C35 - Die allerbesten Freunde

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H A R R Y 

Freunde. Freunde. Freunde. Freunde. Freunde. Freunde. Freunde. 

Etwas anderes als dieses Wort verbanne ich krampfhaft aus meinen Gedanken. Wie kann ich auch nicht? Dieser Moment vor wenigen Augenblicken macht mich immer noch total verrückt. 

Wieder und wieder flickern die Szenen ihrer Panikattacke und den Momenten danach vor meinen Augen auf. Immer und immer wieder muss ich an die innigen Momente denken, an ihre warmen und ruhigen Augen und die Angst, die sie wenige Momente zuvor noch gelähmt hat. 

Was zur Hölle ist nur los mit mir? Was stimmt mit mir nicht? Tanny und ich sind Freunde. Wie konnte ich nur auf die Idee kommen ihr näher zu kommen, wo ich ihr doch die ganzen Wochen davor unsere Freundschaft vorgepredigt hatte.

"Harry!", höre ich Kendalls Stimme vom Sitz neben mir zu mir hindurch dringen. "Harry,  willst du nicht fahren? Es ist schon längst grün!"

Ich zucke zusammen und realisiere die grüne Ampel vor mir, drücke Gas und Kupplung und lasse das Auto anrollen. 

"Tut mir leid", murmele ich entschuldigend und kratze mich nervös am Hals. "Es fällt mir schwer diesen Überfall gerade zu verdauen."

"Es war wirklich ein erschreckendes Erlebnis", stimmt sie mir zu und klemmt sich die Hände voller Unbehagen unter die Oberschenkel. "Es war angsteinflößend und lähmend."

Das war es wirklich. Ihren Atem so nah an mir zu spüren, ihre nervösen Blicke auf mir zu fühlen. Ihre Nähe. Oh Gott, ich drehe hier durch. Was ist nur los mit mir? Vor ein paar Stunden waren mir ihre bettelnden Blicke immer egal und ihre Nähe hat mich meistens nur genervt. 

Kopfschüttelnd verdamme ich meine Gedanken ein weiteres Mal und atme tief ein, lasse das Fenster herunter in der Hoffnung durch den kalten Fahrtwind einen klareren Kopf zu bekommen. Ich kann selbst gar nicht erklären, woher diese Gedanken auf einmal kommen. Wie konnte ich auch nur im entferntesten auf die Idee kommen in so eine Richtung zu denken? Was stimmt mit mir nicht? 

"Das war es", stimme ich ihr, etwas spät zu, und spiele an einem meiner Ringe herum, die ich an den Fingern trage. Ich bemerke Kendalls Blick auf mir, wage jedoch nicht in ihre Richtung zu blicken. Stattdessen bleiben meine Augen auf die Straße vor uns geheftet. Schon die ganze Zeit frage ich mich, was sie zu meinem Ausraster denkt, ob sie etwas gesehen hat und wenn ja - wie viel. Für sie waren wir zu einem netten Dinner verabredet. Zu zweit eine schöne Zeit verbringen. Zu zweit waren wir im Endeffekt nicht. Und meine Anschuldigung Tanny gegenüber hat wohl auch jeder mitbekommen. 

Ich bin so ein Idiot. Ich würde am liebsten Gas geben und das Auto gegen die nächste Steinmauer donnern. 

Innerlich atme ich auf, als wir am Hotel ankommen und ich dem Wagenmeister meinen Wagen zum Abstellen weiterreiche. Gemeinsam schlendern wir durch die Lobby hin zu den weißen Sofas.

"Mein Fahrer müsste gleich da sein", murmelt Kendall angebunden und setzt sich einen Moment hin, blickt von unten zu mir hoch. Ich lasse mich neben ihr nieder und kann die Ankunft ihrer Kutsche innerlich gar nicht abwarten. Zu groß ist die Angst, dass sie mir Fragen stellt, die ich selbst nicht beantworten kann.  

"Verrückte Dinge sind heute passiert", startet sie, sobald mein Hintern das weiche Material berührt und verscheucht alle Hoffnungen, die ganze Situation tot zu schweigen. "Ich hätte wirklich nicht mit so etwas gerechnet."

"Es tut mir leid, dass das Ganze so aus dem Ruder gelaufen ist. Ich hätte für mehr Sicherheit sorgen sollen", entschuldige ich mich direkt und versuche das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. 

"Du kannst nichts dafür, dass bewaffnete Männer ausgerechnet das Lokal überfallen und stürmen, in dem wir uns in genau diesem Moment aufgehalten haben."

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