C23 - Fast Ehe-Krise

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Harry

Ich kann nicht sagen, welcher der entscheidende Punkt war, der mich dazu gebracht hat mich in den Flieger zu setzen und nach London zu fliegen. Vermutlich ist es das schlechte Gewissen, das ich unerklärlicherweise schon eine ganze Weile mit mir herum schleppe.

Zwei Wochen habe ich es ausgehalten mich nicht von dem Engel auf meiner Schulter überreden zu lassen. Aber als ich mich gestern wieder mit Kendall getroffen habe ist mir erst aufgefallen wie langweilig unsere Treffen wirklich sind. Während ich der Amerikanerin gegenüber saß musste ich ständig an die verrückte Landesgenossin denken und an ihre Ansage, die mir das Ganze wohl erst eingebrockt hat.

Es hat mich verrückt gemacht. Regelrecht. So sehr, dass ich derjenige war, der zum Stalker wurde und geschaut hat wo sie sich gerade aufhält. Schnell musste ich feststellen dass außer ein paar Bildern nicht viel von Tanny im Internet steht. Letztendlich haben mir nur die Paparazzi Bilder, die von ihrem Vater gemacht wurden, auf denen sie zufällig zu sehen war, Hinweise auf ihren Standort gegeben.

Spätestens jetzt also kann ich sie nicht mehr als kranke Stalkerin betiteln, wenn ich selbst nicht besser bin. Wie sich die Karten doch nur gedreht haben.

Die Bank, auf der ich sitze ist arschkalt und friert mir regelrecht den Hintern ein. Aber immer noch bin ich mir unsicher, ob ich tatsächlich einen Fuß in den massiven Wolkenkratzer an der Themse setzen soll. Es fühl sich einfach so an, als würde sie gewinnen, wenn ich wirklich einen Fuß auf das Gebiet ihrer Familie setze. Und dafür bin ich wohl doch noch zu stolz.

Was soll ich denn sagen, wenn ich nach Tanny frage?

Ich sitze und warte. Schon seit einigen Stunden eigentlich. Seit sie mit Benni in das Gebäude gegangen ist. Beide viel zu sehr in ein Gespräch verwickelt, um mich auf der Bank, etwas weiter weg, zu bemerken.

Es ist eine dumme Idee gewesen hier her zu kommen.

Seufzend stütze ich meinen Kopf und lade die Instagram Startseite auf meinem Bildschrim vermutlich schon zum zehnten Mal in den letzten Minuten. Als würde es mir irgendetwas bringen. Wohl oder übel vertreibt es mir nur weitere Zeit, die ich in dieser Kälte verbringe. Wieso muss London auch so scheiße kalt sein?

Wieder hebe ich meinen Kaffe, den ich auf dem Boden neben der Bank abgestellt habe, auf und nehme einen Schluck, ehe ich ihn wieder zurückstelle und weiterhin nicht weiß, ob ich wirklich da rein gehen soll. Es ist ein regelrechtes Hin und Her in meinem Kopf und es sieht nicht so aus, als würde eine Seite bald gewinnen.

Doch ein paar Momente später wird mir die Entscheidung auch schon abgenommen, als ich Tanny in Begleitung ihres Vaters am Eingang erkenne. Sie reden noch ein paar Worte, ehe sie in verschiedene Richtungen laufen. Tanny direkt in meine.

Doch viel interessanter, zumindest für einen kurzen Moment, finde ich Dan Jones, der mir so nah ist wie noch nie. Ich weiß noch, wie ich das erste Mal auf seine Klamotten aufmerksam geworden bin - seitdem bin ich hin und weg für die Sachen, die seine Firma auf den Markt bringt. Mein halber Kleiderschrank besteht wohl aus Teilen seiner Kollektionen. Dass er auch noch Tannys Vater ist kann ich kaum glauben. Sie sehen sich weder ähnlich, noch gleicht sich ihr Verhalten besonders. Zumindest nicht das, was ich von Tanny bereits kennengelernt habe.

"Hier. Schönen Tag noch, Mister", höre ich Tanny im Vorbeigehen sagen, als sie, den Kopf in ihrem Mantel versteckt, mir ein paar Münzen in den Kaffeebecher wirft, der noch so gut wie voll ist.

Mit offenem Mund starre ich ihr hinterher. Entweder ist sie immer noch sauer aber hat Mitleid mit mir, oder sie hat mich tatsächlich nicht erkannt und mit einem Obdachlosen verwechselt. Nun gut - die Haare sind etwas lang geworden, aber ansonsten sehe ich fabelhaft wie immer aus!

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