5 | Dramatische Theatraliken

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Ich wachte auf, als sich Eiszapfen an meinen Zehen rieben. Später realisierte ich, dass diese Eiszapfen Füße waren.

Die Frau musste von hier sein. Von diesem Windel-Drogen-Betriebs-Gangster-Hotel eines Mafiabosses. Ich war nicht so dumm, zwei Nächte nach meinem Ausbruch in eine Bar zu spazieren und eine pflichtbewusste, vollkommen antikriminelle Bürgerin hier her zu führen. Und um in dem Katalog voller entführter Mädchen der armenischen Mafia herumzublättern, war ich nicht verzweifelt genug.
Und ich hatte, was selten in meiner Branche war, Respekt vor Frauen. Dass mein One-Night-Stand und ihre Eisfüße wegmussten, hatte also nichts mit Anti-Feminismus zu tun.

Ich fragte mich, ob ich sie als Frau nicht respektieren würde, wenn ich sie vom Bett warf. Ich meine, im Grunde würde ich das auch tun, wenn sie ein Mann wäre.
Aber ich sah sie bestimmt noch in den nächsten Monaten, also wollte ich nicht, dass es peinlicher wurde, als es sein sollte.

Sie wachte stöhnend auf. Es klang so eindrucksvoll, dass ich mir nicht sicher war, ob sie Runde drei ohne mich begonnen hatte.
Was sollte ich jetzt tun? Sie höflichst begrüßen oder ihr direkt sagen, dass sie gehen sollte? Ich entschied mich fürs Totstellen. Also, schlafend. Nicht tot. Den Namen dieser Taktik hatte ich von Minho.

,,Hey...", machte sie unsicher.

Ich antwortete nicht, sondern konzentrierte mich krampfhaft auf eine überzeugende Atmung. Mir kam der Gedanke, vielleicht noch einen drauf zu legen und zu schnarchen, aber ich ließ es bleiben.

,,Okay, auch gut.", hauchte sie.

Sie richtete sich auf und dachte vermutlich, dass es leise war. Ich konnte auch hören, wie sie sich hastig anzog. Währenddessen kickte sie öfters subtil gegen das Bett. Wollte sie mich aufwecken?

,,Ähm...", machte sie. Kurze Stille. Darauf folgte ein "AUTSCH!". Es klang künstlich.
Sie wartete.
,,Ach, scheiß drauf. So gut warst du auch nicht.", zischte sie pikiert und stapfte aus dem Zimmer.

Aber etwas störte mich. Und nicht etwa diese Lüge, denn ich war verdammt gut! Nein, das war es nicht.
,,Türe zu!", raunte ich hinterher.

,,Arschloch!", hörte ich sie fluchen.

Und die Türe ließ sie offen. Ich knurrte gegen die Matratze, bis ich wieder Schritte hörte. Sie kam also doch zurück. Und als die Schritte im Zimmer waren, wurde mir klar, dass es ihr nicht um die Tür ging.

Ich wappnete mich mental.

,,Okay, eigentlich wollte ich höflich bleiben und dich ignorieren, aber ich kann nicht. Geh einfach. Ich will nichts von dir.", gab ich gereizt von mir und riss erst am Ende die Augen auf, um meinen folgenden Worten mehr Ausdruck zu verleihen.
,,Und dein Stöhnen hat-"

Sam stand vor mir.

Der Türke hatte die Augenbrauen erhoben und stocherte in seinem Sushi herum. ,,Ja?", hakte er nach. ,,Was ist mit meinem Stöhnen?"

,,...Und dein Stöhnen hat mir ziemlich deutlich gemacht, dass ich verdammt gut war!", vollendete ich resigniert.

,,Oh, wie kannst du nur so kalt sein? Ich liebe dich. Diese Nacht war besonders, du hast mir gezeigt, was Leidenschaft ist. Du warst mein Erster!", wimmerte Sam.

,,Bist du fertig?"

,,UND DEINE ZÄRTLICHEN KÜSSE, SIE HABEN MIR DEINE WAHREN GEFÜHLE OFFENBART, EGAL, WIE RAU UND HART DEINE RESTLICHEN BEWEGUNGEN WAREN." Er sank beinahe zu Boden.

,,Ich bin geschmeichelt."

,,NIMM MICH, DADDY!", flehte er theatralisch und lag am Ende wirklich auf dem schwarzen Teppich.

criminal manWo Geschichten leben. Entdecke jetzt