29 | Guter, altmodischer Sexismus

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Janson hatte fast geschrien, so fassungslos war er. Kurz dachte ich, er würde sogar heulen. Aber anders als andere Kriminelle, von denen ich hier keine Namen nennen wollte (Sangster), ließ er mich, meine Familie und meine Freunde schließlich gehen.

Meine Eltern fanden, es war das Beste, so lange wie möglich ein halbwegs normales Leben in unserem Haus zu führen. Wobei, wie normal war das schon, wenn wir weiterhin mit einer Verbrecherbande zusammen arbeiten würden, die gegen eine andere Verbrecherbande kämpfte?
,,Ich finde das SO unfair!", motzte Henry.
,,Oma verlangt wirklich, dass ich weiter zur Schule gehe, wenn die Welt zum Spielplatz des Bösen wird!", keuchte Seth vor Empörung.
,,Ich kann doch jetzt nicht für Biologie lernen!", beschwerte sich Cassandra.
,,Echt, was denken sich unsere Eltern dabei?!", fluchte Joel.
,,Ich vermisse unsere Englisch-Lehrerin schon ein bisschen...", warf ich beschwichtigend ein.
,,Ach, halts Maul, Ruby!", motzten mich vier Teenager und drei Fantasiefreunde an.

Ich hasste den Gedanken an Biologietests zwar auch, doch ich verstand immerhin, dass meine Eltern arbeiten mussten. Mein Gangsterboss hatte schließlich alle in der Hand, weil er die Banken in der Hand hatte - in so einer Zeit also Schulden zu haben, war wahrscheinlich so wie seine Seele an den Teufel zu verlieren.
Ich finde es gut, wie du deinen Geliebten mit dem Teufel gleichsetzt, schmunzelte Grins.
Ich lehnte den Kopf dramatisch an die Fensterscheibe des Autos und murmelte: ,,Wozu macht mich das dann? Zu einer Sünderin?"
Klingt sexy, fand Alice.
Der Hutmacher hielt ihr erschrocken die Hand vor den Mund. Diese Jugend!, rief er aus.
Er versuchte sie immer noch daran zu hindern, kichernd das Wort "sexy" zu sagen, als wir schon in der Auffahrt unseres Hauses standen.
,,Alles aussteigen.", befahl mein Vater düster, als würden wir in den Kampf ziehen. Das war im Grunde auch so. Morgen war Montag.
Mein erster Schultag seit der Entführung.

***

Die nächsten Wochen verging so schnell, dass ich fast nicht mitkam. Seltsamerweise waren ich und meine Freunde als krank eingetragen worden. Die Lehrer wussten nicht, dass ich entführt wurde. Wieder mal. Laut den Vermerken im Register war ich anscheinend bis jetzt in dem Krankenhaus gewesen und wurde letzte Woche wieder entlassen.
,,Sollen wir da mitspielen?", fragte mich Cassandra in Französisch. ,,Soll ich wirklich so tun, als hätte ich die Grippe gehabt?"

,,Naja, du kannst zwar sagen, du hattest ein Techtelmechtel mit einem hochgefährlichen Kriminellen, aber das wird dir wahrscheinlich niemand abkaufen."

,,Ich hatte kein Techtelmechtel mit ihm!", stotterte Cass.

,,Sorry, wie nennst du das dann? Rummachen? Babyproduktion? Zungen-High-Five?" Ich brach ab und begann loszuprusten. Meine Freundin wollte sich zwar verteidigen, musste aber ebenfalls lachen.
,,Excusez-moi!", beschwerte sich unsere Lehrerin.

,,Wir excusezen Sie.", flüsterte Cassandra zurück. Zu ihrem Glück hörte Mrs Fendter sie nicht, sie war wieder damit beschäftigt Marian runterzumachen, weil sie nicht wusste, wie man Lammfleisch aussprach.

,,Klingt so, als würden wir sie exekutieren."

,,Ich exekutiere gerne Lehrkräfte."

,,Und außerdem lässt du dich gerne von dunkelhaarigen Kriminellen begrabschen.", fügte ich hinzu.

,,Wieso machst du mich jetzt so fertig, du hast genauso mit einem Gangster Bettgymnastik gemacht!", gab Cassandra zurück. Ich war schockiert.

,,Das... das... war doch nur.... Lippengymnastik! Höchstens!", verteidigte ich mich.

,,Ach wirklich, er hatte dich sicher oft unter sich!"
Mir fielen da ganz viele Situationen ein, die Cassandra damit beschrieb. Trotzdem. Meine Empörung saß tief.
,,ICH BIN DIE UNSCHULD IN PERSON!", rief ich. Vielleicht eine Spur zu laut. Die gesamte Klasse drehte sich zu uns nach hinten.

criminal manWo Geschichten leben. Entdecke jetzt