Ich will es einfach gar nicht veröffentlichen, weil es schon das 12. Türchen ist.
Nika kämpfte einmal mehr gegen die drohende Übelkeit an, als ihr das grelle Licht der Deckenlampe ins Gesicht strahlte. Nach stundenlangem Warten und einem kurzen Vorgespräch hatte Nika es endlich ins Behandlungszimmer ihrer Frauenärztin geschafft und fieberte nun der Untersuchung entgegen. Dabei war das Ergebnis nahezu eindeutig.
Das Papiertuch, das über die unbequeme Liege gespannt war, kratzte unter ihren Fingern. Während sie sich bemühte, eine angenehme Position zu finden, quietschte das Gestell unter ihr bedrohlich. Dennoch kreisten ihre Gedanken unaufhörlich um die Frage, wie Marten reagieren würde, wenn er die Wahrheit erfuhr.
Als er ihr vorgestern Abend nach ihrem Besuch bei Cassie und John offenbart hatte, dass er sich seiner Fehler durchaus bewusst und bereit war, etwas zu verändern, um ihr und ihrer Beziehung gerechter zu werden, hatte sie gezögert, ihm von der Schwangerschaft zu erzählen. Seine Aussage Cassie gegenüber hatte sie entmutigt. Wenn er gerade keinen Kopf für Kinder hatte, wollte sie zumindest eine Bestätigung ihrer Ärztin abwarten, bevor sie ihn damit konfrontierte und möglicherweise grundlos schlafende Hunde weckte. Schließlich war es immer noch möglich, dass der Test zuhause falsch positiv ausgefallen war. Sie wusste, dass es sehr selten war, aber dennoch hin und wieder mal vorkam, beispielsweise, wenn sich zwar eine Eizelle eingenistet hatte, es dann aber zu einer unbemerkten Fehlgeburt kam.
„Dann wollen wir doch mal sehen", sagte die blonde Ärztin, die neben ihr am Ultraschallgerät stand und musterte sie durch die Gläser ihrer Bille. Vorsichtig schob sie ihre Jeans ein Stück nach unten und den Stoff ihres Pullovers nach oben. Dann griff sie zur Gelflasche und verteilte es auf Nikas Bauch und dem Kopf des Ultraschallgeräts. Es war kühl, doch Nika hielt den Blick starr auf den Bildschirm gerichtet und biss sich so fest auf die Unterlippe, dass es schmerzte. Ihr Atem schien stillzustehen und das laute Klopfen ihres Herzens erfüllte den Raum.
„Versuchen Sie, sich zu entspannen", lächelte Frau Dr. Fuchsian und führte den Schallkopf über ihre Haut. Eine ganze Weile sagte sie nichts, sah auf den Screen und strich dabei mit dem Gerät von links nach rechts, wieder zurück, in die Mitte, wieder ein wenig zur Seite, auf und ab, kreiste, bis sie schließlich in ihrer Bewegung verharrte. Nika hatte das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden, während sie den Atem anhielt und wie gebannt auf das Display starrte.
„Da ist es ja", lächelte die Ärztin. Nika versteifte sich automatisch auf der Liege und verschränkte verkrampft ihre Finger ineinander. „Sehen Sie hier. Dieser kleine Punkt. Das ist ihr Baby", fuhr Frau Dr. Fuchsian fort, während Nikas Augen sich mit heißen Freudentränen füllten. Sie war tatsächlich schwanger. „Es ist noch recht winzig, fünf Millimeter", erzählte die Ärztin fröhlich. Nika legte den Kopf schief, kniff die Augen zusammen und fixierte den kleinen Punkt auf dem Bildschirm, während ihr regelrecht warm ums Herz wurde. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, dass wieder Leben in ihr heranwuchs. Als der Schmerz des Verlustes an ihrem Unterbewusstsein nagte, schickte sie ein Stoßgebet zum Himmel. Doch bevor sie die schlechten Erinnerungen vollends einholen konnten, verdrängte sie sie sofort wieder und konzentrierte sich auf diesen unbeschreiblich schönen Moment.
„Dem Entwicklungsstand nach sind sie etwa in der fünften oder sechsten Schwangerschaftswoche. Sehen sie, hier schlägt schon das Herzchen. Es schlägt etwa 150-mal die Minute", fuhr die Medizinerin fort und deutete auf den kleinen Fleck. „Ich mache Ihnen ein paar schöne Fotos davon."
Als sie kurz darauf mit den Bildern in der Tasche die Praxis verließ, stand Nika völlig neben sich. Sie hatte eine Art Deja-Vu, während sie das Handy aus der Tasche zog, um Cassie anzurufen. Als Marten damals im Gefängnis seine Haftstrafe abgesessen und sie von ihrer ersten Schwangerschaft erfahren hatte, hatte sie sofort Jeanette angerufen, doch da sie bisher nur Cassie eingeweiht hatte, entschied sie sich dazu, sich zuerst bei ihr zu melden und Jeanette im Anschluss zu informieren. Sie schloss ihr Auto auf, fiel auf den Fahrersitz und wählte Cassies Nummer. Während sich die Videoverbindung aufbaute, fischte sie nochmal die Ultraschallbilder hervor und schaute fasziniert darauf.
„Endlich! Erzähl. Wie war's?", begrüßte Cassie sie aufgeregt. Sie schien gerade in ihrer Küche zu sitzen, hatte Kaia auf dem Arm und schaute neugierig in die Kamera. Nika schmunzelte. Statt zu antworten, hielt sie das Ultraschallbild vor die Linse.
„Oh. Mein. Gott. Das ist so toll. Ich freu mich so", schwärmte Cassie begeistert und entlockte Nika ebenfalls ein Strahlen.
„Und ich mich erst", lächelte sie und strich dabei automatisch über ihren Bauch, wo gerade ihr Baby heranwuchs.
„Zeit, es ihm endlich zu erzählen", forderte Cassie sie euphorisch auf. Nika seufzte und ließ das Bild sinken.
„Ich bezweifele, dass er sich genauso sehr darüber freuen wird", erwiderte sie frustriert. Cassie schüttelte so energisch den Kopf, dass ihre Locken flogen.
„Das ist Schwachsinn und das weißt du auch."
„Nach seiner Aussage vorgestern glaube ich, dass er darauf gerade gut verzichten könnte", kommentierte Nika bedrückt.
„Spinnst du?", fragte Cassie empört. „Er war damals total fertig, als du das Kind verloren hast. Er wird sich wahnsinnig freuen."
Nika biss sich angesichts ihres Arguments zweifelnd auf die Zunge.
„Vielleicht sollte ich gerade deshalb noch etwas warten, bis ich es ihm sage."
Cassie runzelte verständnislos die Stirn.
„Weil?"
„Naja, falls ich es wieder verliere, will ich ihn damit nicht belasten", sprach sie ihre Gedanken offen aus, die ihr augenblicklich tief ins Herz stachen.
„Ich verstehe deine Angst. Ehrlich", versicherte sie ihr. „Gerade deshalb muss er es wissen. Niemand sollte so etwas mit sich allein ausmachen, weder die Höhen und Tiefen einer Schwangerschaft, noch die einer Fehlgeburt. Oder wie willst du ihm die nächsten Monate erklären, weshalb du schlimmere Stimmungsschwankungen hast als er selbst oder deine Brüste anschwellen wie Melonen und druckempfindlich werden wie Pfirsiche?", fragte Cassie und strich sich die Locken nach hinten. Kaia griff danach und zog daran, doch sie ließ es einfach geschehen. Nika seufzte schwer, dann gab sie sich schließlich geschlagen.
„Ja. Du hast recht. Ich sage es ihm direkt, wenn ich gleich nach Hause komme."
Als Nika kurz darauf fest entschlossen die Wohnung betrat, wusste sie nicht, ob die Schwangerschaft oder ihre innere Unruhe der Grund für ihre Übelkeit war. Mit wild klopfendem Herzen zog sie den Wintermantel aus, hängte ihn an die Garderobe und streifte sich die Sneakers von den Füßen. Dann horchte sie in die Stille hinein. „Babe?"
Sie ließ frustriert die Schultern sinken, als sie feststellte, dass neben seiner Jacke auch ein Paar Sneaker und sein Schlüsselbund fehlten. Erschöpft ging sie ins Schlafzimmer, tauschte ihr Outfit gegen eine gemütliche Jogginghose und einen Hoodie und machte es sich anschließend mit einem Tee auf der Wohnzimmercouch gemütlich. Chopper und Rambo kuschelten sich links und rechts von ihr unter die flauschige Decke, in die sie sich einwickelte, bevor sie versuchte, Marten zu erreichen. Sie wusste nicht, wo er sich jetzt wieder herumtrieb, denn er hatte nichts gesagt. Als er nicht abnahm, warf sie das Handy achtlos in die Decke und schaltete den Fernseher ein.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie schließlich das Kratzen des Schlüssels im Schloss der Wohnungstür hörte. Es dauerte nicht lang, bis Marten im Türrahmen auftauchte. In seinen tätowierten Händen hielt er einen riesigen Blumenstrauß. Für einen Moment glaubte sie, zu träumen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann er ihr das letzte Mal Blumen geschenkt hatte.
„Hast du was verbrochen?", fragte sie verblüfft, als er ein paar Schritte auf sie zumachte. Statt ihr zu antworten, drückte er ihr zunächst einen Begrüßungskuss auf. Ihr Bauch kribbelte wohlig, das schlug jedoch in ein flaues Gefühl um, als er ihr den Strauß mit einem reumütigen Funkeln in den Augen überreichte.
„Habe ich tatsächlich."
Von einer Sekunde auf die andere klopfte Nika das Herz bis zum Hals. Was war jetzt schon wieder passiert?
Ich finde, das läuft alles ganz toll und reibungslos. Und ihr so?
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All I want for Christmas 2 | Adventskalender 2022
Kısa HikayeEigentlich ist alles wie immer; weder Nika, noch Marten haben sonderlich große Lust, Weihnachten mit Nikas spießiger Familie zu feiern. Da kommt es Marten ganz gelegen, dass er sich gerade wieder mal in neue Schwierigkeiten hineinmanövriert hat. Blö...