Unheimlich

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BILL

Ich klopfte. „Herein.", kam zögerlich von innen. Sarah saß an ihrem Schreibtisch, ein Tablet lag vor ihr. Vorsichtig betrat ich den Raum. Doch Sarah hob kaum ihren Kopf. „Wie gehts dir?", fragte ich besorgt. Wie immer wenn ich sie ansah, loderte ein heißes Feuer des  Verlangens in mir auf. Aber ich unterdrückte es. Sarah war noch lange nicht bereit, ihre Beziehung zu Milling zu verarbeiten. Dann war sie jetzt noch nicht dazu bereit, eine neue einzugehen.
Ich trat hinter sie und blickte ihr über die Schulter. Sie wählte gerade neue Kleider für ihre Boutique und sich selbst aus.
„Hey.", sagte sie endlich etwas. „Soll ich zum Abendessen kommen?", fragte sie mich. „Nein, nein. Lissa meinte, Sherri bringt dir dein Essen hoch."
„Danke.", kurz lächelte sie, „Lieb, dass du vorbeikommst." Sie schenkte mir einen Blick, von dem mir ganz warm ums Herz wurde. „Gibt es sonst etwas wichtiges, das ich verpasst habe?"
„Nein. Ich glaube nicht. Deine Klassen sind gut drauf. Sie haben heute Freistunden bekommen."
Sarah schmunzelte. „Morgen unterrichte ich wieder.", eröffnete sie mir.
Überrascht schnappte ich nach Luft. „Meinst du, du kannst das schon wieder?", fragte ich vorsichtig. Doch ich hatte das Falsche gesagt.
„Ich kann sehr wohl entscheiden, was ich kann und was nicht.", brauste sie auf. Erschrocken schwieg ich.
„Tut mir leid.", meinte sie ein paar Minuten später. „Andy hat mir doch mehr zugesetzt als ich dachte." Dann erzählte sie mir all das, von dem ich gehofft hatte, es zu erfahren. Sie teilte mit mir ihre tiefsten Gefühle und Sorgen. Das war mehr als ich erwartet hatte. Dafür liebte ich sie gleich noch ein bisschen mehr.
„Andy wirkte auf mich so zielstrebig und selbstbewusst. Außerdem gefiel es mir, einen so starken Mann an meiner Seite zu haben. Doch schon während unseren ersten Treffen und gemeinsamer Zeit, wurde mir klar, dass sich mehr unter der Fassade verbirgt, die er mir zeigte."
„Und warum hast du nicht einfach Schluss gemacht?", unterbrach ich sie.
„Ich wollte ihn nicht so schnell aufgeben. Ja, ich weiß, dass war naiv. Mehr als das."
Bei diesen Worten zog sie mich an sich und küsste mich. Mein Herz schlug schnell und heftig gegen meine Rippen. Ich wollte mehr. Ich wollte sie. Und sie gab mir all das.
Ihr Zunge fand meine. Sie schmeckte süß und doch war ein Hauch von Zitrone dabei. Es war die beste Kombination, die ich kannte.
Als wir uns wieder von einander lösten, schaute sie mich an und in ihrem Blick lag so viel Wärme, wie ich es mir immer gewünscht hatte.
Hätte Sherri nicht an die Tür geklopft, hätten wir uns nochmal geküsst.
„Störe ich?",fragte sie.
„Nein. Nein. Überhaupt nicht.", versicherten wir ihr etwas zu eifrig. Sie schien es aber nicht zu bemerken, denn sie sprach schon gehetzt weiter. „Ich muss los, die andere Portion Lasagne aus dem Ofen nehmen. Guten Appetit." Die Tür schwang zu.
Danach war die Stimmung zwischen mir und Sarah irgendwie verkrampft. Wir dachten beide an den Kuss, trauten uns aber nicht, ihn anzusprechen. Kurz darauf verließ ich den Raum. Ließ Sarah und das, was zwischen uns geschehen war hinter mir.
Eigentlich sollte ich jetzt glücklich sein. Sarah und ich hatten uns geküsst. Mehr hatte ich schließlich seit einem halben Jahr nicht gewollt, aber mich beschäftigte die Frage, warum sie mich jetzt plötzlich geküsst hatte und nicht schon früher oder dann, wenn sie die Sache mit Milling verarbeitet hatte.

Bill und SarahWo Geschichten leben. Entdecke jetzt