» Du siehst schon viel gesünder aus«, bemerkte Henry eine Woche später. Er hatte mich ständig gefüttert. Oft hatte er mir in jeglicher freien Minuten Frühlings- oder Sommerrollen sowie Gyoza zugeschoben. Wenn ich ankam erwartete mich schon Frühstück, in meiner Mittagspause bekam ich entweder gebratene Nudel oder gebratenen Reis mit gebackenen Hähnchen oder krosser Ente und bevor wir das Restaurant verließen gab er mir noch Sushi mit. Selbst an Tagen, an denen mir nicht danach war, aß ich alles auf, denn ich wusste, ich musste wieder zunehmen.
Ich biss in mein Sandwich, dass er mir gemacht hatte. » Dank dir«, sagte ich nachdem ich geschluckt hatte.
» Ich bin toll, ich weiß«, lachte er.
Das war er wirklich. Abends brachte er mich mittlerweile immer nach Hause um sich zu versichern, dass ich sicher ankam. Es stellt sich heraus, dass er gar nicht so weit von mir entfernt wohnte - in einer Wohnung mit Yves, über der Wohnung seiner Mom, wie er mir erzählt hatte. Er erzählte mir Kindheitsgeschichten von sich und Yves und er erzählte viel von seiner Mom, die wohl heute zurückkommen würde.
Es wäre gelogen, wenn ich gesagt hätte, ich wäre nicht nervös gewesen.
Mit Yves dagegen hatte ich gar nicht bis kaum gesprochen. Wenn nur, wenn ich eine Bestellung weiterreichte. Dank seiner Einweisung hatte ich schnell dazugelernt. Mittlerweile fiel mir nicht ständig alles herunter, selbst wenn ich zwei Teller gleichzeitig trug.
Ich wusste ich hätte es nicht zulassen sollen, aber... Henry war einfach wie er war und ich war schneller in dieser Situation gelandet, als ich es gekommen sehen hatte.
» Du bist mein einziger Freund hier«, gestand ich mit dem Blick auf mein Brot. » Ich lebe schon ein Jahr in Bristol, aber habe mir nicht die Mühe gemacht, jemanden auf meiner Arbeit richtig kennen zu lernen oder mich gar mit jemanden anzufreunden.«
Weil ich es nicht mehr konnte. Jemanden an mich heranlassen, doch bei Henry sprudelten mir die Sachen einfach nur raus. Nicht die wichtigen Sachen, aber viel mehr als ich mir eigentlich zugestanden hatte.
» Aber warum nicht?«
» Ich wollte alles alleine hinbekommen und ich dachte diese Leute könnten mir einfach nur im Weg stehen. Ich hatte schon kaum Zeit zum Zeichnen, die wollte ich nicht auch noch mit potentiellen Freunden vergeuden.« Was nur teilweise gelogen war.
» Azula, du bist so ein Workaholic. Du brauchst auch mal Ablenkung, bisschen rauskommen, Spaß haben.«
» Ich habe Spaß«, bestand ich, obwohl ich wusste, dass die Art von Spaß von der er redete nicht der Fall war.
Ich konnte nicht ausgehen, trinken, auf Partys ausgelassen tanzen, wie ich es früher getan hatte, weil ich das Geld von meinen Eltern bekam. Ebenfalls konnte ich mich nicht einfach ans Wasser setzten und in Ruhe mit Stiften das Bild vor mir zeichnen, weil in meinem Kopf es nur noch darum ginge, ob ich es verkaufen könnte. Und weil ich nicht mehr ans Wasser konnte.
DU LIEST GERADE
Two Empty Hearts
Romance» Teil 1 des Empty-Heart-Duetts Azula Blackburn möchte einen Neuanfang, leider fällt dieser total ins Wasser. Wortwörtlich. Durchnässt befindet sie sich schließlich im » Sakura House«, statt bei ihrem Bewerbungsgespräch. Dort trifft sie auf die Wesc...