuanfang, leider fällt dieser total ins Wasser. Wortwörtlich. Durchnässt befindet sie sich schließlich im » Sakura House«, statt bei ihrem Bewerbungsgespräch. Dort trifft sie auf die Wesc...