» Du lebst ja doch noch, ich dachte schon das wird gar nichts mehr. Was fällt dir-«
Ich schaltete ab, während Mom am anderen Ende der Leitung anfing zu behaupten, wie unzuverlässig ich doch sei, als hätte sie sich wirklich darum interessiert wie es mir ging.
» Ich habe dich nicht zurückgerufen, Mom. Ich habe dich angerufen«, unterbrach ich sie mitten im Satz. » Ich wollte dich nur wissen lassen, dass ich gestern - mal wieder - fast gestorben wäre, aber so wie es klingt, hätte ich mir das ja sparen können. Nicht wahr?«
Was hatte ich mir überhaupt gedacht, als ich auf dem Kontakt meiner Mutter gegangen war? Dass sie verstehen würde? Dass es etwas ändern würde, wenn sie bemerkte, dass ich einfach so weiter machte?
Sie schnalzte deutlich mit der Zunge. » Lass mich raten, du warst betrunken.«
» Louisa hat mir einen Brief von Risa geschickt.«
» Ach und da dachtest du ›Mein Leben ist ohnehin erbärmlich genug, also tue ich einfach den selben Fehler nochmal und betrinke mich, bis ich keine rationalen Entscheidungen treffen kann‹? So war es doch bestimmt, oder Azula? Jedes Mal ist es das Selbe mit dir. Ich verstehe einfach nicht, wie du so werden konntest. «
Fangen wir bei meiner beschissenen Mutter an.
» Es war ein Unfall, du weißt gar nicht was passiert ist!«, schrie ich plötzlich. Ob ich damit gestern oder die Sache mit Risa und Calli ansprach, wusste ich selbst nicht genau.
Yves hat das selbe wie Calli getan. Du hast ihn in die selbe Gefahr gebracht.
» Das will ich auch gar nicht wissen, Azula.«
Natürlich wollte sie das nicht. Wieso auch?
» Und ich will nicht wissen, wieso du mich ständig versuchst zu erreichen. Also wie wäre es, wenn du das tust, was du wolltest als ich gegangen bin und lässt mich in Ruhe.«
Damit legte ich auf.
Sah auf und.. da stand Yves und sah mich an. Den Schlüssel noch in der Hand. Eingehüllt in Bomberjacke und seinen Stiefeln.
Er hätte wegen mir sterben können.
Doch er steht hier. Er steht hier und wollte, dass es mir gut ging.
Wieso war er mir verdammt nochmal hinterher gesprungen? Er wusste doch wie gefährlich das sein konnte. Was hätte passieren können. Dass ich ihn hätte verlieren können und damit niemals zurecht gekommen wäre.
Von mir aus sollte er gehen, sollte er sauer sein, mich anschreien und verschwinden, aber ich wusste, dass er immer zurück kommen würde und wir es klären konnten.
» Hey«, sagte er sanft.
Ich antwortete ihm nicht. Warum genau wusste ich selbst nicht. Es war als würde mein Hals sich einfach zuschnüren sobald er in der Nähe war. Seine Haare hingen ihm, verwuschelt von dem Wind draußen, in der Stirn. Ungestylet, weil ich so lange gebraucht hatte um mein Gesicht so aussehen zu lassen, als wäre ich nicht gestern beinah gestorben.
Ich war das so leid. Es war beinah die selbe Nahtoderfahrung und vielleicht sollte es einfach so sein. Vielleicht sollte ich von einer Brücke fallen und irgendwann wird mir niemand mehr hinterher springen, weil die Menschen, denen ich wichtig war alle bei dem Versuch mir zu helfen gestorben waren.
Yves hockte sich vor mich, brachte sein Gesicht vor meins, aber hielt inne. Er fragte mich tatsächlich stumm ob er mir unseren Begrüßungskuss geben durfte oder nicht.
Dabei wusste ich die Antwort selbst nicht. Ich wollte das, aber als ich mich vorbeugte und unsere Lippen uns berührten, brach etwas in mir und ich begann erneut zu weinen.
Es war einfach alles zu viel. Yves strich über meinen Handrücken, während er mir der anderen Hand mein Handy nahm und darauf blicke.
» Deine Mom? Möchte ich wissen, was sie gesagt hat?«
Ich schüttelte den Kopf, bevor er auf Yves' Schulter landete.
Ich war dieses Gefühl so leid. Mich Schuldig zu fühlen, für etwas dass ich nicht getan hatte, für etwas, dass noch gut ausging. Mich schwach zu fühlen, weil ich schon wieder versagt hatte und meine Mutter das nun wusste.
Das in meinem Leben wirklich gar nichts nach Plan lief und ich immer noch in einem Job festhing, denn ich nur machen musste, damit ich Geld hatte. Ich kam ja nicht einmal mehr zum Zeichnen.
Gestern war ich tatsächlich nicht absichtlich gefallen, aber gerade verspürte ich wirklich die Lust es absichtlich zu tun.
Ich hasste es. Ich hasste es, dass nicht einmal Yves oder Henry mir helfen konnten, weil ich nicht wollte, dass sie sich Sorgen machten. Wobei ich es besser wusste. Sie machten sich jetzt ununterbrochen Sorgen.
» Ich kann das nicht mehr«, schluchzte ich an Yves' Schulter. » Ich kann nicht ständig Menschen in Gefahr bringen.«
» Du hast niemanden-«
» Du bist mir hinterher gesprungen.«
» Das war meine Entscheidung«, brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. » Es ist alles gut, Azula.«
» Ein Scheiß ist gut, Yves und das weißt du.«
» Dann wird alles gut, jetzt hör damit auf, was du gerade versuchst. Du bist nicht Schuld, verstanden?«
» Okay«, sagte ich, weil ich nicht mit ihm diskutieren wollte.
Es brachte eh nichts.
Das war auch das Letzte was ich zu ihm sagte.
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Two Empty Hearts
Romance» Teil 1 des Empty-Heart-Duetts Azula Blackburn möchte einen Neuanfang, leider fällt dieser total ins Wasser. Wortwörtlich. Durchnässt befindet sie sich schließlich im » Sakura House«, statt bei ihrem Bewerbungsgespräch. Dort trifft sie auf die Wesc...