21. Nicht nur Rebell

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Wer da vor mir saß, hätte sich äußerlich von der Hexe kaum mehr unterscheiden können. Zwar hatte sie fast die gleiche Kleidung, doch der Hexenhut saß lässig auf langen, lilanen Haaren. Das Gesicht des Mädchens, das nicht älter als ich selbst sein konnte, hatte weder eine riesige Nase (oder überhaupt eine), noch war es von Falten übersäht. Die Augen waren orange, passend zu dem sonnengelben Top das sie trug, und den orangenen Stiefeln. Ich war mehr als perplex. Ich hätte niemals gedacht, dass meine Reisegefährtin so aussehen würde,(besonders nicht in einer eher mittelalterlichen Umgebung...). Wie gut dass ich schon saß, ansonsten wäre ich sicherlich einfach umgefallen.

"Nun weißt du um meine Identität. Ich nehme an, du kennst mein Gesicht schon." Ich schüttelte leicht den Kopf. "Wirklich nicht? Nun... dann werde ich wohl von vorne beginnen müssen. Ganz von vorne."
Das würde wohl etwas länger dauern. Geschichtsstunde​, yay!

"Ich wurde mit dem Namen Aeleo in ein kleines Dorf in Selvia geboren. Als junge Hexe, gerade mal aus dem Brutalter herausgewachsen, fragte ich oft meine Erzieherinnen wieso das einfache Volk nie mitbestimmen durfte. Immer wieder wurde mir daraufhin gesagt, dass die vom ersten Kaiser verfassten Gestern es so festlegen, und dass den Befehlen eines Gottes um jeden Preis gehorcht werden musste. Aber als ich aufwuchs, begann ich immer mehr daran zu zweifeln und mit jeder Ungerechtigkeit die ich sah wurde mein Verdacht stärker. Mit der Zeit erzählte man mir auch weniger von der staatlichen Propaganda und mehr davon, dass ich getötet werden würde sollte ich weiterhin solche Fragen stellen. Schließlich wurde mir eindeutig klar: Die bestehende Rangordnung war falsch. Ich begann zu wandern. Auf meiner Reise sah ich wie andere Rassen von den Herrschenden​ unterdrückt wurden, wie Monster aus allen Umständen versklavt und ermordet wurden, ohne dass die unter königlicher Autorität handelnden Täter irgendwelche Folgen fürchten mussten. Die Ausmaße wurden mir immer klarer. Mit der Zeit traf ich dann auf andere aufmerksame Monster mit gleichen oder ähnlichen Beobachtungen, und im Geheimen bildeten wir den 'Widerstand', wie man ihn heutzutage kennt. Von vielen auch 'Die schwarzen Rebellen', oder 'Die Ungesehenen' genannt, war ich der mysteriöse Anführer 'Black Death'. Wir machten es uns zum Ziel, die Wahrheit herauszufinden und den Leuten zu helfen... Und endlich, durch das heimliche Durchstöbern von alten Texten, fanden wir die ursprünglichen Befehle. Die vier Herrscher waren niemals vom Kaiser als absolute Herrscher eingesetzt worden, sondern als temporäre Lösung gedacht. Die Herrschergeschlechte legen seine Schriften zu ihrem Nutzen aus, benutzen seine verdrehten Worte als Vorwand für schreckliche Verbrechen! Wir beschlossen das Wissen zu verbreiten, die Wahrheit aufzudecken und die ungeheuerliche Tyrannei endgültig zu beenden!" endete Aeleo.
Mit ihren Armen in einer 'Kämpfer'-pose und ihren förmlich Funken sprühenden Augen bat die Hexe ein spektakuläres Bild, das einer wahren Anführerin.
Kurz fragte ich mich ob sie das wirklich ernst meinte, dann lehnte ich mich erschöpft zurück. Natürlich, bei dem Feuer das sie in ihre Worte gelegt hatte, glaubte sie tief und fest daran. Super, ich hatte mir nicht nur eine Rebellin als Begleiterin eingefangen, sondern auch noch die fanatische Anführerin hoch selbst. Aber das erklärte immer noch nicht ganz, warum sie gerade mich, eine Unbekannte und ein zweifellos großes Risiko, mitgenommen hatte wenn sie doch sicherlich weniger wichtige Leute hatte die dies taten. Ich fragte sie prompt. Die Hexe schien etwas peinlich berührt. "Nun... Aha... Nun, Es war so: Unsere letzte Mission führte uns in einen Steinbruch, wo Skelette zur Mienenarbeit gezwungen wurden. Die meisten konnten wir hinausschmuggeln, doch bevor wir selbst entkamen stürmten die Wachen die Anlage. Ich hielt die Soldaten erfolgreich zurück während der Rest und die anderen Ungesehenen flohen, wurde aber... Nun ja... von einem geworfenen Stein bewusstlos geschlagen als ich selbst zu entkommen versuchte. Ich fiel in eine der vielen Spalten... Später erwachte ich dann auf einer Kohlenkarre nur noch ein paar dutzend Chunks von Kalra entfernt. Einerseits konnte ich mich glücklich schätzen mich nicht im Gefängnis oder in einer Folterkammer wiederzufinden, andererseits hatten die Soldaten sicherlich gesehen was passiert war. Also verschwand ich so schnell wie möglich nach meiner Ankunft, und ich behielt Recht in meiner Vermutung dass sie mir folgen würden: Innerhalb eines Tages schwärmte die Stadt regelrecht mit 'Aushilfe-Wachen'. Du musst wissen... ich brauchte nun dringend jemanden der mich begleiten würde, denn die Soldaten des Königs suchten nach einer einzelnen Person, nicht zwei. Das war der Zeitpunkt an dem ich dich entdeckte. Du warst perfekt, nicht autoritäts-orientiert und laut deiner Aura loyal. Außerdem kann die Rebellion immer neue Mitglieder gebrauchen! Und wie es aussieht hatte ich richtig gewählt. Und weil du als Hexe einfach mithilfe von Auren navigieren kannst, wird deine Blindheit auch kein Problem sein! Nicht, äh, dass ich irgendetwas vorweg nehmen will- Du benutzt doch Auren?"
Ich nickte.
Wenn es sie von der Folgerung 'Oh sie hat magische leuchtende Augen und ist Thronfolgerin zum Kaiser' abhielt, würde ich eben mithilfe von 'Auren', was immer das war, mich umherbewegen.
Außerdem, wenn ich das jetzt richtig gehört hatte... hatte sie mich als Ablenkung benutzt?! Ohne mich zu fragen? Obwohl ich sagen musste, dass es Sinn ergab nicht die Mengen an schwer bewaffneten Wachen die hinter ihr her waren zu erwähnen, gerade wenn sie jemanden überzeugen wollte sie zu begleiten. Zwar konnte ich ihre Entscheidung nachvollziehen, doch das hieß nicht, dass es mich weniger ausgenutzt fühlen ließ. Nun...
Sie hatte es ja nicht aus schlechten Gründen getan. Und bis auf die Patrouille vorhin waren wir wegen ihr auch noch in keine Schwierigkeiten geraten.
"Ich... bin nicht glücklich." Untertreibung. "Aber ich verstehe auch deine Gründe. Und von ihnen mal abgesehen ist unser Deal immernoch gültig. Ich werde nicht eher aufgeben als dass ich die Oberfläche erreicht habe." Ich lachte ein wenig bitter. "Ich werde weiterhin mit dir reisen und später für deine Rebellion kämpfen. Aber ich warne dich: Noch so eine Aktion und du kannst den Deal als null und nichtig ansehen." Zufrieden mit der Mischung von Drohung und Zustimmung die ich ausgearbeitet hätte beobachtete ich Aeleos Reaktion. Sie schien kurz nachzudenken, ihre Brauen zogen sich zusammen - dann entspannte sie sich und nickte.
Ich lächelte erleichtert zurück. Mir fiel auf dass sie jetzt wohl erwartete, dass ich nun ebenfalls meine Lebensgeschichte preisgab. Hastische Gedanken rasten wie Pingpong Bälle in meinem Kopf umher als ich zu entscheiden versuchte, was ich ihr erzählen würde. Die Wahrheit ganz bestimmt nicht. Aber was sagte man noch gleich? Die beste Lüge ist die Wahrheit nur mit ein paar Lücken?
Zögerlich begann ich zu reden, während mein Gehirn auf volle Kraft drehte und die Zahnräder meiner Einfallskraft zum Drehen brachte.
"Als ich geboren wurde gab man mir den Namen Stefanie." Das stimmte. "Und ich war ein relativ glückliches kleines Mädchen." Jedenfalls wenn ich nicht zwischen einen Streit in der Familie geriet. "Aber je größer ich wurde desto klarer schien es mir dass ich hinaus in die Welt musste." Und so weit wie möglich weg von meinen Eltern. "Ich lebte relativ gut - manchmal sah ich zwar die Fehler im System," Mietzahlungen. Der absolute Horror."...Aber meistens kam ich darüber hinweg. Bis ich den Fehler machte, ein Angebot für Geld im Gegenzug für Teilnahme an einem Projekt anzunehmen. Erst als sie mich betäubten und festhielten wurde mir klar, dass nichts lief wie es sollte." Während ich sprach kamen Erinnerung zu mir. Wie durch meine Worte angezogen. Erinnerungen von meinem alten, nicht-eckigen Ich, wie es gerade auf die Anzeige antwortete die tausend Euro für die Teilnahme an einer Studie versprach. Erinnerungen daran, wie freundlich die Leute gewesen waren, die Fragen normal und die Atmosphäre freundlich - bis ich gebeten wurde mich auf einen Liegestuhl zu legen, der direkt aus einem medizinischen Horrorfilm entnommen zu sein schien. Wie ich mich entsetzt weigerte und man mich kurzerhand betäubte, versprach dass alles bald vorbei sein würde und dass alles gut werden würde. Eine unbestimmte Zeit später wachte ich auf, orientierungs- und erinnerungslos, mitten in einem tobenden Schneesturm.
"Als ich zu Bewusstsein kam waren die Täter verschwunden, und meine Augen so wie sie jetzt sind. Ich hatte keine Möglichkeit sie zur Rechenschaft zu ziehen."
Wieder nicht gelogen. Ich seufzte, jetzt kam der schwierige Teil.
"Jeder den ich traf reagierte auf meine Verstümmelung negativ," Manipulationsversuche vom Erlan und Terror vom Zombie, Check.
"Und nun bin ich auf einer Mission, ihnen und auch mir selbst zu zeigen, dass nicht meine Augen mich ausmachen sondern das was ich, auch ohne Sehkraft, Zustande bringen​​ kann. Und was für eine größere Errungenschaft gibt es als das Überleben auf der Oberfläche?" Ohh, ein bisschen zu viel Wahrheit hier. Seit ich in dieser Welt angekommen war, war ich mir nicht mehr genau sicher, wer ich überhaupt war. Nur wenn ich trotz weißer Lampenaugen nach Hause kommen könnte, würde ich mir selbst beweisen können dass ich immernoch ich war.  Im Moment war meine Identität noch fest mit einer Realität verwoben in der ich mich nicht befand, also musste ich zu dieser zurückkehren.

"Es tut mir leid. Das was mit deinen Augen passiert ist, meine ich. Wenn wir die Tyrannen stürzen könne wir sicherstellen das solche Kriminelle nie wieder unverfolgt bleiben!"
Ich verzog meinen Mund zu einem schmerzlichen Lächeln.
Es wärmte mich zwar, dass sie sich so gegen Ungerechtigkeiten aussprach die jemandem wiederfahren waren den sie gerade erst kennengelernt hatte - doch hatte sie wohl kaum eine Chance jemanden zu fangen der sich in einer anderen Realität befand.
Ich schüttelte den Kopf und sagte zu ihr:
"Genug von mir. Ich würde mir viel lieber anhören, was deine Pläne für unsere weitere Reise sind. Gehen wir zu einer anderen Stadt?" Die Hexe lächelte aufrichtig, schüttelte aber den Kopf. "Was glaubst du, warum ich dich nach Breers führen wollte? Wir Rebellen haben dort eine Basis errichtet, direkt in einer wichtigen Handelsstadt. Dort können wir sicher reden, hier können jeden Moment Soldaten auftauchen. Wir werden dir auch alles zeigen können, was du in einer Welt wie unserer brauchst, schließlich bist du noch verhältnismäßig neu zu rebellischem Verhalten wenn ich das richtig gehört habe." Sie grinste mir zu und stand dann langsam auf. Erst sah ich ihr erstaunt zu, wie sie sich streckte, dann folgte ich ihrem Beispiel. Schließlich fiel mir noch eine letzte Frage ein: "Wieso hast du mir jetzt vertraut?"
Sie sah mich verschmitzt an.
"Oh, wenn jemand ein halbes Battalion für dich tötet, kannst du dir normalerweise sicher sein, dass sie dich nicht verraten werden. Das, und die Karten, waren Tests die du beide bestanden hast." Sie zwinkerte mir zu und begann dann die Hütte auszubauen. Ich brauchte einen Moment um auf das zu kommen was sie angedeutet hatte. "Heißt das du wusstest den Weg die ganze Zeit und hast mich nur planen lassen um zu sehen ob ich dir eine Falle stellen würde?" Sie sagte nichts, aber ich sah ihr das Lachen an.
"Ich hätte diese ganzen Karten gar nicht erst durchsuchen müssen?!" Über die nächsten Minuten hinweg beschwerte ich mich, und diskutierte mit der grinsenden Hexe, doch es stahl sich ein leises Lächeln auf mein Gesicht. Es sah ganz so aus als würde ich außer meinem Weg zur Oberfläche noch einen wundervollen Bonus bekommen: Einen Freund.

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Ich hoffe nur, ich werde nicht zu fantasievoll XD

Votes und Kommis sind immer willkommen ;3

Verkehrte Welt (Minecraft ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt