13. K A P I T E L

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Im Kreis saßen wir nun um den Wohnzimmertisch auf dem eine leere Flasche lag. „So wer will anfangen?", fragte ich in die Runde.
„Ich", sprach Leon, der schon nach der Flasche griff und drehte. Sie stoppte bei Maxi. „Wahrheit oder Pflicht, Tippkick?"
Maxi überlegte zögernd. „Wahrheit."
„Was hältst du davon, dass dein Vater demnächst eine neue Mitarbeiterin bekommt?" Es schien als hätte die Frage schon länger auf Leons Zunge gebrannt, so schoß sie aus seinem Mund.
„Morgen ist ihr erster Arbeitstag", warf ich dazwischen bevor Maxi antworteten konnte.
„Naja mein Vater stellt öfter neue Mitarbeiter ein, die sind halt meistens männlich." Maxi zuckte mit den Schultern. „Aber es freut mich natürlich, dass Isabels Mutter einen Job bekommt."
„Danke Maxi." Ich lächelte ihn an, denn wir beide wussten, dass hinter dem Jobangebot mehr steckte.
„Na los Maxi, dreh die Flasche!", befahl Raban.
Maxi nahm die Flasche und drehte. Sie blieb auf Joschka stehen. „Joschka, Wahrheit oder Pflicht?"
„Ehm, Pflicht."
„Versuche einen Handstand zu machen." Maxi verkniff sich ein Lachen. Konnte er sich wohl an vergangene Handstandversuche von Joschka erinnern?
Joschka stand auf und ging in die Mitte des Wohnzimmers. Er beugte sich nach vorne um die Hände parallel auf den Boden zu legen. Dann versuchte er die Beine in die Luft zu verwerfen...aber vergeblich. Wir verfielen in ein wildes Gelächter.
Joschka setzte sich wieder hin, griff nach der Flasche und drehte. Diesmal blieb sie bei mir stehen. „Wahrheit oder Pflicht, Isabel?"
Ich überlegte kurz. „Pflicht." Hoffentlich kommt jetzt nichts schlimmes.
„Küss Juli! Auf den Mund! Für...10 Sekunden!" Begeisterung schallte aus seiner Stimme.
Juli und ich schauten uns verdutzt an. „Ist das ok für dich?", fragte ich ihn.
„Ja, ist ja deine Aufgabe."
Ich kniete mich zu ihm gerichtet hin, denn er saß direkt neben mir. „Zählt ihr oder stoppt ihr die Zeit?"
„Wir können die Zeit mit meinem Handy stoppen", schlug Marlon vor.
Ich legte meine Hände an Julis Wangen.
„Seid ihr bereit?", erkundigte sich Marlon und bewegte seinen Daumen in Richtung des Startknopfs.
Juli und ich nickten. Dann gab Marlon das Startsignal. Meine Lippen bewegten sich auf die Lippen von Juli zu, während ich ihm in die Augen sah. Als seine leicht rauen Lippen auf meine trafen, explodierte ein Schmetterlingskokon in meinem Bauch und Schmetterlinge flogen umher. Dieser Kuss fühlte sich einfach richtig an. So richtig, dass ich meine Augen schloss und Juli noch näher an mich zog. Julis Hände legten sich an meine Arme und drückten etwas zu.
„Die essen sich fast auf", hörte ich Joschka flüstern.
„Wann sind die 10 Sekunden vorbei?", erkundigte sich nun sein bester Freund.
„Sind schon seit 2 Sekunden vorbei, aber ich lass den Beiden ihren Spaß", flüsterte Marlon so leise, dass ich es nicht hören konnte. Oder vielleicht wollte ich es auch nicht hören.
Schließlich lösten wir uns voneinander und nach Luft schnappend formten meine Lippen ein Wow, was Juli grinsen ließ.
„Sind die 10 Sekunden um?" Ich merkte wie Juli versuchte von seinem tiefen Luft holen abzulenken.
„Eh ja, haben gerade geendet", lügte Marlon erstaunlich gut.
Ich griff nach der leeren Flasche auf dem Tisch und setzte mich wieder normal hin. „Ich bin dran oder?"
Maxi nickte.
Die Flasche stoppte bei Vanessa. „Wahrheit oder Pflicht?"
„Ich nehme Wahrheit."
„Wie lange sind Leon und du schon zusammen?"
„Wir sind jetzt 15, also etwa 3 Jahre."
„Wow das ist schon echt lange." Ich staunte wirklich, denn ich hatte mit höchstens einem Jahr gerechnet, aber 3 Jahre sind eine lange Zeit.
Leon drückte seine Freundin einen Kuss auf die Wange.
Wir spielten ein paar weitere Runden bis uns nichts mehr einfiel.

„Ich glaube Marlon und ich sollten uns so langsam auf den Heimweg machen", sprach Leon und stand auf. „Nessi ich kann dich noch nach Hause bringen."
Vanessa nahm Leons Hand und stand ebenfalls auf.
„Ich denke meine Mum wartet auch schon auf mich", schloss Raban sich den anderen an.
Joschka, Maxi und Juli standen auch auf.
Auf dem Weg zum Eingangsbereich fragte ich Juli: „Können wir gleich nochmal kurz reden?"
„Klar."
Die wilden Kerle zogen ihre Schuhe an und gingen aus der Haustür, ich verabschiedete alle und schloss die Tür um mit Juli allein reden zu können.
„Also...wegen eben...also dem Kuss..."
„Ich weiß, das war...weiß ich nicht...irgendwie magisch, wenn man das so sagen kann." Juli fiel mir ins Wort, aber seine Beschreibung traf es ganz genau.
„Ja, also...was ist da jetzt zwischen uns?" Ich kratzte mich verlegen im Nacken.
„Keine Ahnung, hat es sich denn richtig angefühlt?" Ich konnte Unsicherheit in seiner Stimmung erkennen und wie er sein Gleichgewicht von dem einen Bein auf das andere verlagerte.
„Ja...ja ich denke schon." Irgendwie hatte es ja schon von Anfang an geknistert und der Kuss hat das alles nochmal bestätigt.
„Dann lass...also vielleicht sollten wir erstmal alles wie bisher belassen und schauen wie es sich so entwickelt?" Er konnte mir garnicht richtig in die Augen sehen.
„Ja...die Idee ist gut." Wir sollten keine urplötzliche Entscheidung treffen, sondern schauen was passiert und vor allem uns besser kennenlernen.
Zögernd zeigte er mit seinem Daumen in Richtung Tür. „Joschka wartet bestimmt schon ungeduldig, ich sollte besser gehen."
Ich nickte und öffnete die Tür. „Mach's gut, bis morgen."

Julis Pov:
„Ja, bis morgen." Ich zögerte kurz aus der Tür zu gehen, da ich nicht wusste, ob ich Isabel umarmen sollte. Oder sogar nochmal küssen. Schlussendlich ging ich dann doch aus der Tür und lief zur Straße, wo mein Bruder Joschka, sein bester Freund Raban und mein bester Freund Maxi standen.
Ich hörte wie Isabels Haustür in schloss fiel und gab einen leisen Seufzer von mir.
„Und Brüderchen wie ist das Krisengespräch gelaufen?" Für dieses Grinsen hätte ich ihm am liebsten den Hals umgedreht.
„Bestimmt haben die jetzt nochmal zu geknutscht." Ich hasste es wenn Raban seinen Senf dazugab. Noch dazu machte er es immer in den unpassendsten Momenten.
„Nein Raben, haben wir nicht! Und wenn du und Joschka nicht sofort mit diesem hässlichen Grinsen aufhört, dann küsst ihr gleich den Asphalt!" Auch wenn die Beiden nur ein Jahr jünger waren als ich, merkte ich doch ständig wie kindisch sie noch waren.
„Ach komm ignoriere die Beiden! Sag lieber worüber ihr geredet habt und wie es lief." Ich war dankbar für meinen besten Freund, denn er fand immer die besten Worte im richtigen Moment.
Ich widmete Joschka und Raban noch einen wütenden Blick, wofür sie dann auch endlich ihr Grinsen fallen ließen und sprach: „Naja, es war irgendwie eine unangenehme Stimmung und wir haben halt darüber geredet, was da zwischen uns ist. Wir konnten es beide nicht so richtig definieren, also haben wir uns dafür entschlossen alles beim alten zu belassen und einfach zu schauen, wie es sich so entwickelt."
Maxi legte seine Hand auf meine Schulter um mir etwas Zuspruch zu geben. „Hört sich doch gut an. Vielleicht müsst ihr euch auch einfach noch ein bisschen besser kennenlernen und entscheidet dann was ihr macht."
„Hast Recht! Wir gehen jetzt erstmal heim und morgen kann ich dann weitersehen."
„Gute Idee, bis morgen." Maxi hob zum Abschied die Hand und ging.
„Ich mach mich dann auch auf den Weg." Raban schlug mit seinem besten Freund ein und ging ein Stück. „Träum schon...von Isabel!" Er lachte und stapfte weiter.
Ich hielt beide Mittelfinger in seine Richtung und machte mich dann mit meinem Bruder auf den Nachhause-Weg.

Isabel, ihr hartes Leben und die MännerweltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt