Was soll ich euch sagen? Das geht mir alles viel zu schnell.
„Früher hättest du hemmungslos mit mir rumgemacht..."
Sie lachte, als seine fast schon beleidigte Stimme sie aus den Gedanken riss.
„Das können wir später nachholen", versprach sie. „Aber jetzt sollten wir langsam los. Die beiden warten schließlich auf uns und wir kommen sowieso schon zu spät."
Er seufzte theatralisch.
„Mit dir ist echt nichts mehr los", kommentierte er mürrisch, dann drückte er ihr einen letzten Kuss auf und löste seine Umarmung. Kurz darauf stellte Marten den Motor seines Wagens vor dem Haus ab, in dem Cassie und John lebten. Die Sonne war längst untergegangen, draußen war es bitterkalt und als sie ausstiegen, bildeten sich kleine Atemwölkchen um sie herum. Nika freute sich auf die gemeinsame Zeit mit ihren Freunden. Seit Kaia auf der Welt war, waren Abende wie dieser selten geworden. Vorfreudig drückte sie die Klingel herunter. Es dauerte einen Moment, bis John ihnen öffnete. Wie so häufig trug er eine lässige Jogginghose, dazu einen bunten Hoodie. Obwohl seine Augen mit seinem Lächeln um die Wette strahlten, wirkte er wie Marten müde und erschöpft. Nika konnte es ihm nicht verübeln. Entweder war er unterwegs, um irgendwo Konzerte zu spielen oder an seiner Musik zu arbeiten oder kümmerte sich um seine kleine Tochter.
Die schien zumindest für den Moment Nebensache zu sein, denn er begrüßte zunächst Nika, dann Marten und bat die beiden herein. Cassie, die gerade mit dem kleinen Mädchen im Arm aus dem Wohnzimmer kam, lächelte ebenfalls.
„Da seid ihr ja endlich", sagte sie, bevor auch sie die beiden in ihre Arme schloss. Während Nika das kleine Mädchen mit den großen, blauen Augen und den blonden Locken völlig verzückt betrachtete, drückte Cassie sie unmittelbar Marten auf den Arm. „Nimm sie mal, Onkel Marten", forderte sie, um Nika eine Schüssel Salat abzunehmen, den sie für den heutigen Abend beisteuerte. Nika wurde ganz warm ums Herz, als Martens Lippen sich zu einem Grinsen verzogen, während er das kleine Mädchen an sich drückte.
„Tut mir leid, Mami. Aber ich musste noch ins Dolls", entschuldigte Marten ihre Verspätung an Cassie gewandt, während Kaia nach seiner Nase griff. Nika, die ihre Winterjacke auszog, schmunzelte über seinen spöttischen Unterton. Cassie ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken.
„Tagsüber? Hast du dich verlaufen?", hakte sie amüsiert nach, während sie Nika hinter sich her in Richtung Küche schleifte. Kaia begann unterdessen auf Martens Arm zu quengeln. Der musterte sie stirnrunzelnd und warf John einen fragenden Blick zu.
„Sie bekommt ihren ersten Zahn", erklärte der nicht ohne Stolz. Nika sah irritiert zu Cassie, die gerade die Salatschüssel neben die anderen Köstlichkeiten stellte, die sie bereits vorbereitet hatte.
„Dauert das in der Regel nicht länger?", wollte sie wissen, doch Cassie winkte ab.
„Es ist nicht ungewöhnlich, dass Babys schon nach einem halben Jahr Zähne kriegen", erklärte sie und kramte in einer Schublade, um Salatbesteck herauszuholen. Als John und Marten im Wohnzimmer verschwunden waren, musterte Cassie Nika neugierig aus großen Augen.
„Und?", zischte sie erwartungsvoll. Nika schüttelte den Kopf.
„Hat sich noch nicht ergeben", flunkerte sie flüsternd. „Ich sage es ihm, sobald ich die Bestätigung von meiner Ärztin habe."
„Ach, schade", seufzte Cassie enttäuscht, dann hellte sich ihr Gesicht jedoch wieder auf und sie griff nach Nikas Händen. „Du musst mich aber auf jeden Fall auf dem Laufenden halten."
Nika schmunzelte. Es war süß, wie sehr Cassie sich für die beiden freute.
„Versprochen", schwor sie. „Aber bis dahin kein Wort zu John."
Cassie verzog das Gesicht.
„Du weißt genau, dass ich das nicht lang vor ihm geheim halten kann. Dafür kennt er mich einfach zu gut", wisperte sie.
„Es sind ja bloß ein paar Tage", lächelte Nika zuversichtlich, dann betrachtete sie die ganzen Speisen, die Cassie auf dem Küchentresen angerichtet hatte, und nickte anerkennend. „Wow, du hast dich echt selbst übertroffen."
„Du ahnst nicht, wie viel Spaß es mir gemacht hat, endlich mal wieder ein paar Tapas-Rezepte auszuprobieren und einfach mal etwas anderes zu machen, als Mutter zu sein", sagte sie zufrieden.
„Und John hat dir den Rücken freigehalten?", fragte Nika. Cassie nickte zustimmend.
„Ja. Nach anfänglicher Nörgelei hat er das echt toll gemacht", lobte sie ihren Freund, der es sich unterdessen scheinbar mit Marten und Kaia im Wohnzimmer gemütlich gemacht hatte. Dann deutete sie kopfnickend auf zwei der Snack-Platten. „Komm, wir schauen mal, was die beiden machen. Hilfst du mir dabei, die Sachen rüberzutragen?"
„Klar", lächelte Nika und schnappte sich die Pizzaschnecken und Mini-Burger. Cassie trug unterdessen zwei Schalen mit Antipasti vor sich her in den Wohn- und Essbereich. Als Nika Marten mit Kaia auf ihrer pastellgrünen Spieledecke auf dem Boden sitzen sah, blieb sie automatisch stehen. Er saß hinter der Kleinen, hatte die langen Beine an ihr vorbeigestreckt und stapelte vor ihr kleine Becherchen ineinander. Kaia beobachtete seine tätowierten Finger genau und griff immer wieder nach den Bechern in seinen Händen, um sie selbst zu ertasten.
„Sieht doch super aus", zischte Cassie ihr zu, die gerade die Schüsseln auf dem hübsch gedeckten Esstisch abstellte.
„Ich kann's selbst kaum glauben", konterte Nika trocken, während sie die Snack-Platten zwischen zwei Tellern drapierte.
„Steht dir richtig gut", grinste Cassie an Marten gewandt. Der schaute stirnrunzelnd von Kaia zu ihr auf.
„Gewöhn dich nicht an den Anblick, kleine Schwester."
„Wieso nicht?", bohrte Cassie amüsiert nach. „Du bist schließlich nicht mehr der Jüngste und auch Nika muss langsam sehen, wo sie bleibt."
Marten hob abwehrend die Hände.
„Mir reichen schon die Frauen im Dolls und in der Bar. Da können wir uns ruhig noch ein bisschen Zeit lassen, bis ich den Kopf dafür frei habe", erwiderte er entschieden und nahm Kaia eins der Becherchen ab, um es in ein anderes zu stapeln, während Nikas Herz auf einmal aussetzte.
Joa. Das läuft ja. Haha. Klingt jetzt irgendwie anders, als wir alle das erwartet haben, oder was meint ihr? Noch jemand, der ihm mit Anlauf eine reinhauen will?
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All I want for Christmas 2 | Adventskalender 2022
Short StoryEigentlich ist alles wie immer; weder Nika, noch Marten haben sonderlich große Lust, Weihnachten mit Nikas spießiger Familie zu feiern. Da kommt es Marten ganz gelegen, dass er sich gerade wieder mal in neue Schwierigkeiten hineinmanövriert hat. Blö...