Ich weiß nicht, warum ich so nervös bin. Meine Hände sind ganz schwitzig, meine Beine zittern und mein Kopf denkt sich die irrsinnigsten Szenarien aus, die gleich passieren könnten. Es fühlt sich so an, als würde ich mich gleich mit El Chapo auf einen Drogendeal in den Favelas treffen. Ich hoffe einfach, dass das nicht der Fall sein wird und gestern ein Einzelfall war, was die Begegnungen mit der kriminellen, brasilianischen Unterwelt angeht.
Von meinem Hotel ist es ein gutes Stück zu Fuß, jedoch genieße ich die heiße Luft um mich herum und das ferne Meeresrauschen. Die Straßen sind auch um diese frühe Uhrzeit gut besiedelt. Sämtliche Leute beginnen damit, ihren Tag zu starten. Wie komisch es dabei ist, dass jeder Einzelne einen ganz anderen Tag erleben wird, als ein anderer, fällt mir durch den Schlafentzug auf. Ich grüße ein paar alte Damen, winke ein paar lachenden Kindern zu und beobachte ein paar ältere Herren, die Worte miteinander austauschen, die ich nicht verstehen kann. Es ist ein ganz anderes Leben als Zuhause, aber auf den ersten Blick und ganz oberflächlich wirkt es schön. In London ist alles viel kühler und steriler. Würde ich jemandem Fremden zuwinken, würde ich wohl nur einen Vogel gezeigt bekommen.
Rios Sonne wird mit jeder heran schreitenden Minute des Tages erbarmungsloser, also lege ich einen kurzen Stopp in einem kleinen Laden ein, der gerade passenderweise geöffnet wird, um mir eine Mütze und Sonnencreme zu besorgen. Harry wird mir sicherlich auch danken.
Insgesamt war ich eine gute Weile unterwegs, bis ich den Ort seiner kryptischen Nachricht erreicht habe. Der Name des Cafés, vor dem ich mich befinde sagt mir nichts und auch sonst sieht die Gegend eher unscheinbar aus. Wirklich viel los ist hier auch nicht. Da ich Harry nicht antreffe, beschließe ich mich auf einen der leeren Stühle zu setzen, die vor dem Café aufgebaut sind, und zu warten. Ich lasse ihn in einer kurzen Nachricht noch wissen, dass ich da bin, und beginne vor mich hinzustarren und mich wieder in meinen Gedanken zu verlieren.
Kann man mir verübeln, dass ich die Szenen von Gestern einfach nicht aus meinem Kopf bekomme? Meine gesamte Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf imaginäre Bilder der Vergangenheit, sodass ich den schwarzen Kastenwagen, der um die Ecke driftet und auf mich zu rast, überhaupt nicht bemerke. Im Nachhinein betrachtet nicht schlau, tagträumend in der Gegend herum zu starren.
Erst das laute, schmerzende Geräusch von bremsenden Reifen reißt mich wieder aus meinen Gedanken. Erschrocken sehe ich, dass das Fahrzeug direkt neben mir zum Stehen gekommen ist, sehe wie die Seitentüre aufgerissen wird und zwei dunkel gekleidete, starke Arme, mich in das Innere des Wagens reißen.
Ich kann überhaupt nicht reagieren, so schnell läuft die ganze Aktion ab. Kein Schreien, kein Schlagen oder Wehren. Ehe ich es realisieren kann landet mein Hintern auf dem harten Boden des Sprinters, der auch schon wieder Fahrt aufgenommen hat und in schnellem Tempo im Stadtverkehr untergeht.
Verdammte Scheiße, was war das denn?
Erschrocken, mit geweiteten Augen, starre ich zu dem Mann hoch, der komplett in schwarz gekleidet über mir steht und sich mir zugewendet hat. Da auch sein Gesicht mit einer schwarzen Sturmkappe bedeckt ist, habe ich keine Chance auszumachen, um wen es sich handelt.
Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schießt, ist der an die Bande von gestern. Das muss es sein! Das ist bestimmt eine Entführung als Racheakt. Oder sie haben erfahren wer ich bin und wollen nun haufenweise Geld von meinem Vater erpressen.
Oh mein Gott, das darf auf keinen Fall passieren! Mein Vater darf unter keinen Umständen etwas von dieser Aktion mitbekommen! Bei meinem Glück wird er mich nur ein weiteres Mal zu meiner Tante nach Schottland schicken.
Unter keinen Umständen gehe ich ein weiteres Mal nach Schottland!
Wie von einer Hummel gestochen hieve ich mich auf die Beine und greife nach dem Messer in meiner Bauchtasche, das ich glücklicherweise heute morgen eingepackt habe.
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Tracking You || HS
Humor"Verdammt, bist du n' Stalker, oder was ist falsch mit dir?", fragte er mich sichtlich genervt, als er im Aufzug stand. Eine dunkle Sonnenbrille im Gesicht, die es mir umso schwerer machte, ihn nicht gleich auf der Stelle anzufallen. "Ich bin die L...